Sie sind auf dem Weg zum Eiscafé, Tamara und drei von den Reitkindern, zwei von den Kleinen und eine Ältere, die bereits Reitbeteiligung ist. Es ist ein lauer Frühlingsabend, einer von denen, nach denen der Mai seinen Namen hat, weich, duftend, warm, eine Zeit zum Träumen, zum Schwärmen, zum Verlieben.
Eine Zeit, in der die Sehnsucht unermesslich ist. Die Sehnsucht nach...
Tamara schüttelt den Kopf.
Nichts da. Es gibt Wichtigeres und sie weiß ja schon, wohin diese ganze Sehnsucht sie immer bringt.
Es läuft gut, zur Zeit, gut für den Verein, gut für ihren YouTube Kanal. Dem Verein rennen die Leute zu, gerade die Stadtratssitzung zum Thema Reitverbot im Wald und die traurige Vorstellung von Bürgermeister Schmohl hat sich wie ein Lauffeuer verbreitet und alle, die auch schon zuvor unzufrieden waren, kommen nun und führen ihre Kinder, ihre Enkel ostentativ im Wald herum, auf den Ponys. Alle warten auf die Strafen die nun ausgesprochen werden müssen, aber es passiert...nichts. Eine kleine Revolution, die ins Leere läuft, zahnlose Tiger-Schilder, die Verbote aussprechen, die für niemanden gelten. Eine sonderbare Situation.
Sie biegen um die Ecke und sehen schon von weitem die kleinen Tische des Eiscafés, alle besetzt, Mist, nein, da da ist noch einer frei, schnell!
Sie drängen sich durch die Leute, die dort Kaffee trinken und riesige Eisbecher löffeln, zu dem freien Tisch!
„He!"
Tamara dreht sich um und sieht der Stimme nach, die sie kennt. Sie war so fixiert auf die einzigen freien Sitzplätze, dass sie Devon übersehen hat, der neben drei Omis an einem der Tische sitzt. Da einfach sitzt, vor sich kein Getränk, kein Eis, und zu den Omis offensichtlich nicht gehört.
Sie stutzt, bleibt stehen.
„Hi!"murmelt sie und will weiter, zum, Tisch den die Mädchen in Besitz genommen haben.
„Setz dich zu mir!" Seine Stimme ist leise, aber trotzdem verdrängt sie alle Nebengeräusche, das Kichern der Mädchen, die Gespräche der anderen Besucher, den Verkehrslärm von der Straße.
„Seit wann bist du derjenige, der mir sagt, was ich zu tun habe!" Verärgert will sie sich abwenden.
„Warum bist du heute so aggro?"
„Ich bin nicht aggro!" Während sie es ausspricht, weiß sie, dass es kindisch ist. Überraschenderweise lacht Devon sie nicht aus. Sie fühlt sich plötzlich so weich, so hilflos. So, als würde sie jeden Moment in Tränen ausbrechen.
„Okay" sagt Devon.
Er steht auf.
Dann geht er.
Irgend etwas stimmt mit mir nicht, denkt Tamara. Sie fühlt sich komisch, als ob sie nicht zu ihrem Körper gehört. So als ob sie ich von außen betrachtet.
Sie geht los.
Geht in die Richtung, in die Devon verschwunden ist. Den Weg zurück, zum Schloss.
Hört die noch rufen, die anderen. Sie geht weiter.
Als sie außer Sichtweite ist, fängt sie an zu rennen.„Warte!"
Devon, der in Richtung Schloss schlendert, dreht sich langsam um.
Er wartet.
Sie bleibt mit ein paar Schritten Abstand vor ihm stehen. Sie ist außer Atem. Die ganze Situation erscheint ihr wahnsinnig absurd.
Sie gehen zum Schloss. Gemeinsam. Sie gehen hinein, das klamme Treppenhaus hinauf, sie schließen die Tür auf, gehen den Gang hinunter. Sie gehen in ihr Zimmer.
Sie sind dort. Sie sagen kein Wort.
Kein einziges Wirt. Sie stehen sich gegenüber und sehen sich an.
Er zieht ihr das T-Shirt über den Kopf. Sie steht da wie eine Anziehpuppe.
Er beginnt, sie am Hals zu küssen, streift ihr mit der einen Hand einen BH-Träger über die Schulter, greift mit der anderen Hand in ihr Haar.
Sie denkt, das ist ein bisschen wie im Film. Es ist auch genauso still, wie es im Film immer in solchen Momenten ist. Und er küsst sie, wie im Film, es ist so ....richtig. Wie nach einer Regieanweisung.
Richtig.
Devon macht den Knopf an ihrer Jeans auf, seine Hand gleitet hinein, die andere immer noch in ihrem Haar, er krallt sie darein, aber zärtlich und seine Lippen an ihrem Mund.
Eine Woge der Erregung dringt durch ihren Körper.
Er hebt sie hoch und trägt sie zum Bett. Seine Hände umschließen ihr Gesicht. Hollywood pur, denkt sie.
„Warte,"seine Stimme ist rau „ich will dich ansehen!"
Er steht auf, steht vor dem Bett, sieht auf sie hinab, Scheißchauvi denkt sie, was mache ich hier?
Sie zieht sich aus, langsam. Den BH, die Jeans, die Schuhe. Die Socken. Langsam. Sie sieht ihn an. Er sieht sie an. Sein Blick ist völlig irre. Intensiv. Es macht sie rasend.
Er beobachtet sie mit einer Miene, die sie nicht deuten kann. Sie richtet sich auf. Er kommt. Er setzt sich vor sie. Er packt mit beiden Hände ihre Arme. Fest, und führt sie hinter seinen Kopf, zieht sie auf seinen Schoß. Sie sehen sich an. Seine Augen sind blau. Mitternachtsblau.
Küss mich, bettelt sie innerlich. Aber er küsst sie nicht.
Er hebt sie wieder hoch und legt sie ab vor sich. Er dreht sie auf den Bauch,
nackt, wie sie ist. Er ist noch immer angezogen.
Sie wartet.
Er wartet.
Sie warten.
Sie weiß nicht ob aufeinander.
Oder ob nur sie auf ihn.
Ein Lufthauch als er das Zimmer verlässt.
Das leise Klappen der Tür.
Die Schritte auf den Dielen im Flur.
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Libertas Haus, das Schloss
ParanormalWas bisher geschah: Corinne Haalswor und ihre 16 jährige Tochter Tamara ziehen aus München in den wilden Osten Deutschlands ins Hinterland von Halle/Saale in das kleine Dorf Grömlitz. Hier scheint die Zeit stillzustehen und es finden sich bald all...