Ehrlichstett, März 2016

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Langsam tippt sie eine Nachricht in ihr Handy. Sie haben noch eine zweite Whats Up Gruppe, neben der offiziellen vom Verein. In der zweiten Gruppe sind nur die Einsteller und einige vertrauenswürdige Vereinsmitglieder und hier können sie offen reden. Offen reden vor allem über Gerhard und Corinne.

Sie selbst hat die Gruppe angeregt und alle waren dafür. Die Dinge müssen ja mal auf den Tisch, und Angst, Angst haben sie alle. Alle haben sie den letzten Blogbeitrag vom Bonsayh gelesen und sie beschließt nun die Sache zum Ende zu bringe. Sie muss da raus, egal, wie, sie hält das nicht mehr aus. Der ganze Dreck, die Angst um ihr Pferd und im Ende, im Ende weiß doch keiner, wie das Ganze ausgeht.

Es gibt doch immer noch die Möglichkeit, dass der Bonsayh Recht hat, dass der Klapsmann Recht hat, dass sie Corinne und Gerhard aufgesessen sind, mit deren Betrugsmaschen.

Ne, aber wohl ist ihr nicht dabei.

Aber sie muss da raus, das geht einfach nicht mehr. Sie kann nicht mehr schlafen, schlank werden ist ja OK, aber sie kann auch nicht mehr essen und der Bund ihrer Jean schlackert um ihre Hüften. Sie will auch da raus. Die Sache mit dem Katzenvideo hat ihr den Rest gegeben. Sie will ein Ende mit diesem Bonsayh, sie kann nicht mehr. Der verdient da Geld mit, denkt sie schaudernd, solche Videos sind gefragt. Und sie mochte den kleinen Kater, irgendwie. Und was, wenn ihrem Pferd...

Nein, Schluss jetzt damit und los!

Sie drückt auf „Senden„ und die Botschaft verschwindet im Orbit um sofort danach auch auf ihrem Handybildschirm aufzutauchen:
„Also Leute, bei mir wirds jetzt amtlich. Ich stelle mein Pferd weg und es wird schnell gehen. Ich habe einen neuen Stall, welchen wisst ihr und übermorgen kommt der Transporter und holt sie weg. TOP SECRET!! Lasst Corinne und Gerhard bloß nichts wissen! Ich will nicht, dass die Sache in letzter Minute noch platzt. Und ich will echt mit dem Ganzen nichts mehr zu tun habe. Ich liebe mein Stütchen und ich habe Angst, dass sie sie mir wegnehmen. Diesen Leuten ist nicht mehr zu trauen. Ich habe einen Text geschrieben, den hänge ich dann im Stall auf, da steht noch mal alles drin, warum ich kündige und wieso. Aber vorher bitte NICHTS VERLAUTEN LASSEN! Und wer sich anschließen will, bitte gerne! Ihr wisst wo ich hingehe und da ist noch Platz frei. Und da passiert bestimmt nicht das, was in Ehrlichstett passiert. Ganz bestimmt nicht, die Stallbetreiber sind ehrliche Leute und der Stall wurde auch schon in der Bonsayh-Gruppe empfohlen, also kommt uns die Hetze und die schlechten Bewertungen nicht hinterher!"

Sofort piepst das Handy mehrfach auf.

Die Reaktionen überschlagen sich Alle, wirklich alle, haben es sofort gelesen und schreiben zurück. Fassungslosigkeit, Unglauben, spontane Bestätigung, alles dabei. Ja, was denken die denn – sie hat das seit Monaten vorbereitet. Seitdem der Bonsayh sie angesprochen hat und, ja, erpresst hat, mit dieser alten Geschichte, seitdem hat sie ihren Auszug vorbereitet, und den der andren Einsteller. Das war der Deal: Er hält dicht, über diese alte Geschichte und sie verlässt den Stall und nimmt alle Einsteller mit, so sollte es gehen.

Über diese Polizistin hat er die blöde alte Geschichte rausgekriegt. Nachdem Erfolg „Liebe ist nur ein einziges Wort" hat sie völlig in der Luft gehangen, klar, auch verkalkuliert, völlig, der Hype und die Kohle floß und überall wurde sie rumgereicht und dann das Loch, keiner wollte mehr was von ihr, sie war abgemeldet, auf Jahrmärkten und in Kneipen, ja da hätte sie auftreten können, und die Kohle, das war auch plötzlich zu Ende gewesen und es waren Verpflichtungen da, Kreditverträge, und die ließen nicht locker. Dann hat sie Geld von dem Freund eines Freundes bekommen und so weiter und so weiter und im Ende der Vorschlag, die Schulden abzuarbeiten: Sie sollte das Telefonbuch nach altmodisch klingenden Namen wie Hilde, Waltraud oder Egon durchsuchen. Am Telefon gab sie sich dann als Enkelin oder nahe Verwandte aus, indem sie die Leute ihren Namen erraten ließ. Dann wird Druck aufgebaut: Sie sei in einer Notlage und brauche Geld für eine Operation, wurde bestohlen und sitze im Ausland fest oder habe einen Unfall verursacht und müsse für die Behandlung der Verletzten zahlen. Es endete damit, dass das Opfer einem Boten Geld aushändigen soll – denn die falsche Enkelin kann gerade angeblich nicht persönlich vorbeikommen. Aber auch Schmuckstücke wurden genommen oder das Opfer gleich zum Geldabheben zur Bank gefahren. Na ja, die Sache war schließlich aufgeflogen, zwei Jahre auf Bewährung, sie war nicht vorbestraft und man hatte Rücksicht genommen auf ihre Prominenz und ihren Ruf. Eigentlich alles lange vorbei, aber nun hatte dieser Bonsayh das Ganze ausgegraben. Und sie hatte gerade eine Anfrage bekommen, wegen einer Schlager TV Show, im privaten Fernsehen und das Vorsprechen war gut gelaufen und es waren guten Chancen, dass sie genommen wurde, ne, das ging jetzt einfach nicht, dass das jetzt torpediert wurde.

Sie musste da auch an sich denken!

Nun ja.

Sie tippt noch ein paar Antworten ins Handy ein.

Das wird schon klappen, denkt, sie, da werden die schon nachziehen. Wenn sie jetzt geht und ihr Pferd wegstellt, da werden die mitkommen. Sie hat das gut vorbereitet, es hat jetzt nur einen ersten Schritt gebraucht, einen der handelt, da werden alle hinterherkommen, da ist sie sich sicher. Das wird schon und dann ist sie diesen Bonsayh los und hat endlich Zeit, sich wieder auf ihr eigentliches Leben zu konzentrieren. Auf ihre Karriere.



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