Ehrlichstett, März 2016

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Manchmal geht es nicht mehr, denkt Corinne, manchmal ist es so, dass man aussteigen möchte aus dem eigenen Leben, wie aus einem Zug, einem Bus, den man versehentlich in die falsche Richtung bestiegen hat, gehen, einfach die anderen allein weitermachen lassen, irgendwo neu sein, wo einen keiner kennt.....

Tamara sitzt neben ihr, so fassungslos, wie sie selbst, sie sind jenseits von Tränen, jenseits von Furcht, jenseits von Entsetzen.

Nicht nur, dass sie den enthaupteten Leib von Kater Fußball auf den Stiegen des Gartenhauses gefunden haben.

Derselbe Ort, die zweite tote Katze, man stumpft vielleicht ab, Corinne hat ihn weggeräumt, sie haben ein Loch gegraben, sie haben geweint, sie haben getrauert, sich habe sich aneinander festgehalten, aber nun dies: Hier ist Fußball, der kleine schwarz-weiße Kater in einem Video, das im Internet kursiert. Über 100.000 Aufrufe, entsetzlich! Drei Mädchen, barfuß, man sah sie nur unscharf, die den kleinen Kater zu Tode foltern, sie treten ihn hin und her, sie spielen Fußball mit „Fußball" , bis der kleine Kater zerschmettert, zertreten zusammensackt, was für ein makabrer, sich selbsterfüllender Name, was für ein schrecklicher Tod.

Sie möchte fort, weit fort, sie sieht sich außerstande, Tamara zu trösten sie sieht sich außerstande, sich selbst zu trösten. Was ist das für eine Welt, denkt sie. Lügen, Verleumdungen, Verfolgungen, es steht ein Ziel dahinter, das erklärte Zeil, sie hier zu vertreiben, drastisch aber dagegen kann man sich wehren, mit legalen Mitteln, mit aufklären, mit reden, mit Ehrlichkeit, aber dies. Die unvorstellbare Grausamkeit, die Gefühllosigkeit der Mädchen, die da zutreten, eine hat noch auffallend rosa lackierte Fußnägel, die die kindlich-grausame noch unterstreichen.

Was jetzt..

Was soll sie tun?
Wie soll sie alle noch schützen?
Wie soll das weitergehen?
Wie soll sie ihr Kind schützen vor der unvorstellbaren Grausamkeit, mit der hier vorgegangen wird, schützen vor einer Welt, die dies tausendfach im Internet verbreitet, gesehen, kommentiert wird?

Wo ist die heile Welt, denkt sie, wo ist die bessere Welt für die wir hier kämpfen? Wo sind die Erklärungen, die wir hier bieten können? Für dies?

Sie streicht Tamara über den Kopf, fühlt das weiche Haar ihrer Tochter, ihrer tapferen Tochter, die sich nicht entmutigen lässt, die ihre Geschichte im Blog liest, die keine Angst hat vor Drohungen, die weitermacht, weiterkämpft, die an Gerechtigkeit glaubt. Das ist, wie ich sie erzogen habe, denkt sie, ich, die ich den Glauben daran schon fast verloren habe.

Sie hat angefangen zu handeln.

Nach Langem, endlich, war sie beim Staatsanwalt. Gerhard hatte alles zusammengetragen und diese angebliche „Petition", die an derStallwand hing, die der Klapsmann dann aber abhängen ließ, sie war beim Staatsanwalt und hat alles geschildert. Mal sehen, was man tun kann, die Sache wird geprüft.

Die Nummer des Vorgangs, die Nummer der Anzeige, die Eingangsbestätigung der Staatsanwaltschaft, hat sie dann immer über diese Petition tapeziert, wurde immer heruntergerissen, aber sie hat viele Kopien, sie hat immer nachgezogen. Jetzt ist der Dreck abgehängt, aber wenigstens ein bisschen. Wenigstens ein bisschen das Gefühl, etwas getan zu haben, sich gewehrt zu haben.

Nichts zu tun, da hört es nicht auf, die anderen werden immer stärker, die Lügen und Verleumdungen immer dreister, wenn sie nichts tut. Das hört nicht von selber auf. Sie muss handeln, sie muss handeln und die Ihren schützen. Es geht sonst nicht mehr. Sie muss alles sehen, alles aufschreiben und aber auch handeln. Etwas tun.

Armer kleiner Kater Fußball. Aber die anderen, die muss sie schützen, die wird sie schützen. Alle.


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