Kapitel 43

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Die Gastfreundschaft...

Nachdem Semir und Paul das Krankenhaus hinter sich gelassen haben, macht Semir einen kurzen Abstecher in den Baumarkt, er habe Andrea versprochen, dass er sich um die Spülmaschine kümmern wolle, ausserdem haben die Gerkhans einen Gast mehr im Hause. Der BMW hält auf dem Kundenparkplatz des Baumarktes, Semir möchte aussteigen:"Ich hole kurz Material für die Spülmaschine, bin gleich wieder da." „Ich komme mit", will Paul auch aussteigen. „Nein, du bleibst schön sitzen!" „Man, mir geht's aber gut!", betont Paul mit seiner Stimme. „Ach, wirklich?", fragt Semir ernsthaft und drückt ihm mit seinem Zeigefinger auf das geschwollenes Knie, welches Paul mit einem lautem „Aaahh, man!" aufschreien lässt und sein linkes Knie mit seinen Händen vor weiteren Versuche Semirs schützt. „Hör mir mal zu!", droht Semir Paul mit dem Zeigefinger, „Spiel dich nicht so auf und entspanne dich doch mal! Du musst wirklich mal auf anderen Gedanken kommen, dafür sorgen Andrea und ich schon!" und schon ist Semir in den Baumarkt reingegangen. Paul zückt sein Handy aus der Hosentasche und möchte an Jenny eine Nachricht schreiben:"Hallo Jenny, wollte dir nur sagen, dass ich gerade vom Krankenhaus komme und eine Prellung am Knie habe. Komme diese Woche nicht auf die PAST." Und sendet ab. Dann ruft er die Chefin der Autobahnpolizei, Frau Krüger, an und teilt ihr mir, dass er diese Woche krankgeschrieben sei. Dann schliesst Paul für einige Minuten die Augen und wird durch das Öffnen der Fahrerseitetür wach, Semir kommt mit Material zurück. „So, jetzt fahren wir zu dir, holen Wechselklamotten und Duschzeug. Dann kannst du bei uns richtig relaxen", hat Semir mit seinem Partner vor. „Vier Krankenschwester bei euch zuhause, das will was gut heissen", bringt Paul ein kleines Lächeln auf die Lippen hervor. Sein Partner lächelt ebenfalls und gibt Gas.

Am frühen Abend in der Villa Dorn bereitet Martin das Abendbrot in der Küche vor, setzt Teewasser auf und verlässt die Küche, geht die Treppenstufen hoch ins Jennys Zimmer und öffnet leise die Tür. Kommt an ihr Bett und setzt sich neben der schlafende Jenny, versucht sie wach zu bekommen:"Jenny?" Die Augen langsam öffnend, blickt Jenny in das Gesicht ihres Vaters und merkt, dass der Raum dunkel wirkt. „Wir haben schon abends, du hast aber sehr lange geschlafen", streichelt ihr Vater Jenny an der Backe. „Ich habe den Tisch für Abendbrot gedeckt, magst du mit mir an dem Tisch sitzen?" Jenny wirft die Bettdecke um, setzt sich aufrecht an der Bettseite:"Gerne, ich komme gleich." Der Vater steht auf und will in die Küche gehen:"Pfefferminztee für dich?" Seine Tochter nickt und ihr Blick fällt auf das Handy, das zwei eingehenden Mitteilungen anzeigt. Sie sieht Pauls Namen und ihr Herzklopfen schlägt schnell. Ein wenig nervös öffnet sie die Nachricht und das Herzrasen verringert sich. Es ist nur eine harmlose Nachricht, kein Wort über gestern Abend im Auto. Dann liest sie die zweite Nachricht von Stevie:"Hallo, wie geht es dir? Ich hoffe, du konntest dich gut erholen, so müde wie du gestern warst. Hättest du Lust mit mir zu treffen? Melde dich mal, würde mich freuen, Stevie..." Irgendwie stimmt es Jenny traurig, dass es eine normale Nachricht von Paul ist und sie gerne wissen würde, wie es Paul geht. Dann fällt ihr ein, dass ihr Vater unten in der Küche auf sie wartet, legt das Handy auf den Nachttisch und geht aus dem Zimmer.

Bei Pauls Wohnung angekommen, gehen Semir und sein auf Krücken gehenden Partner in dessen Wohnung. Semirs Blick fällt auf den Koffer, der immer noch im Flur steht:"Keine Zeit zum Auspacken gehabt?" „War etwas spät geworden gestern", kommt die Antwort von Paul aus dem Schlafzimmer, der dort in einer Sporttasche die Wechselklamotten einpackt und das Duschzeug in einer Hand festhaltend und die andere Hand an dem Krücken hat, aus dem Badezimmer holt, herauskommt und auf den Koffer zugeht:"Semir, kannst du bitte mal aufmachen? Ich brauche den Kulturbeutel." Semir geht zu Knie und öffnet den Koffer, klappt auf, nimmt den Kulturbeutel und klappt wieder zu. „Ich nehme deine Tasche, wo ist sie?", fragt Semir Paul, der gerade das Duschzeug aus der Hand in die Kulturbeutel einpackt. „Auf dem Bett im Schlafzimmer, nimm den Beutel mit!", und gibt den Kulturbeutel Semir mit, der auf dem Weg ins Schlafzimmer ist. Mit der Sporttasche über die Schulter tragen verlassen die beiden Kommissare die Wohnung und fahren zum Haus der Gerkhans.

