„Und, was hast du für mich?"
Sie senkt den Kopf auf die schmutzige Platte des Campingtisches. Verlegen schiebt sie ein paar Plastikverpackungen beiseite. Essensbehälter vom hiesigen Chinarestaurant, denkt sie fahrig. Nichts, denkt sie noch, nichts habe ich.
„Nichts," sagt sie laut. „Nichts die machen nichts, was man irgendwie nutzen könnte. Wirklich gar nichts."
„Das gibt es nicht." Drohend lässt er den Kopf zwischen die halslosen Schultern sacken, so dass seine feisten Wangen auf dem Kragen aufliegen. Das sieht lächerlich aus, denkt sie, wie ein bulliger,bösartige Goldhamster. Fast möchte sie kichern, würde sie sich nicht so unwohl fühlen. Goldhamster mochte ich noch nie, denkt sie, noch nicht mal als Kind.
Mutig sieht sie in seine Augen, die unter den zusammengezogenen Augenbrauen fast verschwinden.
„Ehrlich. Das sind die reinsten Gutmenschen. Die machen nichts. Selbst gegen die ganzen absurden Forderungen des Klaps..., äh, des Grafen widersetzen die sich nicht. Die gehen brav heute hier rum und lassen sich morgen dafür beschimpfen und gehen morgen da rum und wenn er verlangt, dass sie übers Schloss fliegen, dann machen sie das auch noch, jede Wette."
„Was ist mit Geld? Wie finanzieren die sich? Da muss doch etwas sein. Wo holt die Haalswor das ganze Geld her? Ihre Bilder werden verboten, nach der kräht doch bald kein Hahn mehr. Wo also kommt die Kohle her? Da stinkt doch was zum Himmel! Wir haben soviel Verfügungen herausgeschickt, die Ämter und so. Wie zahlt die den Anwalt, wie zahlt die die Gebühren der Ämter? Wo kriegen die ihr Geld her?"
„Dagibt es Förderungen glaube ich. Und Corinne, die ist da ziemlich findig, die kriegt da schon was ran. Und seit sie schreibt..."
„Wie, schreibt?" Seine Brauen heben sich und er sieht sie erstaunt an.
„Ach, das ist etwas, siehst du. Sie schreibt. Sie schreibt die ganze Geschichte auf. In einem Internetblog. Das ist sogar auf ziemlichviel Interesse gestoßen. Und sie schreibt ziemlich gut. Dann kommt da noch der ganze Hype um Nicki dazu. Da gab es, glaube ich, auch Förderungen, die hat sie in das Projekt gesteckt. Ich sag doch, Gutmenschen ohne Ende, da kommt ihr nicht ran, da findet ihr nichts."
„Geht nicht, nichts finden geht nicht. Man macht immer Fehler, wenn man etwas macht. Das mit dem Geld, das finde mal raus, grab da mal nach. Wo verschwinden die Gelder, die der Verein einnimmt und wer gibt da Förderungen in welcher Höhe? Da findet sich was und wenn ich denen das Finanzamt schicke, dann ist Schluss mit lustig."
„Hm, ich weiß da nichts." Ihre Stimme wird immer leiser. Sie fühlt sich unwohl, sehr unwohl. Es war keine gute Idee, denkt sie, keine gute Idee, gar keine gute Idee, sich hier als Informantin zu betätigten. Nicht nur, dass es wirklich nichts zu berichten gibt, sie stellt auch fest, dass sie ihn nicht mag. Er ist ihr körperlich unsympathisch und die Enge und Dichte des Wohnwagens geht ihr auf die Nerven.
Sie will gehen, eigentlich, schnell gehen.
Fast schon bereut sie, gekommen zu sein.
Die Tür öffnet sich und eine Jugendliche im denkbar knappsten, rosa Outfit betritt den Wohnwagen. Mit einem Grunzen lässt sich sich auf die linke Koje fallen und beäugt sie interessiert.
„Was macht denn die hier?" fragt die Kleine und lässt dabei betont lasziv eine Kaugummiblase in ihrem Mund entstehen. Die Blase zerplatzt mit einem pfeifenden Knall, der sie erschrecken lässt. Mistgöre, denkt sie und will aufstehen.
„Ich glaub, ich..."
„Die fressen die Bäume an," sagt die Jugendliche und sieht ihn dabei grinsend an.
„Wer?"Sein Kopf zuckt hoch und hinterlässt auf dem Kragen einen schmalen Schweißrand.
„Was ist das für eine megadämliche Frage?" Das Gör steht auf, lässt bewusst die knappen Shorts nach oben verschoben und öffnet die Kühlschranktür.
„Die Pferde vielleicht?" Sagt sie, als sie eine Flasche Cola aus dem Kühlschrank nimmt, die bei der schwülen Hitze im Wohnwagen sofort beschlägt.
Er wendet sich fragend um, bohrender Blick: „Weißt du da was von?"
„Ja, schon. Wusste nicht, dass das wichtig ist. Das ist nur ein Pferd. Einsteller vom Schmilewski, der rübergewechselt ist. Das ist so eine Unart. Der kaut die Rinde von den Schösslingen ab. Eigentlich typisch Boxenpferd oder der hat es mit den Zähnen. Aber das ist in dem Teil vom Schlosspark der ohnehin gerodet werden soll. Da will der Graf doch Park haben, Rasen und große alte Bäume, Schlosspark eben. Die sollen doch die Schösslinge da fällen." Sie spürt, wie Schweißperlen ihre Schläfe hinunterwandern und das blonde Stirnhaar verkleben. Diese verfluchte Hitze in diesem elenden Wohnwagen!
Der Typ grinst, was sein Gesicht nicht erstaunlicherweise nicht freundlicher, sondern eher noch gruseliger erscheinen lässt. Er ist von der Natur wahrlich nicht mit gutem Aussehen gesegnet, denkt sie.
„Aber das ist doch mal was!" Sagt er „Warum sagst du das nicht gleich. Das ist doch was, da kann man was raus machen. Und in Zukunft," seine Stimme kriegt einen drohenden Ton, „in Zukunft alles,kapiert, ALLES; jede Info. Nicht du entscheidest, was wichtig ist sondern ich, kapiert?"
Sie nickt und steht auf. „Kann ich jetzt!" Raus hier, denkt sie, nur raus hier.
„Klar,"die Kleine. Sie kommt auf sie zu und versperrt den Weg zwischen Wohnwagentür und Campingtisch. Für einen Monet stehen sie sich gegenüber, dann legt sich blitzschnell die kleine Hand derJugendlichen auf ihren Hintern und drückt kneifend zu. „Süßer Arsch," flüstert sie ihr ins Ohr „Für dein Alter."
Das Lachen folgt ihr aus dem Wohnwagen, durch die Halle. Sein Lachen und ihres. Hell und fröhlich und das tiefe des Mannes.
Packt mit dem Teufel, schießt es ihr durch den Sinn, als sie die Hallentür mit einem befreiend lauten Knall hinter sich zufallen lässt. Worauf habe ich mich da eingelassen? Verdammt!
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Libertas Haus, das Schloss
ParanormalWas bisher geschah: Corinne Haalswor und ihre 16 jährige Tochter Tamara ziehen aus München in den wilden Osten Deutschlands ins Hinterland von Halle/Saale in das kleine Dorf Grömlitz. Hier scheint die Zeit stillzustehen und es finden sich bald all...