Kapitel 138

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Zerbricht die Freundschaft? ...

Mit klopfendem Herzen steht Semir vor der Tür und legt seine Hand auf den Türgriff. Zögernd wartet Semir noch einen kurzen Augenblick, dann drückt er auf die Klinke und betritt das Zimmer. Paul liegt mit einem Verband um den Kopf gebunden im Bett, die Augen geschlossen, Kratzer im Gesicht und seine Atmung scheint sich zu normalisieren. Semir tritt näher an das Bett heran und murmelt leise:"Paul, was machst du für Sachen?" Eine Stille ist es in dem Raum, nur noch das leise Piepen der Herzmaschine ist zu hören. Semir schaut seinen Partner noch voller Mitleid an, Erleichterung steht ihm ins Gesicht geschrieben, dass Paul keine schweren Schäden erlitten hat. Nun wendet sich Semir von Paul ab und geht auf die Tür zu, dreht sich noch einmal um, um zu vergewissern, dass Paul sich vielleicht rührt. Schliesslich verlässt Semir das Krankenzimmer und seufzt draussen auf dem Flur gegen die hinter ihm geschlossene Tür. Just in dem Moment ist Pauls Kopf zur rechten Seite gedreht, zum Fenster herausschauend in den hellen Himmel. Zwar brummt Pauls Schädel noch von dem Aufprall, er nimmt Semirs Stimme wahr und ihm kullert eine Träne die Wange empor. Zu tief sitzt der Schock über den angeblichen Partnerwechsel.

Nach anfänglichem Zögern erzählt Jenny James die Kurzversion ihrer Gefühle für die zwei Männer in Deutschland. James hört ihr zu und Jenny redet sich immer mehr leichter von den Problemen und merkt, dass es ihrer Seele etwas besser geht. Sie hat sich einem, noch nicht sehr gut kennender Person, eine Sache anvertraut, in der es um die Liebe, Gefühle und Freundschaft geht. James schaut zufällig auf die Uhr an seinem Armgelenk und stellt mit einem „Ups!" fest, dass die Mittagspause gleich vorüber ist. „Wir müssen langsam wieder zurück, Nick mag es nicht, wenn man zu spät kommt." „Ok, dann wollen wir mal langsam zurückgehen. Danke, dass du mir zugehört hast!", lächelt Jenny in die Sonne. Jenny hat eine brennende Frage an James. „Hast du denn sowas schon mal erlebt, dass du dich zwischen zwei Frauen entscheiden musst?" James kann sich vorstellen, wie das Gefühl in einem aussieht, für welchen man sich entscheiden muss. „Nein, das habe ich noch nie erlebt. Aber ich kenne jemanden, der das erlebt hat. Vielleicht kann die Person dir da den entscheidenden Hinweis geben." Jenny schaut zu James mit hochgezogenen Augenbraunen, „ach, bitte keine Kristallkugel!" „Wie kommst du darauf? Löst ihr in Germany so eure Entscheidungen mit einer Kristallkugel?" Beide müssen lachen und James bleibt stehen, Jenny geht noch einige Schritte weiter, merkt, dass James nicht neben ihr geht und sie dreht sich um. „Weisst du was?", zeigt James mit dem Zeigefinger in die Ferne des Hudson Rivers, „pack dir für morgen Abend eine kleine Tasche mit Übernachtungssachen ein. Wir fahren mit der Fähre rüber zum Staten Island." Jenny folgt neugierig den gezeigten Finger von James und wundert sich, was es damit mit dem Fluss auf sich hat. „Ich sehe nur Wasser, ein klarer Himmel und Sonnenschein." „Warte es ab bis morgen, ich muss nur noch was klären. Aber ich denke, das geht in Ordnung." Nun wirft James noch einmal einen Blick auf seine Armbanduhr, „gleich wird es ungemütlich, wenn wir zu spät kommen!" Die letzten Meter auf dem Battery Parc legen die beiden in Laufschritten zurück und erreichen noch keuchend den Fahrstuhl in dem Erdgeschoss, der sie zur gewünschten Etage bringt.

