Jakob ist da. Es sind noch Sachen da von ihm, die er abholen muss, T-Shirts, vom Sommer, Bücher, vom gemeinsamen Lernen, Relikte, Hinterlassenschaften ihrer gemeinsamen Geschichte.
Eigentlich wollte Tamara das Corinne machen lassen, nach dem Motto, mach du mal, lass ihn einfach rein, seine Sachen holen, aber dann hat sie sich dagegen entschieden.
Einmal hat Corinne genug um die Ohren, die bekloppten Einsteller mit ihren Verdächtigungen sind schlimm genug, aber der Brief von Flexi, Corinne hat geheult, wie ein Baby, sie hat versucht, das zu verbergen, aber Tammi hat es mitgekriegt.
Und sie versteht es nicht.
Manchmal fühlt sie sich wieder wie ein Kind, das die Erwachsenen nicht versteht. Wie kann Flexi so etwas machen? Und warum glauben alle diesem Klapsmann und seinen Lügen? Was sind Freundschaften wert? Wieso haben alle Angst?
So viele Fragen. Und auf Jakob hat sie keine Lust in diesem Zusammenhang. Jakob, neue Fragen. Jakob, der sich auch nicht deutlich zu ihr stellt und ihr hilft und sie unterstützt. Jakob, das Weichei, der nun seine Sachen holt und einen Schlussstrich unter die ganze Sache zieht, anstatt um sie zu kämpfen. Was ohnehin hoffnungslos wäre, wie sich sich eingestehen muss. Denn ihr Herz gehört Devon, immer schon und unrettbar. Da ist sie sich sicher. Und alles weitere mit Jakob hätte keine Zukunft.
Sie hört Schritte auf dem Flur und sieht ihn dann das Zimmer betreten. Er sieht sie fragend an, sie deutet mit dem Kinn auf den Karton, den sie schon gepackt hat.
„Da ist alles drin!"
Er geht schweigend darauf zu und hebt den Karton hoch. Er geht zur Tür. Dann stellt er den Karton auf einem Stuhl ab, dreht sich um und sieht sie an.
„Wars das jetzt?"
„Mann Jakob, bitte!" Ihre Stimme klingt gequält. Warum kann er nicht einfach gehen und ihnen das ersparen?„Mit wem? Wer ist das Arschloch?"
Sie zuckt zusammen, so wütend klingt seine Stimme. Er, der leise und beherrschte Jakob.„Darum geht es doch jetzt nicht."
„Wie bitte?" Sein Lachen klingt bitter und irgendwie ein bisschen gruselig „Ach, Tammi. Hast du mit ihm geschlafen?"
Ihre Gedanken stocken für einen Moment. Was verdammt noch mal, geht ihn das an? Es ist Schluss, kapiert?? Schluss, Schluss, Schluss!
„Schläfst du mit ihm?" In ihrem Kopf formuliert sie Antworten. Sie hat nicht da Bedürfnis, ihn um Verzeihung zu bitten. Sie weiß nicht mal, ob sie überhaupt irgendetwas bereut.„Ich hab dich was gefragt, verdammt!"
„Ja"
„Was „ja"?"
„Ich schlafe mit ihm!"„Du schläfst....du....oh Gott..." Jetzt, wo er sich auf den Bodensinken lässt und derart verzweifelt aussieht, schreit endlich ihr Herz. Aber dass muss er jetzt aushalten. So ist das Spiel nun mal.
„Sag nicht, dass es Devon ist."
„Es ist Devon."
In Jakobs Gesicht, Fassungslosigkeit. Seine Hände zittern. Sie hat das Gefühl, sie hört sein Herz klopfen.
„Das kann doch nicht wahr sein!"
Ja, stimmt, denkt sie, das kann es nicht. Aber es ist!
„Das darf nicht wahr sein, bitte Tammi, sag das es nicht wahr ist!"
Sie schweigt. Sie konzentriert sich darauf, nichts zu sagen, nichts zu rechtfertigen, die Konsequenzen auszuhalten, ihnen mit Würde zu begegnen, sich nicht selbst zu verleugnen.
In Jakobs Augen schwimmt zuerst die Wut, dann Machtlosigkeit, dann Traurigkeit.
Sie findet es schwer, zu ertragen, ihn anzusehen.
„Ich kann nicht mehr um dich kämpfen," sagt Jakob leise, „ich kann nicht mehr um dich kämpfen, Tammi. Ich schaffe es nicht."
„Ach, Jakob" sagt sie, ebenfalls leise.Plötzlich ist sie müde, unendlich müde. Die Wahrheit hat etwas Erleichterndes.
„Ich will nicht, dass du um mich kämpfst. Darum geht es jetzt auch gar nicht mehr."
Die Wohnung ist still, nachdem er gegangen ist.
Sie setzt sich an ihren Schreibtisch und beginnt zu weinen, so unvermittelt, dass es sie selbst überrascht, bestimmt eine halbe Stunde, schluchzend, die Ellbogen auf die Tischplatte gestützt.
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Libertas Haus, das Schloss
ParanormalWas bisher geschah: Corinne Haalswor und ihre 16 jährige Tochter Tamara ziehen aus München in den wilden Osten Deutschlands ins Hinterland von Halle/Saale in das kleine Dorf Grömlitz. Hier scheint die Zeit stillzustehen und es finden sich bald all...