Jakob war gekommen. Henry im Schlepptau . Henry war schon zuvor ein hinreißendes Baby gewesen, aber nun hatte er sich in ein niedliches Kleinkind verwandelt, das mit strammen krummen Beinchen entschieden die Welt eroberte. Und Hund und er waren sofort Freunde geworden. Er zupft und zottelt den kleinen Schwarzen am Fell, der sich dies gutmütig und wie den Anschein hatte mit einem Lächeln gefallen lässt, Henry lacht dabei ein tonloses Lachen, das das runde Kindergesichtchen erstrahlen lässt.
Jakob hingegen will es nicht glauben:
„Was Tammi," er schlägt sich vor Lachen auf die die Schenkel und kann sich gar nicht mehr beruhigen: "Ein Hund? Du und ein Hund! Ich fasse es nicht. Tammi-Hundehasserin hat einen Hund!"
„Na so schlimm ist es nun auch wieder nicht, mit der Hundehasserei!"
„Doch, „Jakob lacht, „doch und noch viel schlimmer. Du hasst Hunde, Tammi und nun hast du einen. Wenn das geht, dann geht alles, dann sind alle Wunder möglich!" Spielerisch nimmt er sie in den Arm und schubst sie.
„Lass das," sie schlägt ihm mit der flachen Hand auf den Oberarm lacht aber ebenfalls: "Vielleicht hast du Recht. Aber es ist nicht so, dass ich Hund haben wollte. Er wollte zu mir. Und wenn man Greta glauben darf, dann ist das auch kein Hund sondern ein Schutzgeist."
„Ach Greta, gibt es die auch noch," Jakob lächelt gutmütig.Sie gehen langsam am Schloss entlang, den kurzen Schritten Henrys angepasst, der jeden Stein und jeden Grashalm untersuchen muss, dabei begeistert von Hund beobachtet.
„Ja,,"sagt Tammi, mit nachdenklichem Ton, „Und bei all ihrer Spinnerei glaube ich manchmal, dass es sein kann, dass sie recht hat."
Jakob sieht sie stirnrunzelnd an.
„Echt, Tammi? Ich muss mich wundern. Wie lange haben wir uns nicht gesehen? Und solche Wandlungen, in so kurzer Zeit? Ein Hund? Und Glaube an Gretas Zauberkünste?" Er schüttelt den Kopf.
Plötzlich entfährt ihm ein Aufschrei und er stürzt zu Henry und reisst den Jungen in die Arme. Hund bellt aufgeregt und hüpft in kleinen federnden Sprüngen an ihm hoch.
Henry erzeugt Geräusche, als er versucht, Worte auszustoßen und mit fuchtelnden, ausholenden Bewegungen seiner kurzen Arme befreit und wieder auf den Boden gestellt werden möchte, um auf das kleine Flämmchen zuzulaufen, das plötzlich vor ihnen aus den Steinen des Weges aufflackert.
Langsam geht Tammi darauf zu und tritt es mit der Sohle ihres Schuhs aus.
„Siehst du?" Fragend sieht sie Jakob an.
„Tammi!"Er holt tief Luft und setzt den strampelnden Kleinen wieder ab, der nun suchend umherblickt und nach dem neuen Spielzeug Ausschau hält.
Jakob ringt um Fassung, man sieht ihm an, dass er sich Mühe gibt. Mühe, Tammi Verständnis entgegenzubringen, nicht sofort alles abzutun, ihr Glauben zu schenken, auch wenn es keinen Sinn macht. Gar keinen.
„Mach es noch mal!" sagt er schließlich.
Sofort lodert zwischen seinen Füßen ein kleines Flämmchen auf, das ihn erschrocken zurückspringen lässt.
„Scheiße, Tammi, verdammt. Bist das wirklich du?"
Henry stößt wieder diese gurgelnden Laute aus und eilt auf wackeligen Beinchen auf das Flämmchen zu, dass Tammi wieder schnell austritt. Sie nimmt den Kleinen hoch, schwingt ihn in einem weiten Bogen um sich und sagt in singendem Tonfall: "Nein mein kleiner Henry, nein, nein, nein. Mit Feuer spielen machen wir nicht. Das geht doch nicht und nein, nein, nein, das dürfen nur die Großen." Sie lächelt Jakob an.
„Siehst du, Henry hat es begriffen. Er ist schlauer als du. Und ja, das bin ich. Soll ich es nochmal machen?"
Jakob schüttelt heftig denKopf.„Mann, Tammi, irgendwie habe ich das vermisst die ganze Spinnerei, das ist schon echt nicht ganz wahr, oder?"
Tammi setzt Henry wieder ab und lächelt. „Doch Jakob das ist ganz wahr und es ist etwas, das offenkundig zu mir gehört. Und das man einfach akzeptieren muss, wie blaue Augen oder blonde Haare oder eine Begabung für Mathematik. Das bin eben ich. Bisschen irre und magisch begabt."
Jakob schweigt, als sie weitergehen.
Sie biegen um die Ecke des Schlosses und verlassen die schattige Nordseite. Das plötzlich helle Sonnenlicht blendet sie.
Rabena von Hülstorff steht an der Fassadenseite mit einer Gartenschere in der Hand und scheidet die Rosen.
„Hast du das auch gesehen?" Jakobs Kopf fährt herum.
„Was?"
„Da war einer. Bei der Gräfin. Aber jetzt ist er weggehuscht!"
Tamara sieht Jakob mit hochgezogenen Augenbrauen an. Zweifelnd.
„Da is keiner!"
„Doch, da war eben noch einer. Jetzt ist er nicht mehr zu sehen. Ein Mann. Ziemlich dunkler Typ!"
„Also, wer spinnt denn mehr jetzt von uns beiden," Tamara sieht Jakob noch immer fragend an. „Da is niemand. Und wenn, dann war es wahrscheinlich dieser Renfeld, der schleicht hier immer rum, wie ein Schatten."
„Nö, der Renfeld ist viel größer und dicker."
„Ne, ist der nicht mehr. Wenn du wüsstest, der war schwer krank und ist jetzt mager, wie der Tod."
Ein Schauder überfährt beide und sie sehen sich an. Ihre Blicke verschränken sich plötzlich.Ein Knistern, wie ein Flattern in Tammis Herz. Sie hält den Atem an.
„Henry" entfährt es ihr und sie löst ihren Blick von Jakobs grauen Augen.
Henry und Hund sind weiter gerade aus gelaufen und nun auf dem Weg zu den Ausläufen der Pferde.
Tamara und Jakob laufen schnell hinterher.
Und der magische Moment ist vorbei.
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Libertas Haus, das Schloss
ParanormalWas bisher geschah: Corinne Haalswor und ihre 16 jährige Tochter Tamara ziehen aus München in den wilden Osten Deutschlands ins Hinterland von Halle/Saale in das kleine Dorf Grömlitz. Hier scheint die Zeit stillzustehen und es finden sich bald all...