Traumsequenz 2

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Sie spielten den ganzen Tag lang, und am Abend gingen sie auf den Riesen zu, um sich von ihm zu verabschieden.
"Aber wo ist denn euer kleiner Spielgefährte, der Junge, den ich auf den Baum gesetzt habe?", fragte der Riese. Den kleinen Jungen liebte er nämlich am meisten, weil dieser ihn geküsst hatte.
"Das wissen wir nicht", antworteten die Kinder, "er ist fortgegangen".
"Ihr müsst ihm sagen, dass er morgen unbedingt wiederkommen soll", sagte der Riese. Aber die Kinder entgegneten, dass sie nicht wüssten,wo er wohne, und dass sie ihn auch niemals zuvor gesehen hätten.Daraufhin wurde der Riese sehr traurig.
Jeden Nachmittag, wenn die Schule zu Ende war, kamen die Kinder und spielten mit dem Riesen. Aber den kleinen Jungen, den der Riese besonders liebte, sah man nie mehr. Der Riese war sehr freundlich zu all den Kindern, und dennoch blieb in ihm die Sehnsucht nach seinem ersten kleinen Freund; immer wieder sprach er von dem Jungen. "Wie gerne würde ich ihn wiedersehen", pflegte der Riese dann zu sagen.

Jahre vergingen und der Riese wurde ganz alt und schwach. Er konnte nicht mehr im Garten spielen, und so saß er in einem riesigen Lehnstuhl, sah den Kindern beim Spielen zu und erfreute sich an seinem Garten."Ich habe zwar viele herrliche Blumen, aber die Kinder sind die schönsten von allen", sagte er zu sich selbst.

An einem Wintermorgen schaute er, während er sich anzog, aus dem Fenster.Jetzt hasste er den Winter nicht mehr, denn er wusste, dass dies nur die Zeit des schlafenden Frühlings und der sich ausruhenden Blumen war. Plötzlich rieb er sich verwundert die Augen - und schaute und schaute. Es war in der Tat ein wundervoller Anblick. In der entlegensten Ecke des Gartens war ein Baum über und über mit herrlichen weißen Blüten bedeckt. Seine Zweige waren vergoldet und silberne Früchte hingen von ihnen herab. Und unter dem Baum stand der kleine Junge, den der Riese so sehr in sein Herz geschlossenhatte.
Hoch erfreut rannte der Riese nach unten und hinaus in denGarten. Er hastete über die Wiese und näherte sich dem Kind. Und als er ganz nah herangekommen war, wurde sein Gesicht rot vor Zorn, und er fragte: "Wer hat es gewagt, dich zu verletzen?" Auf den Handflächen des Kindes waren nämlich die Male von zwei Nägeln zu erkennen, und die Male von zwei Nägeln waren auch an seinen kleinen Füßen.
"Wer hat es gewagt, dich zu verletzen?",schrie der Riese noch einmal, "sag es mir, damit ich mein mächtiges Schwert ziehen und ihn erschlagen kann".
"Nein!",antwortete das Kind, "denn dies sind die Wunden der Liebe". "Wer bist du?", fragte der Riese; eine seltsame Ehrfurcht überkam ihn und er kniete vor dem kleinen Jungen nieder.
Daraufhin lächelte das Kind den Riesen an und sagte zu ihm. "Du hast mich einst in deinem Garten spielen lassen, heute sollst du mit mir in meinen Garten kommen - in das Paradies eingehen".
Und als die Kinder an diesem Nachmittag in den Garten gelaufen kamen, fanden sie den Riesen tot auf - er lag unter dem Baum und war über und über mit weißen Blüten bedeckt.


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