Beim Abendbrot merkt Vater Martin die Stille an seiner Tochter, die ein wenig lustlos auf dem Brot herum stockt. „Jenny, ist was passiert, warum hast du hier geschlafen?", an seine Tochter fragend. „Nein, nichts Schlimmes! Ich wollte einfach nur in eine vertraute Umgebung. Da ist mir mein altes Zimmer als Erstes eingefallen", greift Jenny zur heissen Tasse Tee und trinkt vorsichtig daraus. „Sonst geht es dir gut? Du weisst, dass du mit mir reden kannst", versucht Vater Dorn sanft fühlend zu sein. „Wir hatten am Wochenende einen verdeckten Einsatz gehabt, das gestern abgeschlossen ist." „Das ist doch nicht dein erster Einsatz, du hast mittlerweile Übung darin", wundert sich Martin, „oder ist dabei was passiert?" „Ich musste das Wochenende mit Paul ein Pärchen spielen und in einem Hotelzimmer übernachten", beginnt Jenny den Anfang. „Ok, und dann?", legt ihr Vater seine Hand auf die von Jenny, die mittlerweile ihre Tasse abgestellt hat. „Wir sind dabei näher gekommen, haben uns mehr in unsere Privatleben reinschauen lassen und gestern Abend, als Paul mich zurück zu meiner Wohnung brachte, hat er irgendwas über Gefühle gesagt..." und Jenny schluckt schwer, versucht weiter zu sagen:"Da stand auf einmal Stevie vor der Haustür." Ihr Vater lässt einen Seufzer raus:"Jetzt bist du durcheinander? Und du weisst nicht, was es mit den Gefühlen auf sich hat?" Jenny nickt nur mit dem Kopf, und erzählt ihrem Vater auch, dass Paul sich bei dem Einsatz verletzt habe und Paul statt sie Semir gefragt hatte, ob er ihn ins Krankenhaus begleiten könne. Martin versucht Jenny behutsam zu sagen:"Vielleicht wollte Paul die Freundschaft nicht überstrapazieren. Frag ihn doch, wie es ihm geht. Um Klarheit darüber zu verschaffen, wäre es gut, wenn ihr mal miteinander redet als diese Ungewissheit." Martin steht auf und stellt sich hinter seiner Tochter, die immer noch sitzt, beugt sich zu ihr vor, gibt einen Kuss auf den Haarscheitel und beginnt langsam den Tisch abzuräumen. Jenny starrt noch eine Weile in den Tee und dann zu ihrem Vater gewandt:"Könnte ich heute Nacht hier schlafen? Morgen fahre ich von hier aus zur PAST." „Was ist das für eine Frage? Jenny, das hier ist dein Zuhause, da brauchst du mich nicht zu fragen." „Danke, Papa. Ich würde gerne auf mein Zimmer gehen, ist das ok?" steht Jenny auf und stellt die Tasse, die sie gerade geleert hat, in die Spülmaschine. „Natürlich, schlaf gut, meine Kleine!", ihr Vater gibt Jenny eine Gute Nacht Kuss auf die Wange und sie geht in ihr Zimmer.

Das Gästezimmer bei den Gerkhans ist mittlerweile für den Gast Paul hergerichtet, Andrea hat sich um das Abendessen für die ganze Familie gekümmert, Semir und Dana räumen das Geschirr ab und spülen dies. Paul steht auch in der Küche, das verletzte Knie über den Krückengriff gelehnt und mit dem anderen Bein auf den Boden stehend, trocknet er das gespülte Geschirr ab. Ein Smalltalk entsteht dabei, es gehe um ein Problem mit Danas Freundin und sie den Rat ihres Vaters Semir braucht. Während die Drei in der Küche beschäftigt sind, sortiert Andrea im Waschraum die Wäsche nach Farbe und Gradwäsche aus. Die kleinen Mädchen machen sich fürs zu Bett gehen fertig und lesen noch ein wenig in deren Betten, bis die Mutter nach der halben Stunde die Lichter in den Zimmern ausmacht und ihnen eine gute Nacht wünscht. Die Küche sieht aufgeräumt aus, Paul würde sich gerne zurückziehen in das Gästezimmer, was für Semir verständlich sei. Er würde schon mit Paul über sein Anliegen, welches er auf dem Herzen zu haben scheint, reden. Er sei die nächsten Tage noch hier zu Gast. Zurück bleiben in der Küche Semir und Andrea, die noch einen Glas Rotwein trinken möchten, nachdem Dana auch auf ihr Zimmer gegangen ist.

Jenny geht in ihr ehemaliges Kinderzimmer, um sich umzuziehen – in ihrem Kleiderschrank bei ihrem Vater zuhause findet sie eine bequeme Jogginghose und ein langärmeliges                             T-Shirt,kuschelt sich wieder ins Bett und lässt die kleine Nachttischlampe in dem grossen, dunklen Raum an. Ihr Blick fällt auf das Handy, das neben der Lampe liegt, schnappt sich diese und beantwortet zuerst die Nachricht von Stevie:"Hallo, danke, mir geht es schon etwas besser! War auch wirklich so erschöpft. Wir können ja nochmal schreiben, ich weiss nicht, wie die Woche auf der Arbeit verlaufen wird." Danach scrollt sie auf dem Display nach Pauls Namen. Nach kurzem Überlegen, fasst sie den Mut und ruft ihn an...es dauert eine Ewigkeit, das Klingeln geht weiter...

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