Tamara sitzt unter den Kiefern, den Laptop auf dem Schoß, der kleine Hund schnarcht leise neben ihr in einem warme Bett aus Kiefernnadeln.Eigentlich wollte sie einen Beitrag für den Blog lesen, hier an ihrer Lieblingsstelle im Wäldchen, wo man einen perfekten Überblick über das Gelände hat, aber irgendwie ist ihr die Lust vergangen. Dieser Bonsayh hat sich aufgeregt im Netz, über die Zeitung mal wieder. Über Corinne traut er sich nicht mehr und über den Verein auch nicht. Aber der letzte Presseartikel über seine grandiose Menschenkettenaktion aus sage und schreibe 10 mutigen Hanseln, der hat ihm auch nicht geschmeckt. Da hatte er sich wohl mehr erhofft.
Tammi grinst bei der Erinnerung daran, wie der kleine dicke Mann schwitzend eine große Verstärkeranlage aufgebaut hatte um eine Rede an das staunende Volk zu halten, das wohl, wie er erwartet hatte, samt Pressvertretern zahlreich zu seiner Menschenkettenaktion erscheinen würde. Die 10 Getreuen, die erschienen waren, denen hätte er es auch bei einem Bier persönlich sagen können und auf das übersteuerte quietschende Mikro, dessen Technik er nicht so richtig in den Griff bekam, verzichten können. Und die Presse, selbst Herr Drobbel von der NOZ, hatte wohl auch angefangen, das Vertrauen an die Glaubwürdigkeit der Klapsmannkämpfer zu verlieren und nicht mehr nur kritiklos die Diktion von Klapsmann und Getreuen wiederzugeben. Zumal der Klapsmann zu der Aktion gar nicht in Erscheinung getreten war. Ob es da Differenzen gab, zwischen ihm und seinem selbsternannten „Landsknecht", wie der kleine dicke Bonsayh sich im Netz gerne nannte?
Allerdings war aber leider auch dieser Renfeld wieder da, denkt sie stirnrunzelnd, als sie die magere Gestalt im unvermeidlichen Parka unten über die Wiese schleichen sieht. Der ist einfach gruselig und seit er aus dem Krankenhaus zurück ist, noch mehr. Er sprich nun gar nicht mehr, gibt nur noch sonderbare Laute von sich, mal ein Pfeiffen, mal ein Jaulen. Und dürr ist er geworden. Noch dürrer als vorher, seine Bewegungen sind fast die eines Zombies aus dem Gruselkino, schleppend und unsicher und seine Haut bleich, wie bei einer Leiche.
Und er sucht Tammis Nähe. Zumindest kommt es ihr so vor. Sie kann keinen Schritt auf dem Gelände tun, ohne dass er sich irgendwo in ihrer Nähe materialisiert, so wie eben jetzt. Schlurfend und grummelnd, hier, am Fuße des Hügels, auf dem sie sitzt. Sie schaudert, gruselig, der Typ, aber wahrscheinlich harmlos.
Tammi nimmt ein kleines Ästchen auf und wirft es den Hügel hinunter.
„Hey,Hund, aufwachen, Stöckchen holen!"
Hund öffnet nur ein Auge und seht sie schläfrig an.„Dummer Hund," murmelt sie.
„Er ist kein Hund"
Die leise Stimme zwischen den Bäumen von oben. Erschrocken fährt Tammi zusammen.„Mann Greta, du hast mich zu Tode erschreckt. Wo kommst du denn her?"
Langsam lässt Greta sich neben sie auf die warmen Nadeln sinken.
„Er ist kein Hund," wiederholt sie , ohne auf Tammis Frage einzugehen. Hund öffnet nun beide Augen und sieht Greta an. Er wedelt mit dem kurzen Schwänzchen, um dann aber sofort die Augen wieder zuschließen und weiter zu schlafen.
„Er ist ein Schutzgeist, er zeigt dir, wo deine Gaben sind. Und seine Begleitung macht dich stärker."
„Ja, Greta, klar. Er ist ein Schutzgeist und Renfeld...," Tammi deutetmit dem Kinn auf den Alten, der sich an einem Holzhaufen unten am Hügel zu schaffen macht „..und Renfeld ist der Erzegel Michael und mein Pferd ist ein Einhorn, genau!"
Greta lächelt. „Richtig. Dein Pferd ist ein Einhorn, aber nicht in dieser Dimension und Renfeld ist nicht der Erzengel." Ihre Stimme wird wieder ernst:
„Seit Urzeiten lieben und hassen die Menschen das Feuer. Die Herrscher über das Feuer waren die Mächtigsten und die Stärksten, in Urzeiten die Priester und die Verkünder der Götter. Menschen mit speziellen Gabe."
Sie macht ein Pause.Tammi schließt genervt die Augen und lehnt sich an den Stamm in ihrem Rücken.
„In heutigen Zeiten scheint dies nicht mehr wichtig zu sein, denn Feuer ist allgegenwärtig, meistens gezähmt und durch jedermann völlig unter Kontrolle gebracht."
„Aber es gibt sie noch, die Besonderen. Die Herrscher des Feuers, die das Erbe in sich tragen"„Und der Kleine hier, der ist ein Wegweiser, damit du den Weg findest, deine Gabe zu nutzen"
„Ja,ja, Greta, alles klar." Tamara legt den Laptop neben sich, steht auf und klopft sich die Nadeln von der Hose.„Komm Hund, wir müssen!"
„Sorry Greta, ich muss los!"
Tamara bückt sich und hebt den Laptop auf, wendet sich zum Gehen. Hund rührt sich nicht, öffnet noch nicht einmal die Augen.
„HUND!"
Tammi lauter.
Hund sieht sie nun an steht aber nicht auf. Auch Greta ist sitzen geblieben und sieht sie unverwandt an. Tammi kommt sich blöd vor, weiß nun nicht ob gehen oder bleiben.
Dieser dämliche Hund!
Na dann soll er eben bei Greta bleiben, ihr doch egal. Sie wollte den sowieso nicht, das treulose Biest.
Wütend dreht sie sich um und wendet sich zum Weg den Hügel hinab.
Als Hund plötzlich aufgeregt bellt, dreht sie sich noch einmal um.
Ein kleines Flämmchen ist unter den Kiefern aufgeflammt, das Hund aufgeregt bellend umspringt. Greta sitzt daneben, lächelt und sieht sie mit so einem Blick an.
„Er ist dein Schutzgeist," sagt sie, „nimm ihn mit!"
Und damit steht sie auf, tritt mit der Schuhsohle die Flamme aus und wendet sich durch die Bäume davon.
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Libertas Haus, das Schloss
FantastiqueWas bisher geschah: Corinne Haalswor und ihre 16 jährige Tochter Tamara ziehen aus München in den wilden Osten Deutschlands ins Hinterland von Halle/Saale in das kleine Dorf Grömlitz. Hier scheint die Zeit stillzustehen und es finden sich bald all...