Ehrlichstett, Oktober 2015

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Tamara sitzt auf ihrem Bett, den Laptop auf dem Schoß, daneben den kleinen Kater mit Namen „Fußball" der behaglich schnurrt. Fußball hat seinen Namen bekommt, als er als kleine gleichmäßig schwarz-weißgefleckte Kugel im Mai auf die Welt gekommen ist, ein veritabler kleiner Fußball der sich nun zu einer niedlichen Jungkatze herausgewachsen hat, die Tamara auf Schritt und Tritt folgt. Sein Schnurren ist das einzig Behagliche, denkt Tamara, als sie den neustes Blog von diesem Bonsayh liest. Warum, denkt sie, warum verfolgen diese Menschen sie so mit so unerbittlichem Hass. Was haben sie ihnen getan? Was soll das heißen, was hier steht? Müssen sie Angst habe, müssen sie nun anfangen, sich zu fürchten dass der„gerechte Volkszorn" sich auf ihnen entlädt, dass es nun endlich eins in die Fresse gibt, für ihre Mutter, die das ja offensichtlich schon so lange provoziert: Wodurch? Durch ihre Geschichte von Grömlitz? Durch ihre Malerei? Durch ihr HierSein in Ehrlichstett? Weil sie eben ist, wie sie ist und hier nicht reinpasst, in eine Welt in der gewissen Menschen möchten, dass alles gleich ist? Kontrollierbar? Unfrei?


Als sie Luft holt, entfährt ihr ein unfreiwilliges Schluchzen.

Was ist aus ihrem Leben geworden? Wie soll das weitergehen? Warum befasst sich ihre Mutter mit dieser Gefahr nicht, die ihr, Tamara, Angst macht? Muss sie das alleine regeln? Kann sie das alleine regeln? Will sie das?
Sie sollte mit Kylie feiern gehen. Sie sollte ausziehen, ein Studium beginnen, in einer fernen Stadt und all das hinter sich lassen. Sie sollte....

Aber sie kann nicht. Noch immer ist sie hier und liest. Liest laut dieTexte ihrer Mutter ins Internet, streichelt den kleinen Kater Fußball und liest. Sie liest, sie schluchzt, sie hat Angst, sie fürchtet sich vor diesen Namenlosen, Unbekannten dort draußen, aber sie liest Sie läuft herum mit ihrer Kamera und filmt und sie liest, sie liest weiter und immer weiter. Gegen ihre Angst an, für das Projekt, für die Freiheit, dafür, dass solche Namenlosen keine Macht haben, über sie, und die anderen.


Draußen ertönt ein scharfer Pfiff, der sie zusammenfahren lässt. Das ist vor ihrem Fenster. Die früher Dämmerung verschluckt die letzten Formen, als sie ans Fenster tritt und hinaussieht. Jemand steht da, den sie im ersten Moment nicht erkennt und dessen hohe, kräftige Gestalt ihr im ersten Augenblick einen Angstschauder über den Rücken jagt. Sie ist allein, was wenn..

Aber dann seufzt sie erleichtert auf, als die Person das Gesicht in den Schein der Lichterketten am Haus der Hexe Verstexe dreht und sie Devon erkennt. Sie öffnet das Fenster:
„Wassn?"


„Kann ich hochkommen?"


Sie zögert. Fußball ist aufs Fensterbrett gesprungen und sieht auch hinunter: „Geht nicht, habe Herrenbesuch."


Devon versteht sofort und ein Grinsen schwingt in seiner Stimme mit:"Kein Problem. Macht mir nichts aus. Kann ich?"


Tamara nickt: „Klar komm hoch, ist alles offen!"


„Wie immer! Bin gleich da!" und mit federnden Bewegungen setzt er sich in Richtung Schlosseingang in Bewegung.


Sie bleibt am Fenster stehen und hört hinter sich, wie er nach wenigen Minuten das Zimmer betritt. Fußball quittiert sein Eintreten mit einem kurzen gurrenden Laut. Sogar der Kater mag ihn, denkt sie flüchtig, bevor sie sich umdreht und ihn ansieht.


„Was ist den los?" Fragt er betroffen, als er ihr Gesicht sieht, auf dem noch die Tränenspuren von vorher sind.

Libertas Haus, das SchlossWo Geschichten leben. Entdecke jetzt