Ehrlichstett, Juni 2015
Eigentlich hat er gedacht, er könnte da mehr bewirken. Wenn er den Mut aufbringt, sich in den Stall schleicht und in den frühen Morgenstunden den großen Hengst herauslässt.
Dieses Mordstier macht immer so einen Radau, wenn man ihn über den Hof führt. Er, Renfeld hat gedacht, dass wenn man ihn herauslässt, dass er mindestens den ganzen Stall zu Brei schlägt und die Stuten befreit und wer weiß was anrichtet. Aber es hat erst mal ewig gedauert, bis der Große die halb offene Tür bemerkt und aufgeschoben hat. Und dann ist er polternd und wiehernd sofort zu den Stuten gerannt und hat einen Mordswirbel veranstaltet. Und die Haalswor, die scheint nie zu schlafen, die kam wie aus dem Nichts und hat ihn eingefangen und wieder in seine Box gebracht. Wie ein Lämmchen ist der Große mitgegangen. Also, da hatte er sich mehr versprochen, von der Aktion.
Renfeld hat seine Entscheidung getroffen. Einem Herrn zu dienen ist eine sinnvolle Sache und er hat sich fürs Schoss entschieden und für dessen rechtmäßigen Besitzer. Man kann gegen Hugo von Hülstorff sagen, was man möchte, aber er ist nun mal der Herr auf Schloss Ehrlichstett und irgendwann muss Schluss sein mit all dem Gezauder und Gezage, irgendwann muss ein Mann sich bekennen zu wem und wann.
Hülstorff war in die Werkstatt gekommen, hatte als einziger eine dicke Scheibe von Renfelds neustem Wurstfabrikak, einer luftgetrockneten Salami, gegessen und war erfreulich guter Laune gewesen. Über Leander hatte er sich erkundigt und erzählt, das er jetzt bedeutenden Unterstützer für die gute Sache gefunde habe und dass es jetzt bald ein Ende habe, mit der Ponymischpoke. Nicht nur der Zaunbau, nein, die Leute vom Leander würden nun anrücken und hier den Wachdienst schieben und die Kinder vertreiben und den Brunnen zuschütten.
Renfeld hat bedenklich den Kopf gewiegt, er kennt den Leander, der ist auch so ein Gutmensch, der wird doch niemals Kinder vertreiben lassen. Aber der Graf, den nun alle hinter seinem Rücken Klapsmann nennen, nachdem die Kinder dies als Spottverrs über ganz Ehrlichstett verbreiten, der Graf also, ist sich seiner Sache sicher, ein Fachmann wäre da nun am Werke und man sähe es ja bereits, an dem Zaunbau, wie gut die Methoden wären.
Auch hier hat Renfeld so seine Zweifel.
Er sieht gar keine Wirkung auf dem schweißtreibenden Zaunbau. Die Pferdeleute laufen außenrum, pfeifen weiter ihre dummen kleinen Melodien, die ihm ein Schwirren im Kopf verursachen, auch Kinder laufen jagend und tobend, immer um das Schoss rum, vom Stall zum Reitplatz, von den Ponys, zu den Koppeln immer außenrum, immer Trubel, immer Bewegung.
Und der Bürgermeister, der Graf brüstet sich, der Bürgermeister hätte nun eindeutig Position bezogen und der Verein würde nun auch von der Stadt vertrieben. Die Stadt würde sich nun einsetzen, dass der Verein verschwände. Das wäre abgemacht, alle Flächen wären bereits gekündigt, der Pachtvertrag gekündigt, die Bande heimatlos also.... Ein Beifall heischender Blick in die Runde.
„Komisch," murmelt Mirko, „ein Bürgermeister, der einen Verein vertreibt.Das klingt nicht gerade nach guter Publicity."
Hülstorff sieht ihn wütend an : " Von Publicity kann hier keine Rede sein. Das wird eben nicht nach außen dringen. Und sehr euch vor, dass ihr die Klappe haltet. Alles was hier gesprochen wird unterliegt der strengsten Geheimhaltung. Und die NOZ, die ist fest auf unserer Seite. Ich habe da Leute dran, Fachleute eben. Hier sind jetzt Fachleute dran, die uns den ganzen Kram vom Hals halten."
Er lehnt sich lächelnd zurück und schneidet sich erneut ein dickes Stück Salami ab.
Sie ist ihm ein wenig unregelmäßig geworden, die Salami, denkt Renfeld,aber sie sieht aus wie richtige handelsübliche Luftgetrocknete, naja, fast, die Farbe vielleicht ein bisschen dunkel und ein bisschen trocken, das Fleisch hat ein bisschen wenig Fett, da musste er ein bisschen tricksen, aber im Grunde, richtige Salami.
Hülstorff verschlingt die trockene Wurst und steht auf: „Und nun frisch an die Arbeit, meine Herren, wer rastet, der rostet! Und der Zaun muss fertig werden. Und wenn jemand fragt..." er sieht die drei streng an „wenn jemand fragt, die Pferdeleute haben den Zaun gebaut, dass das klar ist! Die haben das so gewollt, das hat mit uns nichts zu tun. Haben wir das verstanden?"
Sein Blick wird hart und trocken, wie die Wurst.Alle nicken und stehen folgsam auf. Renfeld sieht noch ein bisschen sehnsüchtig nach seiner halben Tasse Kaffee, die er gerne noch getrunken hätte, aber er kennt den Grafen in so einer Stimmung. Das kann schnell umschlagen und komisch werden, Klapsmann eben, und das will eigentlich niemand, gute Sache hin, oder her, ein bisschen seine Ruhe haben, bei der Arbeit ist auch nicht zu verachten.
Die Männer werfen sich einen kurzen Blick zu und gehen zur Tür. Hintereinander verlassen sie die Werkstatt und folgen ihrem Herrn zur Vollendung des angefangenen Zaunbaus.
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Libertas Haus, das Schloss
ParanormalWas bisher geschah: Corinne Haalswor und ihre 16 jährige Tochter Tamara ziehen aus München in den wilden Osten Deutschlands ins Hinterland von Halle/Saale in das kleine Dorf Grömlitz. Hier scheint die Zeit stillzustehen und es finden sich bald all...