Ehrlichstett, März 2017

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Tamara reitet langsam im Schritt am Ufer entlang. Sie lässt den Zügel ihres Haflingers lang und das verschwitze Pferd dehnt sich an die Hand und streckt den Hals. Sie sind stramm galoppiert über einen brachliegenden Acker und der Kleine musste ordentlich arbeiten. Bald beginnt die Turniersaison und sie fängt an, an seiner Kondition zu arbeiten. Leider, denkt sie, leider kann sie Zuhause nicht so trainieren, wie sie es sich vorgenommen hat. Sie haben eine Förderung bekommen, erinnert sie sich ärgerlich, endlich eine üppige Landesförderung für eine richtigen Reitplatz, nicht dieses provisorische Ding, das sie da haben. Wie ein Hohn, die Förderung, jetzt, wo alles verloren ist. Sie mussten sie ablehnen, zurückgeben,wegen des verlorenen Prozesses und der Suche nach dem neuen Standort. Keinen Sinn, noch etwas aufzubauen in Ehrlichstett. Keinen Sinn. Keiner weiß, wie es weitergeht, noch immer nicht.


Seufzend tätschelt sie dem Haflinger den verschwitzten Hals und gibt noch ein wenig mehr Zügel nach. Das Pferd bummelt mit langem Hals am Ufer entlang und sie kann weiter grübeln, während ihr Blick über die graue Fläche des Sees gleitet.

Es ist lähmend, diese Ungewissheit. Lähmend und ärgerlich. Es wird Zeit, dass sie etwas Neues finden, Zeit, dass sie ihre Energien irgendwohin richten können. Zeit, dass dieses Warten endlich ein Ende hat.

Dieses Warten scheint sich auf Alles zu erstrecken. Auch ihre Beiziehung mit Jakob ist mal wieder mit Warten gefüllt, Mit Warten und Unsicherheit.
Klar, sie haben die Crowfundig-Sache erstellt, Jakob und sie und es erweckt schon den Anschein, dass er sie unterstützt, aber sie spürt auch wieder oder immer noch diese Distanz. Es ist eben nicht sein Projekt und nicht sein Leben.

Und daneben all diese ganzen Geschichten, die Kylie erzählt hat, die Fotos und die Filme. Kylie hat sie seitdem nicht mehr gesehen, ab und zu postet sie Zeug auf Instagramm, mehr Partyfotos und so. Nichts wirklich privates. Und eigentlich will sie den Kontakt auch nicht wirklich, irgendwie nicht den Kopf frei für das Ganze.

Devon ist wieder da und sie sehen sich häufig. Aber da ist gar kein Flirten mehr und keinerlei Anziehung. Mehr wie Bruder und Schwester, denkt sie. Devon ist irgendwie .... anders. Fahrig, tranig, abwesend. Und auch er ständig am Party machen. Mit Kylie unterwegs und auch mit andern. Auch er hat Jakob gesehen, angeblich, auch er kann bestätigen, was Kylie erzählt, dass Jakob Drogen einschmeißt und in Halle weggeht. Und das da was war mit Tina, oder Lisa oder mit wer weiß wem. Ach verdammt, sie kommt da irgendwie nicht ran. Klar, mit Jakob reden, das wäre das einfachste, aber jedes Mal, wenn sie damit anfängt, sieht er sie ungläubig an. Ob sie wohl spinnt und dass sie doch weiß, wie es seiner Schwester geht.
Ne, das ist auch nicht gut für die Beziehung und sie will auch nicht misstrauisch sein. Anderseits sehen sie sich ja wirklich nur selten, er in Halle, sie hier und abends kommt sie nicht mehr raus, hat echt nicht so Lust auf Partys und weggehen, im Moment schon gar nicht in dieser unsicheren Situation, da hat sie echt andere Sorgen.

Sie seufzt noch einmal.

Ihr Herz ist schwer.

Warum geht das mit diesem Jungen nicht?

Warum kann man nicht normal mit ihm reden, einfach die Dinge mal rauslassen, ohne sich wie ein Depp zu fühlen, wie eine eifersüchtige Viper, die nur Ärger machen will. Irgendwie schuldig.
Aber vielleicht ist das ja so. Vielleicht liegt sie ja auch völlig daneben und glaubt solchen Mist, obwohl da nichts dran ist.

Es macht sie wahnsinnig.

Neben dem ganzen Ärger und der ganze Angst und der ganzen Unsicherheit macht es sie wahnsinnig. Ehrlich und wahrhaftig wahnsinnig.

Wäre es denn wirklich zu viel verlangt, in einer Beziehung, dass man sich auf den anderen mal verlassen kann, wenn die ganze Welt sich auflöst und man Angst haben muss, dass alles morgen anders ist, dass einem alles genommen wird und man sich nicht dagegen wehren kann?

Wütend nimmt sie den Zügel auf und bohrt ihrem Pferd die Sporen in die Seite, was es zu einem unwilligen kleinen Sprung veranlasst. Sie galoppiert den menschenleeren Strand hinunter. Wünscht sich, sie könnte weg galoppieren. Weg von all diesen Sorgen und Zweifeln. Und hinein, in eine Zukunft, die sicher ist und klar.

Eindeutig.

Und voller Hoffnung.


Libertas Haus, das SchlossWo Geschichten leben. Entdecke jetzt