Ein Brief aus dem Jenseits...
Jenny hält das Buch, welches sie gerade aus dem Karton geholt hat und bemerkt einen weissen Briefumschlag, der neben ihren Füssen auf den Boden flattert. Sie hebt es auf, begutachtet ihn, auf dem nur ihr Name JENNY steht. „Merkwürdig, wo kommt der denn her?", murmelt Jenny so leise, dass es nur sie hören kann. Paul macht gerade in der Küche Krach mit einer Pfanne, schaut in den Kühlschrank, was es zu bieten hat und prompt hat er eine Idee. „Ich mache uns eine Gemüsepfanne mit Reis als Beilage, ok?" Als er keine Antwort erhält, dreht er sich um und sieht, wie Jenny auf das Buch starrt. „Jenny, ist alles in Ordnung?" Er lässt das Schneidebrett auf die Arbeitsplatte liegen, das scharfe Messer daneben und kommt auf Jenny zu, die immer noch angewurzelt im Flur steht. Als Jenny merkt, dass Paul zu ihr kommt, versteckt sie schnell den Brief zwischen den Seiten im Buch in ihrer Hand haltend. „Hm, ja gut...", sie scheint durcheinander zu sein, „was gibt es? Du, ich muss mal eben." Mit dem Buch geht sie ins Bad. Paul schaut Jenny mit hochgehobenen Augenbraunen an, in ihm schleicht sich ein merkwürdiges Gefühl im Bauch hervor. Sein Bauchgefühl täuscht ihn meistens nicht. Statt auf die Toilette zu gehen, setzt sich Jenny an die Kante der Badewanne und holt den weissen Umschlag aus dem Buch wieder heraus, das Buch legt sie auf die Kommode und hält den Brief in beiden Händen fest, dreht es einmal um und sieht, dass der Umschlag zugeklebt ist. „Von wem das wohl ist?", geht es in ihren Gedanken durch, „und überhaupt, wie lange ist es schon in dem Buch versteckt geblieben?" All die Jahre habe Jenny nichts gemerkt, wie denn auch, wenn sie mit den Kinderjahren in das Teenageralter bis hin ins Erwachsenalter kommt und Kinderbücher keines Blickes würdigt. „Nach einem Testament sieht das nicht aus", grübelt Jenny und zur Tarnung lässt sie die Toilettespülung laufen. Zwischen Neugier und Angst schwankt Jenny, ob sie den Inhalt des Briefes lesen soll oder nicht. Sie kämpft innerlich dagegen und doch so gerne würde sie ihre Nase da reinstecken. „Was ist, wenn der Inhalt mein Leben verändert? Habe ich überhaupt noch die Kraft dazu? Soll ich es alleine lesen, oder Paul mir vorlesen? Es ist an mich gedacht, also werde ich es auch selbst lesen. Von wem die Schrift ist?", ruckartig steht Jenny auf und lässt den Brief in der Kommode zwischen den Handtücher verstecken, „wenn das von meiner Mutter sein soll, dann will ich nichts wissen!" Ihre stillen Gedanken werden jäh gerissen, als Paul vor der Tür des Bads steht und leise anklopft. „Jenny, geht es dir gut?" Sie schreckt auf und wäscht sich ihre Hände, nimmt das Buch und öffnet die Tür. In der Türschwelle trifft sie auf einen besorgten Paul, geht an ihm vorbei und murmelt:"Ja, mir geht's gut. Ist das Essen fertig?" „Gleich", folgt Paul Jenny hinterher, packt sie feinfühlig an den Oberarmen an, dreht sie zu ihm um, dabei schauen sie sich in die Augen. „Du bist merkwürdig, seit du das Buch in der Hand hast. Jenny, was ist los?" Paul lässt einen Seufzer raus, und Jenny merkt, dass sie Paul eine Antwort schuldig ist. Statt die Wahrheit zu sagen, schwindelt sie ein wenig:"Ach, das war mein Lieblingsbuch damals, als ich noch klein war und man mir Geschichten daraus gelesen habe." Auf dem Gesicht von Paul huscht ein kleines Lächeln, er nimmt Jenny in seinen Armen, ihr Kopf lehnt sich an seiner Schulter. Dabei streichelt Paul sanft am Rücken von Jenny und diese spürt eine Träne an ihrer Wange kullern. „Dein Lieblingsbuch war ein Märchenbuch?", hört sie Paul fragen. „Nein, Pippi Langstrumpf!" Man hört Pauls leises Lachen, er witzelt:"Hattest du dann auch ein Äffchen gehabt?" Nun muss Jenny auch lachen, Pauls Lachen kann einem wirklich anstecken, „Wie toll ist er denn? Der PERFEKTE Mann!" denkt Jenny und als sie spürt, dass Paul sich aus der Umarmung löst, blickt er in ihr trauriges Gesicht. „Meine Mutter wollte kein Äffchen im Haus haben, heute verstehe ich, wieso. Das konnte ich damals nicht verstehen." „Deswegen weinst du? Du könntest doch das Pferd haben", ist Paul ein wenig erstaunt und wischt mit seinem Daumen ihre Träne weg. „Nein, nicht deswegen", sagt Jenny, „weisst du, das Buch reisst alte Wunden auf und so gerne ich die Geschichte liebe, habe ich sie auch nie wieder angehört oder gelesen." Dann fällt Paul ein, dass im Reistopf das Wasser längst aufgezogen ist, rennt Paul zum Herd und rettet den Topf mit dem Reis zur Seite. „Ganz knapp, sonst hätten wir