Seufzend streckt der Dunkle sich im Stroh aus. Der Schwarze beschnüffelt seine Beine und lässt sich die Stirnlocke streicheln. Der Stall ist die Zuflucht des Dunklen. Er tut seine Pflicht, er überwacht den Verletzer und er spürt, wie sich etwas verändert. Die Luft um den Verletzer ist aufgeladen mit Angst und Unsicherheit. Der Verletzer ist unruhig und gereizt. Seine Angst vor der Kindfrau lähmt ihn. Er spürt kein Begehren mehr zu ihr, er möchte fort von ihr, aber er weiß nicht, wohin. Der Dunkle ahnt seine Furcht vor der Alten, die in der Kindfrau ist und die Macht hat, die nicht vorstellbar ist. Der Verletzer will nicht mit der Alten, mit der Weisen sein, die stark ist, er will mit Schwachen sein, denen er Angst zufügen kann und Schmerzen. Doch er weiß nicht, wohin. Der Weg zurück in sein Heim ist ihm versperrt und die Kindfrau weicht nicht. Sie liegt auf ihrer Koje und beobachtet ihn. Manchmal gibt sie ihm Anweisungen, manchmal lesen sie gemeinsam Texte, die im Internet erscheinen und sie formulieren Antworten oder schreiben gemeinsam Anzeigen. Das sind die besten Momente, die Momente in der die Angst des Verletzers verschwindet und sie sich einig sind, über Formulierungen feilen, diskutieren, sogar gemeinsam lachen und sich freuen, an ihrer Bosheit. Die schlechten Momente sind die, wenn die Kindfrau auf der Koje liegt und den Verletzer beobachtet. Wenn sie nicht spricht, sondern nur sieht. Dann ist die Angst wieder da und die Unruhe. Oft geht der Verletzer dann, steigt in sein Auto und fährt los. Wenn er wiederkommt ist die Kindfrau eingeschlafen und der Verletzer hat sich beruhigt. Seine Spannung ist verflogen und auch er legt sich schlafen. Das ist der Zeitpunkt, wenn der Dunkel gehen kann und seine Pflicht erfüllt ist. Für diesen Tag, für diese Nacht. Er tut seine Pflicht, er überwacht den Verletzer, aber danach ist er im Stall, danach ist beim Schwarzen und manchmal entlockt der Freund ihm Töne, Worte, ungewohnt und fremd, ein Zeichen der Liebe zu dem Pferd, die Ausdruck sucht. Eine sonderbare, einfache kleine Melodie hat sich in seinem Kopf eingeschlichen und wenn er sie summt, mit seiner tiefen, brüchigen Stimme, dann schnauft der Schwarze vor Behagen und bläst mit seinen Nüstern warmen Atem in sein Gesicht.
Manchmal schläft er ein und das beunruhigt ihn. Seine Wachsamkeit lässt mach, er entspannt sich zu sehr. Die Leute sind aufgeregt, es ist Fohlzeit und die bunte Stute, die so krank war, hat die Trächtigkeit weiter fortgeführtund ist nun bald dran mit Fohlen. Er spürt die Angst der Flammenhaarigen und der Anderen, dass ein verkrüppeltes Fohlen zur Welt kommt, aber die Stute ist ganz gelassen und bereitet sich ruhig auf die Geburt vor. Hört doch auf die Pferde, möchte er ihnen sagen und ihnen die Furcht nehmen, die sie unruhig macht, aber natürlich hören sie ihn nicht. Sie kennen ihn nicht, sie sehen ihn nicht und so soll es sein.
Vor Einbruch der Dämmerung, wenn die Nachtigall schwiegt und die Morgensänger ihr Lied anstimmen, wird er verschwunden sein, durch den Wald hinauf zum Wohnheim, dort sein Zimmer betreten, die Jalousien und das Fenster schließen und sich auf dem Feldbett niederlegen. Den Tag verschlafen, das Licht verschlafen, um bei Einbruch der Nacht erneut seinen Dienst zu tun, seinen Dienst am Verletzer.
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Libertas Haus, das Schloss
ParanormalWas bisher geschah: Corinne Haalswor und ihre 16 jährige Tochter Tamara ziehen aus München in den wilden Osten Deutschlands ins Hinterland von Halle/Saale in das kleine Dorf Grömlitz. Hier scheint die Zeit stillzustehen und es finden sich bald all...