Ehrlichstett Mai 2015

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Bürgermeister Schmohl steht vor dem Spiegel in der Diele und zieht sich die Krawatte glatt. Jeden Tag Anzug und Krawatte, denkt er. Das Amt verpflichtet, jeden Tag förmlich gekleidet und akkurat, das ist er. Er ist zufrieden, durchaus zufrieden mit sich und der Welt die er sich geschaffen hat. Mitte 30, Bürgermeister einer Stadt, wie Ehrlichstett, nicht schlecht. Bei der letzten Wahl hundert Prozent der ausgezählten Stimmen, dass der einzige Gegenkandidat seine Kandidatur überraschend wegen überraschender Krankheit überraschend kurz vor der Wahl zurückgezogen hat, das zählt nicht wirklich, in dem Zusammenbehang. Nicht schlecht, denkt er, nicht schlecht. Wohlwollend betrachtet er seine Erscheinung, die durch den Maßanzug deutlich aufgewertet wird. Dass er schon deutlich Haare verliert ist ein Ärgernis, aber nicht zu ändern. Verleiht ihm vielleicht ein bisschen Würde, denn sein rundliches blasses Gesicht scheint immer noch das des 13 jährigen Knaben zu sein, der auf dem Schulhof wegen seiner Unsportlichkeit und seines mangelnden Ehrgeizes gehänselt wurde. Den Ehrgeiz, den hat er jetzt, den kann man ihm nicht absprechen.

Ein fast verträumtes Lächeln breitet sich auf seinen Zügen aus, als er an sein Projekt denkt. Sein Großprojekt, sein Lebenswerk: Die Laguna! Eines Tages wird an der Laguna sein Name stehen, auf einer Bronzetafel, er schließt die Augen und vergegenwärtigt sich genießerisch den zukünftigen Anblick: Alexander Schmohl, Gründer der Laguna von Ehrlichstett, nein, noch besser „Erbauer",, das sieht nach Arbeit aus, nach Kraft und Einsatz. Langsam nimmt er seine Tasche von der Ablage neben dem Spiegel und schließt die Haustür von innen auf.

Kraft und Einsatz, das hat sie gefordert, seine Laguna, das riesige Freizeitbad, mit Läden, Kaffees, Sportmöglichkeiten am See. Kraft, Einsatz und Millionen. Millionen Euro aus europäischen Fördertöpfen. Und wem ist das Projekt zu verdanken, ihm, allein ihm. Ärgerlich bei der Sache, dass dieser Bürgermeister von Neustadt, dieser Ehrgeizling, dieselbe Idee hatte und sein Projekt bereits vor zehn Jahren begonnen hatte, selbst der gleiche Name, wirklich ärgerlich. Die Laguna von Neustadt ist schon in Betrieb und floriert, macht sich einen Namen und dieser unangenehme Mensch, der vor nichts zurückschreckt, geht damit hausieren, als ob die Laguna erfunden hätte.

Laguna von Ehrlichstett, wunderbar! Er lässt sich den Namen auf der Zunge zergehen. Der Bau schreitet zügig voran, aber es ist abzusehen, dass weitere Millionen werden fließen müssen, um das Projekt fertigzustellen. Die erste Charge wurde bereits verbaut aber natürlich, hier noch nachbessern und da noch nachlegen und hier neu vermessen und da neu geplant, das Projekt war knapp kalkuliert, um genehmigt zu werden und braucht nocheine mächtige Finanzspritze, um keine Investitionsruine zu werden. Und ein Betreiber ist auch noch nicht gefunden. Sämtliche Interessenten winken ab, mit Vermerk auf die Laguna von Neustadt.Braucht so ein kleiner See wirklich zwei Freizeitzentren? Kleiner See, lachhaft! Der See verkraftet das schon und, was soll man denn an einem See sonst planen? Was denken die denn? Eine Autorennbahn? Oder ein Einkaufszentrum? Ne, ne, ne, da hat er schon die schlagenden Argumente.

