Neustadt/ Ehrlichstett Januar 2016
Tamara sitzt an der Bushaltestelle, auf einer Bank in der letzten dünnen Januarsonne und versucht zu lesen, während sie auf den Bus nach Ehrlichstett wartet. Es ist kalt und ihre Hände sind schon völlig eingefroren, trotz der Handschuhe, die sie trägt. Sie ist in Halle gewesen, war an einer Infoveranstaltung für die Uni, irgendetwas muss passieren, mit ihrem Leben, das ganze Chaos um sie herum, in Ehrlichstett, sie ist immer froh, wenn sie mal rauskommt und mal an etwas anderes denken kann.
Sie zieht die Schultern hoch und versucht sich noch weiter in ihre Jacke zu verkriechen, als plötzlich mit quietschenden Reifen ein Auto um die Ecke zum Busbahnhof biegt, verbotenerweise in die Busgasse einbiegt und peinlicherweise direkt vor ihr hält. Die Beifahrerscheibe wird heruntergefahren und Devons Gesicht erscheint über dem Glas.
„Mann Tammi wusst ich's doch, Komm steig ein!"
Verwirrt steht sie langsam auf und sieht ins Innere des Autos.
Hinter dem Steuer sitzt Tom, breit grinsend: „Komm schon, ich fahr dich nach Hause. Frierst dir hier sonst den Arsch weg."
Devon ist inzwischen ausgestiegen und öffnet ihr einladend die hintere Tür.
Steif lässt sie sich auf die Poster gleiten, während Devon sich nach ihr auf den hinteren Sitz schiebt und die Tür zuzieht.
Mit kreischenden Reifen startet Tom das Fahrzeug und rast durch die Busschleife und verlässt unter den wütenden Blicken der anderen Wartenden den Busbahnhof.
Auf der Straße drosselt er das Tempo und fädelt sich in den Verkehr ein. Er greift neben sich und nimmt vom Beifahrersitz eine angebrochene Falsche Sekt, die er nach hinten reicht.
„Hier, trink, macht dich warm. Schweinekälte da draußen." Ihre Blicke treffen sich im Rückspiegel.
Devon, der Tamara den Arm um die Schultern gelegt hat grinst, greift nach der Flasche entgegen, nimmt selbst einen tiefen Schluck und reicht sie ihr dann weiter.
Wie gebannt nimmt Tamara die Flasche von ihm und setzt den kalten Flaschenhals an die Lippen. Das Prickeln brennt erst im Hals, wärmt sie aber und erhitzt sie, so dass sie schnell einen weiteren Schluck nimmt. Beinahe augenblicklich setzt die Wirkung ein und ein sanfter Schwindel ergreift sie. Sie war den ganzen Tag unterwegs, sie hat noch nichts gegessen, ihr war kalt, wie durch einen Nebel sieht sie nun Devons Augen, der sie plötzlichan sich reißt und begierig küsst.
Tom pfeift vorne leise und sagt vorwurfsvoll:
„Mann, könnt ihr nicht bis zu Hause warten? Ich kann hier den Chauffeur spielen und ihr macht dahinten rum!"Devon löst sich von Tamara und sagt: „Dann schieb an Junge. Ich kann nicht warten, also gib Gas!"
Mit anspielungsreichem Grinsen zeigt Tom einen Finger nach hinten und beschleunigt folgsam das Fahrzeug.
Endlich biegen sie auf die Straße nach Ehrlichstett ein und lassen bald die ersten Häuser des Ortes hinter sich. Bis sie in den Schlosshof einbiegen hat Devon bereits seine warmen Hände unter Tamaras Jackeund Pullover vergraben und ihre weiche Haut gefunden.
Ihre Blicke verschränken sich ineinander, als das Fahrzeug abrupt im Schlosshof zum Halten kommt und Tom sich umdreht: „Raus mit euch, aber zackig!"Devon sieht sie mit einer Direktheit an, die ihr den Atem verschlägt. Sie könnte jetzt alleine austeigen, ihm sagen, dass sie keine Zeit hat,... mit weichen Knien öffnet sie die Autotür, fühlt sich wie in Trance, gebannt von seinem Blick. Als auch er aussteigt, nimmt er ihre Hand.
Ihre Finger schließen sich um seine.
