Ehrlichstett, August 2016

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WUMM; WUMM; WUMM. Die Bässe wummern die Straße hinauf, als die drei Mädchen zum Strand laufen.Kylie und Lisa haben Tammi mitgenommen, Beach Party, mal wieder. Eigentlich wollte sie zuhause bleiben, ein bisschen chillen, im Netz plappern und einen Blogbeitrag schneiden. Die Sache mit ihrer Mutter und dem Überfall, allen ist nicht mehr wohl im Schloss. Eine unausgesprochene Vereinbarung – sie lassen sich nicht mehr allein, am Abend im Schloss, eigentlich. Wenn da einer rein will, da kommt doch jeder rein da ist nichts zum abschließen  und wenn es nach ihr ginge....sie wäre ja schon längst ausgezogen, aber ihre Mutter...na ja, kann man nichts machen und nur rumsitzen und Trübsal blasen hilft auch nicht. Also ist sie eben mitgegangen.

Kylie und sie, sie sehen sich ja nicht mehr viel. Der blog, das Studium, dann auch das ganze Misstrauen nach dem Überfall, irgendwie hat sich das alles auseinanderentwickelt. Und sie wollte Kylie nicht vor den Kopf stoßen, wenn sie schon mal vorbeikommt, um sie abzuholen. Sie ist meine Freundin, denkt sie und ich will eine Freundin haben.

Am Strand eine Riesenmenge Leute, Dunkelheit und Flimmerlichter, Tammi überlegt schon, wann sie es schaffen wird, unauffällig zu gehen. Sie hat einfach keine Lust auf so etwas. Kylie und Lisa haben kichernd irgendetwas eingeschmissen und toben nun im Sand rum, drängeln sich schubsend zwischen die tanzenden Leute. Kylie hat Tammi noch nicht einmal etwas angeboten und Tammi fühlt sich mehr denn je fehl am Platz. Zwar zieht Kylie sie erst mit aber als das Gedränge zu eng wird, lässt Tammi sich wieder hinausschieben aus der tanzenden Menge und setzt sich an den Rand in den Sand und sieht zu.

Warum nur, warum kommt sie sich immer so daneben vor? Die anderen haben doch auch kein Problem mit ein bisschen Drogen einwerfen, bisschen gut drauf sein, einfach so feiern gehen. Sie findet so lockere Ansichten zu Drogen daneben und fürchtet sich fast davor. Man hat keine Droge im Griff auch wenn das alle glauben. Sie macht einen Menschen auch nicht positiver drauf, sie lässt es einen nur glauben. Jeder muss selber wissen was er macht aber jeder sollte sich auch darüber im klaren sein, das es Spuren hinterlässt.

Das ist die Kluft zwischen Kylie und ihr und auch zwischen Devon und ihr. Sie weiß doch nie, ob sie nun den echten Menschen neben sich hat und echte Reaktionen und Gefühle oder die Droge, die alle so locker macht und so lustig.

Mann, so ein Mist! Genervt bohrt sie ihre Füße in den Sand. Sie schafft es, hier rumzusitzen, am Rand einer Riesenparty und niemand sieht sie an, niemand nimmt sie zur Kenntnis, sie könnte genauso gut...gar nicht da sein. Seufzend steht sie auf und klopft sich den Sand vom Rock. Und das ist, was sie machen sollte. Gar nicht da sein.


Aus dem Nichts drängt sich ein Körper an sie, hieß, schwitzend, bloße Haut, Arme, die sie umschlingen.

Devon.

Sie merkt es, sie spürt es, sie riecht ihn. Bevor sie ihn erkennt und wahrnimmt. Ärgerlich stößt sie ihn von sich. Er lässt sie so plötzlich los, dass sie nach hinten taumelt und wieder in den Sand plumst.

Er dreht sich nach ihr um und lacht. Sie sieht sein Lachen. Den aufgerissenen Mund, die weißen Zähne, sie hört es nicht. Die Musik ist zu laut. Sie sitzt im Sand, sieht ihn von unten an, wie er hysterisch lacht und dann dreht er sich um und verschwindet in der tanzenden Menge. Sie sitzt noch immer im Sand und kommt sich jämmerlich vor, gedemütigt, lachhaft, lächerlich. Tränen steigen ihr die Kehle hoch und die tanzende Menge verschwimmt vor ihren Augen.

Etwas berührt ihre Hand die im Sand aufgestützt ist.

Etwas Feuchtes. Sie fährt erschrocken zusammen. Hastig dreht sie sich um. Sie sieht im Dunkel noch eine Bewegung. Etwas Kleines. Es hat offensichtlich Angst und nutzt die Stämme der Bäume hinter ihr als Versteck. Ein Tier?
Froh, von ihrem Kummer abgelenkt zu sein, steht sie auf und geht langsam auf die Stämme zu. Das kleine Tier ist dunkle, fast schwarz, es hat ein Fell, wie Stahlwolle. Ein Ohr steht, eines ist umgeklappt.

Tamara beugt sich hinunterund streckt eine Hand aus. Das Tier kommt langsam näher. Das drahtige Fell ist zerzaust und enthüllt trotz der Dunkelheit scharf hervorstechende Rippen. Ein Hund. Ein kleiner Hund, die Größe eines Terriers.

Tammi verhält sich ganz still und lässt den kleinen Hund näher schleichen. Langsam kommt das Tier heran und setzt sich schließlich vor Tammi auf die Hinterbeine und sieht sie an. Kluge Augen hat er. Helle alte müde kluge Augen.

„Ich bin nicht so der Hundetyp," sagt Tammi leise, „ich mag lieber Katzen."
Offensichtlich versteht der Kleine kein deutsch denn mit einem verblüffend geschmeidigen Satz springt er Tammi auf den Schoß.

Widerwillig muss Tammi auflachen. „Du wiegst aber nicht viel..."

Vermutlich hatte er seit langem nicht gefressen. Vorsichtig legt Tammi dem Hund die Hand auf den Rücken. Nichts als Knochen. Langsam schiebt sie ihn von ihrem Schoß und steht vorsichtig auf, um ihn nicht wieder zu erschrecken.

„Tut mir leid...wie gesagt ich bin nicht so der Hundetyp"

Sie dreht sich um und geht langsam an den Bäumen entlang auf die Straße zu. Der Blick über die Schulter, zurück, ist keine gute Idee.

Der Hund sitzt noch immer unter dem Baum am Rande der lauten Party und sieht sie ihr mit seinen komischen hellen, alten Augen nach.



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