Ehrlichstett, Juli 2016

3 0 0
                                    



Ferien, endlich Ferien. Abi vorbei, der ganze Trubel vorbei und nun endlich durchatmen, chillen und den Sommer genießen.

Tamara lässt sich neben Kylie in den Sand am Strandbad gleiten. Der Sommer ist zu voller Blüte erwacht, die Luft flirrt vor Hitze, kein Mensch kommt zum Reiten und die Pferde stehen bewegungslos unter den Bäumen auf der Koppel schlagen mit den Schweifen nach den Fliegen und sind nicht zu bewegen, sich zu bewegen. Am Strand ist der einzige Ort, an dem es sich aushalten lässt.

Die Irren haben angefangen, Corinne und Gerhard andauernd anzuzeigen. Jeden Tag finden die beiden nun eine polizeiliche Vorladung im Briefkasten, Gerhard hat schon acht gesammelt, Corinne erst fünf aber darunter eine Klage beim Gericht wegen des Zeltlagers, das der Verein im Ferienlager der Kinder veranstalten will. Corinne wird angeklagt, hier ungerechtfertigt das Gelände zu nutzen, obwohl doch der Verein das Lager veranstaltet und der Verein auch das Gelände nutzt. Sehr verwirrend, ebenso, wie die ganzen Anzeigen. Wegen falscher Aussagen und richtiger Aussagen, wegen gestohlenen Stroms, wegen zerstörter Schlösser, wegen Hausfriedensbruchs, mal hier, mal da mal dort, selbst in ihrer eigenen Wohnung haben sie inzwischen Hausverbot.

Es wäre lachhaft, wenn es nicht so traurig wäre.

Und so nervend, dass Corinne und Gerhard gar kein anderes Thema mehr kennen. Das nervt jeden, auch Desi und Dieter, die das aber tapfer aushalten und Larissa und die anderen, die sich schon für den Sommer an die Ostsee verabschiedet haben.

„Ach, Ostsee, das wäre es," murmelt sie, während sie noch die Sandalen abstreift und sich im Bikini neben Kylie auf das Handtuch legt.„Warst du schon im Wasser"
„Nö" Kylie schüttelt schläfrig den Kopf. Röte überzieht ihren zierlichen Körper, den sie ungeschützt der Sonne präsentiert, in einem sehr, sehr knappen rosa Bikini. Bei dieser Haarfarbe wird das wohl nichts, mit der Sonnenbräune, grinst Tammi, die schon schön honigbraun ist, dank der vielen Beschäftigung mit den Pferden im Freien.

„Fährst du gar nicht weg?" Fragt sie, schluckt aber gleich und will die Frage am liebsten zurücknehmen. Was für ein Blödsinn, wie soll Kylie denn wegfahren. Sie wohnt im Heim und sie kann sicher nicht so einfach los, einen Urlaub zu machen.

„Doch," Kylie setzt sich auf und grinst sie unter den verschwitzen Stirnfransen an: „Mir dir, oder?"


„Wie mit mir? Ich glaube nicht, dass ich wegkann."


„Wieso nicht? Du hast doch jetzt Schule fertig und so. Du kannst überall hin."


Tammi schweigt und sieht auf der Wasser, das in der Hitze flirrt.

„Hm, eigentlich schon, ich könnte. Aber wohin?"


„Keine Ahnung." Kylie steht auf und streckt sich. Feine Schweißperlen malen Muster auf ihre Haut. „Lass uns überlegen. Vielleicht nach Berlin?"


„Wieso Berlin?"
Tammi steht auch auf und langsam gehen beide Mädchen über den Sand zum Wasser.

Kylie streckt den Fuß in die leichten Wellen am Ufer und zieht ihn gleich darauf zurück:
„IIH; ist noch immer kalt. Na zu deinem Kerl, der ist doch sicher wieder in Berlin. Mal sehen, was der da macht. Bist du gar nicht neugierig?"
Tammi geht langsam ins Wasser, es ist kalt, aber angenehm. Sie bleibt vor Kylie stehen und dreht sich um und sieht sie an, die sich an den Rand gesetzt hat und nun mit den Zehen im Wasser spielt.