Als seine Finger ihren Händedruck erwiderten, seine Handfläche der ihren entgegenkommt, durchläuft sie eine Welle der Freude, der Erregung - ihre Hand scheint in seiner zu pulsieren - ob er wohl merkte, wie flatterig ihr in der Magengrube ist?
Schnell greift er ins Auto und nimmt die Sektflasche. Er nimmt einen tiefen Schluck und reicht ihr die Flasche, aus der sie im Losgehen so begierig trinkt, dass der Sekt ihr den Hals herunterrinnt. Er lacht ein tiefes raues Lachen und beugt sich über sie. Er saugt die Tropfen an ihrem Hals ab, dass sie anfängt zu zittern - sie kommt ihm entgegen, schmiegt sich an ihn, sie spürt seine Erregung. Sie sehen aus den Augenwinkeln, wie Tom das Auto langsam vom Hof rollen lässt, hören, wie er in der Einfahrt noch einmal kurz hupt und dann auf die Straße fährt. Nun sind sie alleine auf dem Parkplatz in der kalten, frühem Winternacht.
Der Arm, den er um sie gelegt hat, sie spürt ihn im Rücken. Ihre Linke schlüpft unter seiner Achsel durch, sie spürte seine Wirbelsäule, seine Rückenmuskeln, seine Hüfte unter ihrer Handfläche, zieht ihn noch näher an sich heran. Sie schwankt ein wenig, ihr Kopf dreht sich aber es interessiert sie nicht. Das Begehren lodert auf, als seine Lippen ihre Oberlippe berühren - süß von vergossenenSekt.
Langsam wie miteinander verwachsen gehen sie auf das Schloss zu, langsam, kichernd, schwankend die steilen, engen Treppen hoch, es ist dunkel, sie haben Glück, es ist keiner da Klirrend schlägt die halbleere Flasche an die Wand im Treppenhaus, erneut Kichern. Dann, zitternd, die Tür geöffnet. Es ist kalt im Schloss, kalt in der Wohnung, eisig, die Heizung ist mit Holz es hätte angefeuert werden müssen, wenn nicht dauernd geheizt wird, dann kühlt alles sofort aus. Es ist ihnen egal.
Als er die Tür ihres Zimmers schließt- seine Hand immer noch um ihre Hüfte - kommt ihr kurz der Gedanke, wo wohl ihre Mutter ist, was wohl los ist, dass keiner da ist. Ob alle im Gartenhaus sind? Oder wo?
Er zieht sie an sich, seine Hände sind an ihren Schulterblättern, streichen ihre Wirbelsäule entlang, seine Finger in ihrem Haar, in ihrem Nacken, seine Hände an ihren Wangen, wieder seine Lippen auf ihren, wieder seine Zungenspitze auf ihrer Oberlippe, dann in ihrem Mundwinkel, ihre Unterlippe gefangen zwischen seinen Zähnen. Sie drängt sich an ihn, ihre Hände sind in seinem Nacken verschränkt, ihre Oberschenkel dicht an seinen, ihr Brustkorb hebt und senkt sich im gleichen Atemrhythmus wie seiner, ihr Bauch presste sich gegen ihn...
Eine Welle der Hitze schießt durch sie, als sein Mund sich in ihre Halsgrube presst, er den Reißverschluss ihrer Jacke sucht und aufzieht, seine Hand in die Jacke, an ihrem Rücken entlang und dann unter ihren Pullover gleitet.
Aufstöhnend drängt sie sich ihm entgegen, das ist, was sie will, darum hat sie Jakob verlassen, davon hat sie geräumt, Abenteuer, Leidenschaft, sich vergessen, sich verlieren, alles außenrum vergessen, das ganze Chaos, das ganze andere Leben. Als sie auf das Bett sinken, nimmt sie noch einen tiefen, prickelnden Schluck Sekt, bevor sie die Flasche aus der Hand gleiten lässt, die neben dem Bett umfällt und sich schaumig und sprudelnd auf dem Holzboden ergießt.
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Libertas Haus, das Schloss
ParanormalWas bisher geschah: Corinne Haalswor und ihre 16 jährige Tochter Tamara ziehen aus München in den wilden Osten Deutschlands ins Hinterland von Halle/Saale in das kleine Dorf Grömlitz. Hier scheint die Zeit stillzustehen und es finden sich bald all...