verkohlten Reis gehabt", grinst er und Jenny muss lachen, schon allein der Vorstellung, wie das Essen hinterher ausgesehen hätte. Paul mischt das gedünstete Gemüse unter dem Reis, serviert das Essen auf den Teller und stellt es auf den Küchentisch. So lassen sie sich das Abendessen schmecken und Paul erzählt, dass er damals gerne „Karlsson auf dem Dach" als Geschichte mochte. „Dieser Propeller auf dem Rücken, ich war neidisch auf Karlsson, dass er fliegen konnte", schmunzelt Paul und Jenny liebt es zu hören, wenn Paul aus seiner Kindheit spricht. „Mein Vater hat an einem Schutzschild, den ich auf den Rücken tragen konnte, einen Propeller angebaut." „Ach, und dann konntest du fliegen? Ich kann mir vorstellen, dass du direkt auf die Nase gefallen bist", nun kann Jenny ihr lautes Grinsen nicht mehr zurückhalten, und Paul bewegt seine Lippen tonlos und blinzelt Jenny mit seinen Augen frech an, die weiterhin lachen muss. „Habe ich Recht, wenn du mir keine Antwort gibt?" „Nicht ganz! Ich bin nur auf Knie gefallen, vom Stuhl her ist das passiert und nicht vom Dach!", nun stimmt Paul mit ein in das Lachen, das kein Ende nimmt. Jenny hält sich an ihrem Bauch fest, „ich glaube, ich bekomme Muskelkater. Und deine Schwester Lisa, was mochte sie denn?" Paul muss erstmal einen Schluck Wasser nehmen, nachdem sich das Lachen beruhigt hat und denkt nach bis ihm das Wort einfällt. „Michel aus Lönneberga." Damit hat Jenny nicht gerechnet, dachte sie eher an Märchen. „Lisa hat so lange meine Mutter angebettelt, dass sie einen Michel als Bruder haben wollte. Mann, waren die lustigen Zeiten damals. Und meine Eltern, die waren mit den Nerven fertig, was wir alles haben wollten oder gewünscht haben." Wieder müssen Paul und Jenny herzhaft lachen. Nach einem lustigen und amüsanten Abend zu später Stunden lassen sich die beiden erschöpft ins Bett fallen. Im Laufe des Schlafes wird Jenny unruhig, ihre Gedanken wandern wieder zu dem geheimnisvollen Brief. Mitten in der Nacht kann Jenny es nicht mehr aushalten und beschliesst, den geheimnisvollen Brief zu lesen. Sie schleicht sich aus dem Bett auf Zehenspitze ins Bad, steht vor der Kommode und zögert eine Weile, diese zu öffnen. Die Neugier hat gesiegt und sie um ihren Verstand gebracht. Nun nimmt sie allen Mut zusammen, holt den Brief zwischen den Handtücher heraus und setzt sich an die Kante der Badewanne. Mit klopfenden Herzen und zittriger Händen beginnt sie zu lesen:
„Mein geliebtes Kind Jenny,
wenn Du diesen Brief liest, dann bin ich nicht mehr da. Du bist zwar noch klein, um das zu verstehen, deswegen schreibe ich Dir diesen Brief. Ich kämpfe mit meiner schweren Krankheit, aber die Kraft zum Schreiben habe ich noch. Ich möchte Dir noch so vieles sagen bzw. Dir durchs Leben begleiten, nachdem Eure Mutter gegangen ist. Du hattest als Baby eine schwierige Geburt gehabt, wir waren alle erleichtert, als du auf die Welt kamst. Du hast die meisten Fürsorge gehabt als Patrick. Ich habe mir immer geschworen, gut auf Dich aufzupassen. Nur meine Krankheit hat mir das Weiterleben nicht mehr ermöglicht, Dir in die Zukunft zu begleiten, was Eure Mutter eigentlich tun hätte sollen. Dein Vater wird gut um Euch kümmern, da mache ich mir keine Sorgen. Er ist ja in einer stabilen Familie aufgewachsen und kennt meinen Rat, wenn ich mal nicht mehr da bin, kann er sich in seinen Gedanken vorstellen, was ich ihm geraten hätte, wenn er keinen Ausweg in einer Situation findet. Du wirst später mal zwischen zwei Männern stehen. Jenny, das habe ich schon in Deinen Augen gesehen, als ich Dich als Baby auf den Arm genommen habe und Dich darin in den Schlaf gewiegt habe. Ich fühle mich Dir gegenüber verpflichtet, Dir in den schwierigsten Stunde beizustehen und bitte erschrecke Dich eines Tages nicht, solltest Du mich mal leibhaftig vor Dir stehen sehen. Ich will Dir nichts Böses, im Gegenteil, ich möchte das Beste für Dich und dass Du eine glückliche Zukunft mit einem Mann an Deiner Seite haben wirst, der Dich auch wirklich respektiert und Dir seine wahre Liebe schenkt! Kind, ich werde immer bei Dir sein, in guten wie in schweren Tagen!
Deine über alle geliebte Oma Mia..."
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Mehr als nur Freundschaft?
RomanceGeschichte über Romantik, Freundschaft und Schmerz Dies ist meine erste Fan Fiktion rund um die PAST der Cobra 11 und wie geht es zwischen Jenny und Paul weiter? Sind Gefühle, Schmetterlinge im Bauch da oder doch nur eine Freundschaft zwischen Koll...