„Weiß nicht. Ist das nicht, wie hinterher spionnieren? Wenn er wollte, dass ich mitkäme, dann hätte er er mich doch selbst gefragt."


„Ha, also ist er wieder dort!" Kylie lacht triumphierend: „Wusste ich es doch! Mann, das würde mich wahnsinnig machen, andauernd verschwindet der ohne ein Wort, hast du keine Angst, dass er da noch eine hat? In Berlin?"

Kylie steht auf und geht unsicher über die Steine weiter ins Wasser.


„Ach,Unfug! Jakob doch nicht!" Tamara stößt sich ab und wirft sich mit einem Aufplatschen in die Wellen. Sie taucht unter und genießt den Schock der eisigen Kühle. Mit kräftigen Zügen schwimmt sie einige Stöße unter Wasser, bis sie prustend auftaucht und sich zu Kylie umdreht, die sich nun auch langsam ins Wasser hat gleiten lassen und auf sie zu schwimmt.

Tamara senkt die Füße nach unten und tastet zum Boden. Hier kann sie knapp noch auf Zehenspitzen stehen. Zappelnd und tastend wartet sie auf Kylie, die langsam zu ihr aufschließt. Strampelnd paddelt die Kleinere neben ihr herum.

„Wieso interessiert dich das nicht?" Bohrt Kylie nach," was ist denn, wenn er da noch eine hat. Was machst du denn dann?"


„Ach, keine Ahnung. Da habe ich noch nicht drüber nachgedacht. Der fährt zu seiner Familie, seine Schwester wohnt da, die hat selbst schon Kinder und er hilft ihr oder was weiß ich."


„Häh, siehste. Was weiß ich? Was weißte denn? Gar nichts! Außerdem wäre Berlin geil. Lass uns nach Berlin fahren und weggehen und so und uns mit Jakob treffen, das wäre doch cool."


„Hm, weiß nicht," Tammi stößt sich wieder ab und schwimmt noch etwas weiter heraus. Nach einigen Zügen dreht sie sich um und sieht, dass Kylie wieder ans Ufer geschwommen ist und wieder auf dem Handtuch liegt. Langsam dreht sie um und schwimmt zurück.

Nach Berlin. Ob das so eine gute Idee ist? Jakob hat sich direkt nach der Abifeier verabschiedet und ist verschwunden. Nach Berlin natürlich. Sie haben noch ein paar mal telefoniert, aber schon beim letzten Mal hatten sie sich nicht so wirklich viel zu sagen. Er sagt nie, was er da macht, was er unternimmt, erzählt nichts. Tammi hat das Gefühl, dass sie schon mit harmlosen Fragen, wie die Inquisition wirkt und ihm auf die Pelle rückt. Er will nichts erzählen, er weicht aus und sagt belangloses Zeug. Vielleicht hat Kylie Recht, vielleicht sollte sie ihn wirklich dort einmal treffen. Wer weiß, vielleicht klärt das einiges. Oder er sitzt da wirklich nur bei seiner Schwester auf dem Sofa und passt auf die Kleinen auf. Und auch das würde vielleicht einiges klären.

Und andererseits, Berlin gehört ja wohl nicht Jakob und genial wäre so eine Reise in die Großstadt allemal.

Auch mit Kylie, irgendwie hat sie Lust, mit der lebhaftem und kontaktfreudigen Kylie etwas zu unternehmen. Da lernt sie bestimmtmal andere Leute kennen und kommt auf andere Gedanken. Mal raus hieraus diesem einzigen Thema mit dem Klapsmann und dem Ganzen, das wäre nicht zu verachten. Und ihre Mutter hat sicher nichts dagegen, es ist nicht viel Arbeit am Hof und sie hat ja Desi und Dieter, die ihr helfen.

Tammi hat ein bisschen Reitstundengeld gespart, das reicht für die Fahrt und eine billige Unterkunft in einer Jugendherberge oder so.

Sie grinst, als sie aus dem Wasser steigt. Sofort hüllt sie die brütenden Hitze wieder ein und ihre Haut fängt beinahe augenblicklich an zu glühen.

Berlin, wäre schon klasse. Warum eigentlich nicht?


Libertas Haus, das SchlossWo Geschichten leben. Entdecke jetzt