Letzte Woche war er in der Domstadt, Klinken putzen und werben für sein Projekt. Die Parteifreunde sind aufgeschlossen, man wird ihn nicht hängen lassen, das hat man ihm klargemacht. Da werden noch mal Förderanträge bewilligt, da kann er sich zurücklehnen. Aber mit dem Betreiber, da muss er sich umtun, das muss sitzen, ein bisschen Angst bekommt man doch und schlechte Presse ist bei solchen Großprojeken schnell bei der Hand und dann kriegt man den miesen Ruf nicht mehr los.

Na und dann gestern der Anruf, im Büro. Parteifreund, manus manum lavat, eine Hand wäscht die andere. Ein Freund in Not, er solle da unterstützen.

Ist ihm nicht recht. Will er eigentlich nicht. Vom Hülstorff ist die Rede. Er beobachtet den schon die ganze Zeit, muss er ja, spielt sich ja unter seiner Nase ab. Eine Menge Genehmigungen hat er schon durchgewunken, bei den Bauanträgen für das Schloss, ist ja ne gute Sache, gut dass dasSchloss wieder aufgebaut wird, gut für die ganze Region, da kann man schon mal großzügig sein, da hat man kein Aufsehen gemacht, das geht schon.

Aber jetzt soll er konkreter werden. Der Verein, der den Hülstorff nervt, der soll weg. Das wird eine schwierige Geschichte, da will er sich nicht gerne einmischen.Die haben eine Menge Aufsehen erregt, die von diesem HEILE WELT Verein

, mit ihrer Arbeit für dieKinder, gibt ja hier sonst nicht viel und jetzt noch mit einem Wunderfohlen und alle sind begeistert und rennen dahin und die HIER ist da dran, so ein Massenblatt, gar nicht gut.

Er wollte sich da eigentlichheraushalten. Aber nun diese Bitte, den Hülstorff zu unterstützen.Dubioser Vogel, da lief auch nicht alles, wie es sollte, da sindGerüchte unterwegs, beim Bau und bei den Fördergeldern. Er hat daimmer drüber weggesehen, was er nicht weiß, macht ihn nicht heißund der Hülstorff hat Freunde, da wird die Sache schon laufen. Undjetzt soll er mehr machen, als nur weggucken, ist ihm gar nichtrecht. Die Ämter soll er auch mobilisieren, die sollen sich denVerein mal vornehmen. Die Ämter, nun gut, das geht schon unter derHand, der Gammelhieb, Umweltamt, der muss ohnehin noch wasausgleichen, da kann man schon ein bisschen Bewegung reinbringen, dasgeht schon.

Aber mit so einem Verein?
Er runzelt die Stirn, alser die Haustür zuzieht und von außen verschließt. So ein Verein und Kinder und Behinderte und was weiß ich, das kann böse enden.Hier ist Diplomatie gefragt, da muss er mit sauberer Weste rauskommen, wenn er sich da schon einschalten muss. Nicht einfach, nicht einfach. Die haben ein paar Flächen von der Stadt gepachtet, da kann er sie auf jeden Fall rausschmeißen, die kann er ohne großen Aufwand kündigen. Vielleicht reicht das ja schon. Das Umweltamt und die Flächen. Die werden nicht so viele Resourcen habe, bei so einem kleinen Verein. Vielleicht geben die dann einfach auf und verschwinden. Vielleicht kommt er damit aus der Sache raus.

Langsam geht er auf seinen Dienstwagen zu, eine dezente dunkle Limousine, Unterstatement, wie ihr Fahrer, gediegen, komfortabel, aber keine spektakuläre Marke. Aufatmend lässt er sich hinter das Steuer sinken und startet den Motor, der mit einem satten, grollenden Geräusch zum Leben erwacht. Wird schon werden, denkt er, wird er schon hinkriegen dezent, unauffällig und erfolgreich, Alexander Schmohl, Erbauer der Laguna von Ehrlichstett.

Langsam rollt der dunkle Wagen die Einfahrt hinunter.


Libertas Haus, das SchlossWo Geschichten leben. Entdecke jetzt