Ehrlichstett, August 2016

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„Nein, so geht das nicht! Es war vereinbart, dass wir die Miete für die Räume nicht bezahlen müssen. Und die Entsorgung, welche Entsorgung? Wir haben alles aufgeräumt. Und wie war das mit der Entlohnung? Für meine Dienste? Das war doch..."


Hugo von Hülstorff unterbricht Harald Bonsayh mit einem unwilligen Schnauben. Sie sind im Salon, dem Grafenzimmer im ersten Stock des Schlosses und Bonsayh hat hektische rote Flecken auf den Wangen. Er zieht hörbar den Atem ein, als er unterbrochen wird.


„Mein Freund...," Hülstorffs Stimme ist geduldig: „Natürlich sind wir, also die Stiftung, Ihnen dankbar für das was Sie für uns getan haben, aber das war doch ganz allein Ihre Initiative oder? Dass war doch nicht von uns beauftragt, oder? Sie erinnern sich sicher. Natürlich begrüßen wir, dass Sie die Bürger aufgerüttelt haben und über die uns angetanen Ungerechtigkeiten informiert haben, aber Sie sind doch insgesamt etwas über das Ziel hinausgeschossen oder? Und von einer Entlohnung, mein Lieber..." die Stimme wird noch einen Ton samtiger, die gräflichen Augenbrauen hochgezogen "...von einer Entlohnung war doch nie die Rede."
Von Hülstorff geht ein paar Schritte, schüttelt den Kopf, milde lächelnd „Ihr Ostdeutschen, das ist doch immer das selbe. Ihr habt nicht verstanden, dass die Zeiten sich geändert haben. Wir haben da keine StaSi mehr, schon begriffen? Und um einen Lohn zu verlangen muss man vorher Verträge abgeschlossen habe, Verhandlungen geführt haben, etwas Schriftliches. Gibt es etwas Schriftliches, haben wir irgendeine Vereinbarung?"
Die gräflichen Augen, die verwundert hochgezogenen Augenbrauen, sehen Bonsayh fragend an.


Dieser schiebt den Finger zwischen den Hemdkragen und den Hals. Er schwitzt. Er kriegt auch irgendwie schwer Luft, das kommt ihm so ...überheizt vor in diesem Zimmer...

„Aber ich...aber wir... aber ich dachte, ....für das Schloss. Das war doch nicht für mich, das habe ich doch für das Schloss getan und für Sie, für dich, Hugo. Für dich. Als du in Not warst."


„Harald, mein Lieber, hier liegt doch, glaube ich, ein Missverständnis vor.Du wirst mir doch jetzt nicht etwa erzählen wollen, dass ich dich beauftragt habe, Straftaten zu begehen, die nun...." er weist auf einen Bogen mit amtlichem Stempel, der auf der Kante des zierlichen Schreibtisches liegt, „...die nun den Staatsanwalt auf den Plan rufen."


„Aber..." verdammte Hitze, verdammt, warum ist es bloß so heiß in diesem Raum..." aber ich habe das doch nicht für mich getan. Das war doch Ihre Idee, deine Idee, wegen dem Schloss und..." Seine Stimme ist weinerlich. Bonsayh ärgert sich über sich selbst, er sollte stark sein, fordernd und nun heult er hier rum, verdammter Mist, er ....

„Hugo,verdammt! Das ist die Androhung eines Strafbefehls gegen mich. Da ist eine Strafe zu zahlen. Wegen Verleumdung! Verstehst du das nicht?"Er sieht feine Spucketröpfchen auf das abgeschabte Parkett fliegen.Hugo tritt einen Schritt zurück und betrachtet ihn, wie man ein kleines, ekeliges Insekt ansieht, voller Abscheu, voller Unverständnis.

