Harald Bonsayh ist unzufrieden. Mal wieder. Mehr als unzufrieden, verzweifelt schon fast. Alles geht daneben. Nichts läuft, wie geplant. Die große Hochzeit im kommenden Monat im Schloss, der Graf stellt Forderungen über Forderungen, plötzlich völlig neue Bedingungen, es kostet mehr und mehr Geld und der Graf ist nicht zufrieden mit der Gegenleistung. Er selbst, er selbst ist nicht zufrieden. Es stimmt, der Verein sollte schon weg sein, wenn die Hochzeit ist und was geschieht? Diese Schilder im Wald haben das Gegenteil dessen bewirkt, was sie sollten, sie haben dem Verein eine Welle der Sympathie beschert und dieser dämliche Schmohl hat den Arsch nicht in der Hose da mal auf den Tisch zu hauen und die Leute herauszuschmeißen aus dem Wald, wenn sie da rumlatschen mit den Ponys und sich über sie lustig machen.
Wütend kneift er die Lippen zusammen und atmet tief durch.
Es ist Abend. Später Abend und er ist allein im Wohnwagen. Keine Ahnung, wo die Kleene steckt. Er ist in der kleinen Kochnische und macht den Abwasch. Auch das ärgert ihn. Warum macht die Kleene nicht mal die Hausarbeit?
Dieses Video.
Er zuckt zusammen, als er daran denkt. Dieses freche unverhohlene Gesangsvideo von der Tochter. Es ist eine Unverschämtheit. Die machen sich über sie lustig und er kann nichts machen, gar nichts machen, rein gar nichts machen. Er war bei Blatter, dem Anwalt und der zuckt nur die Schultern. Was man da machen kann? Gar nichts. Ist Kunst. Oder so. Ja, aber die Bilder von der Haalswor werden doch auch verboten. Wieso geht das nicht mit diesem Scheiß-blog, den sie da schreibt.
Blatter zuckt wieder die Schultern.
Wieso die Bilder verboten werden. Versteht er auch nicht.
„Hat sie wohl Pech gehabt" sagt er lakonisch. Selbst ihm ist ein solcher Fall nicht bekannt, keine Ahnung, wie das gehen kann. Aber warum kriegen sie einen solchen Fall nicht hin? Blatter zuckt wieder die Schultern. Und schnieft hörbar. Ne, nicht mit ihm. Er macht das nicht. Da sieht er keine Chancen. Und, Bonsayh glaubt, er hat auch keine Lust ins Visier dieser Trulla zu geraten. Selbst Zielscheibe in diesem Blog zu werden. Er, Bonsayh, reißt sich auch nicht darum, ehrlich. Aber, kann man nichts machen: Wütend pfeffert er eine Kaffeetasse in das kleine Spülbecken, dass der Schaum des Spülmittels die Wände hochspritzt.
Die Wohnwagentür geht auf, leises Quietschen.
Ah, die Kleene. Madame geruht endlich nach Hause zu kommen. Bonsayh dreht sich nicht um sondern kramt lautstark im schaumgefüllten Waschbecken und räumt rumpelnd das gespülte Geschirr auf den Abtropf.
Thomas, denkt er weiter, Thomas macht ihm Sorgen. Und Sylvia. Beide irgendwie. Die Hochzeitsvorbereitungen haben die beiden zusammengeschweißt. Und Thomas distanziert sich von ihm. Er merkt das. Thomas schreibt nicht mehr in der Internetgruppe. Ob er das mit dem Katzenvideo mitgekriegt hat? Bonsayh zieht die Schultern hoch. Thomas ist schlau und kennt sich aus mit dem Internet. Es ist bestimmt ein Leichtes für ihn, die Identität zu finden, unter der er das Video veröffentlicht hat. Ist ja überall rumgegangen, bevor es verboten wurde. Über eine Million Clicks! Hat gut Geld eingespielt, das Ding. Gutes Geld. Und – warum nicht. Es gibt einen Markt dafür und wenn er den nicht bedient, dann macht das jemand anderes. Was soll es denn. Er ist doch nicht für alle Leute verantwortlich, er nicht. Er hat da noch Bilder hochgeladen, die Reaktionen sind überwältigend. Schöner kleiner Nebenverdienst, aber muss nicht jeder mitkriegen.
Wenigstens ein Lichtblick. Was man über die Internetgruppe nicht sagen kann. Er muss ständig auf der Hut sein und praktisch dauernd im Netz um die Kommentare zu löschen, die gegen ihn sind. Seine Mitstreiter, das werden immer weniger. Eigentlich nur noch Cindy, die unermüdliche und diese dämliche Doreen, die er in der Hand hat. Immer mehr Leute schreiben positiv über den Verein. Es ärgert und ärgert und ärgert ihn.
„Alles OK?"
Die Kleene.Ne, dass Madame mal das Wort an ihn richtet! Wo er doch ihren Lebenswandel finanziert und das nicht zu knapp.
Ist doch das mindeste, dass sie bei den Videos mitmacht, dass sie da einbisschen rumodelt für ihn. Er zahlt hier schließlich alles, damit sie ihren Arsch im Trockenen hat.
Er reagiert nicht auf ihre Frage.
Er spürt, wie sie von hinten an ihn rantritt.
Hinter ihm steht.
Er atmet tief durch: „Ich..." fängt er an „ich habe gerade unglaubliche Lust, dich zu schlagen. Also bitte: Rede nicht weiter." Gepresst.
Er spürt, wie sie einen halben Schritt zurückweicht.
„Kommt das jetzt öfters vor?" Ihre Stimme, leise.
„Was?"
„Dass du schlägst, wenn dir etwas nicht passt?"
„Habe ich dich geschlagen?" Seine Stimme wird hohl und flach vor unterdrückter Wut.
„Nein, aber du hast gesagt..."
„Ich habe es gesagt, ja. Aber du hast auf mich gehört. Jetzt ist wieder alles in Ordnung!"
Sie antwortet nicht.
Er hört ein feines Rascheln, Kleidung.
„Dreh dich um!" Ihre Stimme leise, heiser, anders.
Er dreht sich um und sieht sie.
Sie steht mitten im Wohnwagen unter dem trüben gelblichen Licht der Glühbirne.
Nackt, völlig nackt.
Der glatte kindliche Körper, wie Stein, wie Marmor, fest, seidig schimmernd.
„Du bist schön!" Er flüstert.
„Danke!"
Sie steht mit an den Seiten herabhängend Armen, unbewegt, mit diesem kindlichen Steinkörper.
„Kannst du dich rumdrehen?"
„Warum?"
„Weil...ich es will"
Sie dreht sich. Langsam. Kehrt ihm den Rücken zu. Das Licht streichelt ihre marmornen Formen, das feste kleine Hinterteil, knabenhaft. Speichel strömt in seinen Mund, er muss schlucken. Sieht sie an. Er empfindet körperlich, dass seine Augen geradezu essen, was sie vor sich haben. Das Schönste auf der ganzen Welt.
Im Abstand einer Armeslänge.
Aber unendlich fern.
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Libertas Haus, das Schloss
ParanormalWas bisher geschah: Corinne Haalswor und ihre 16 jährige Tochter Tamara ziehen aus München in den wilden Osten Deutschlands ins Hinterland von Halle/Saale in das kleine Dorf Grömlitz. Hier scheint die Zeit stillzustehen und es finden sich bald all...