„Hugo,ich," Bonsayhs Stimme bricht und dieser weinerliche Ton kommt wieder zum Vorschein. Er spürt, wie seine Augen feucht werden,„Hugo. Ich, ich bin noch nie belangt worden. Noch nie in meinem Leben. Ich habe die Leute ans Messer geliefert, ich war der, der das Sagen hatte, der die Maßstäbe gesetzt hat, der bestimmt hat, wer...

Ich will das hier nicht! Ich wollte doch nur das Beste! Da war doch die gute Sache, ich wollte doch die gute Sache unterstützen und jetzt der Staatsanwalt, Strafbefehl, Geldstrafe, gegen mich, ich habe das doch alles für dich getan, fürs Schloss, für euch, für das Gute,ich wollte, doch, mit meinen Kenntnissen und meinen Fähigkeiten...."das unterdrückte Schluchzen lässt die Worte fast unverständlich ineinander fließen: „Ich wollte doch....fürsschloss..."


„Aber..."wieder die sanfte Stimme, „ ich habe doch gar kein Schloss, mein Lieber. Das Schloss gehört einer Stiftung. Und da sind viele drin. Der Schmilewski und Bürgermeister Schmohl, um nur einige zu nennen. Und die haben dich alle beauftragt, da irgendwelche Straftaten einzurühren?" Mitleidiger Blick, zweifelndes Kopfschütteln.„Nein, mein Lieber. Und die Strafe, die zahlst du mal schön selber. Da brauche ich den Stiftungsrat gar nicht zu befragen, da will niemand etwas mit zu tun haben, das sage ich dir schon jetzt und hier und dafür wird sicher auch kein Geld freigegeben. Am Besten zahlen und die Füße stillhalten."

Er geht einen Schritt auf Bonsayh zu und legt ihm tröstend die Hand auf die Schulter, „und um den Rest kümmere ich mich. Da können wir schon noch etwas machen mit den Kosten für die Hochzeit. Da können wir ein bisschen im Preis heruntergehen, wegen dieser Verunreinigungen durch den Hundekot, da geht sicher ein Nachlass. Und der verweste Katzenkopf auf der Hochzeitstorte, Bonsayh, Bonsahy, Sie haben wirklich Pech, mein Lieber. Oder Feinde, die Ihnen übelwollen. Tja mein Lieber."
Er rückt ein bisschen ab, nimmt die Hand zurück und wischt sie sich mit einer fast unbewussten Geste am Hosenbein ab.

„Und was die Teilhabe an der Stiftung angeht, Sie kennen ja die finanziellen Bedingungen. Sie überweisen einfach auf mein Konto, die Zahlen sind Ihnen ja bekannt. Aber über einen Posten, da müssen Sie abwarten, über einen Posten können wir bislang nicht reden. Da ist alles vergeben und das kann ich bei aller Sympathie," väterliches Lächeln, " ja auch nicht selbst entscheiden. Da muss der Beirat tagen. Das ist doch wohl klar. Und Sie entschuldigen mich nun, ich habe einen Begehung mit Interessenten für eine Hochzeitsfeier in unserem Traumschloss." Professionelles Lächeln und er wendet sich zur Tür.

„Ach, mein Lieber, und noch etwas: Die Schlüssel, wenn Sie die Schlüssel bitte da lassen. Legen Sie sie einfach auf den Tisch dort.Danke."
Noch ein Lächeln und fort ist er.


Harald Bonsayh presst die Finger zwischen Kragen und Haut, etwas reisst und endlich, er bekommt besser Luft. Langsam lässt er sich auf eines der zierlichen Biedermeierstühlchen sinken, das ein empörtes Ächzen von sich gibt. Erschrocken fährt er hoch, um sich gleich darauf wieder niedersinken zu lassen. Er atmet tief ein, holt heftig Luft, ein Schniefen, ein Gurgeln, und lässt dann den Kopf auf das abgeschabte Polster der Lehne sinken.


Libertas Haus, das SchlossWo Geschichten leben. Entdecke jetzt