Wie versprochen ist Semir nach dem kurzen Krankenbesuch wieder auf der PAST. Die Krüger bittet um ein Gespräch in ihrem Büro, Susanne möchte wissen, wie der Gesundheitsstand von Paul ist und ist erfreut zu hören, dass es ihm bis auf einige Kratzer im Gesicht und einer Platzwunde an der Schläfe gut geht. „Ich denke, er wird für den Rest der Woche ausfallen", sagt Semir und als er Finn sieht, der gerade seinen Schreibtisch verlässt, geht er auf ihn zu. „Bartels, Sie haben bestimmt gehört, was mit Paul passiert ist?" „Ja", nickt Finn, „wie geht es ihm?" „Sein Zustand ist stabil. Würden Sie vielleicht Paul solange vertreten, bis er wieder gesund ist?" Unglaublich, was er da gerade gehört hat, nickt er voller Freude. „Gut, aber erwarte nicht zuviel davon! Paul bleibt mein Partner, damit das auch klar ist." „Selbstverständlich!" Semir klopft Finn noch auf die Schulter bevor Semir sich auf den Weg zum Büro der Krüger macht. Mit einem breiten Lächeln im Gesicht verabschiedet sich Finn von Susanne in den Feierabend und diese schmunzelt. Sie bekommt eine Nachricht von Markus, der sympathischen Rechtsanwalt, und beide verabreden sich für den morgigen Abend. Ebenfalls mit einem breiten Lächeln verlässt die Sekretärin das Revier Richtung Feierabend. Kim bittet Semir auf einem der Stühle ihr gegenüber Platz zu nehmen und eröffnet das Gespräch. „Soweit habe ich den Bericht von der Spurensicherung bekommen und Renner hat seinen Dienstwagen nicht freiwillig geschrottet. Ihm wird ein neuer Dienstwagen zugestellt. Das Fahrzeug mit den drei maskierten Personen ist immer noch auf der Flucht. Die Fahndung läuft und bleiben Sie dran!" Semir schüttelt nur den Kopf und ihm kommt das Gespräch, wo Alex sagte, er würde gerne wieder sein Partner werden, heute früh hier im Raum in seinen Ohren. „Chefin, hat Brandt das ernsthaft gemeint, dass er wieder zurück zur Autobahnpolizei möchte?" „Sieht so aus, ich selbst war auch überrascht, aber bevor Renner nicht hier ist, entscheide ich nichts ohne seinen Willen." „Wenn ich ehrlich bin, hat mich das für eine kurze Zeit geehrt, dass Alex an unsere alte Zeiten anknüpfen möchte, aber ich sehe keinen Grund, Paul gegen Alex zu tauschen. Bis mein Partner wieder seinen Dienst antreten kann, habe ich Bartels als vorübergehende Vertretung gefragt und dieser hat zugestimmt." „Gut, das wäre dann geklärt." Der Abend naht. Zuhause bei den Gerkhans erzählt Semir seiner Frau, was heute im Laufe des Tages vorgefallen ist und diese reagiert auch überrascht, dass Alex zurück zur PAST möchte. „Hoffentlich hat das nicht mit Jenny zu tun", ist Andrea skeptisch und nun kommt Semir auch ins Grübeln. „Was ist, wenn es nicht wegen unserer Zeit damals war, sondern um Jenny wieder für sich zu gewinnen?" umschleicht Semir ein ungutes Gefühl. „Und ich stehe zwischen Paul und Alex, das tut keiner Freundschaft gut." „Eben", macht Andrea ihrem Mann klar, „schaffe Klarheit bevor es zum Ende der Freundschaft kommt." „Ja, da hast du Recht. Ich besuche Paul morgen im Krankenhaus." „Von mir aus kann Paul die nächsten Tagen hier bei uns bleiben", bietet Andrea an. Im Wohnzimmer haben Ayda und Lilly mitbekommen, dass Paul einen Arbeitsunfall hatte und beide scheinen erfreut zu sein, sollte Paul hier seine Genesung abhalten, dann würden die beiden gerne wieder Krankenschwestern spielen. „Haben wir die Zeitungsmütze mit dem roten Kreuz noch?", fragt Lilly und Ayda antwortet:"Irgendwo oben in der Schreibtischschublade."

Am nächsten Morgen vor dem Arbeitsbeginn stattet Semir Paul einen Besuch im Krankenhaus ab. An der Tür, die zu Pauls Krankenzimmer führt, klopft Semir an und hört ein „Ja, bitte!" Schwunghaft öffnet Semir die Tür und erfreut sich, seinen Partner wach und wohlauf zu sehen. „Guten Morgen, Paul! Wie geht es dir?" Jedoch Paul scheint sich nicht zu freuen, er verdreht die Augen und mürrisch sagt er:"Du? Was willst du hier?" Erschrocken über den Angriff seines Partners, kommt Semir ihm näher und lehnt seine rechte Hand über den Holster mit der Waffe. Verdutzt schaut er auf den liegenden Paul. „Was ist los mit dir? Was bist du denn schlecht drauf?" „Ach, komm, tu doch nicht so scheinheilig!" Paul fasst sich einen kurzen Moment an seiner Schläfe, die zu pochen beginnt. Es kommt zu einem Streit zwischen den beiden. „Würdest du mir bitte mal sagen, was dein Problem ist?", wird Semir auch langsam laut. „Problem? Ich? Wenn du ein Problem mit mir hast, warum kommst du nicht damit zu mir?" „Äh...ich verstehe nicht", wedelt Semir mit seiner Hand, in dem Moment klingelt sein Handy. Er schaut von Paul auf das Display und nimmt das Gespräch an. „Chefin? Was gibt es?" Semir wirft einen kurzen Blick zu Paul, der verärgert aussieht und kehrt ihm kurz den Rücken zu und führt ein kurzer Smalltalk mit der Krüger. „Es gibt neue Hinweisen nach dem Fahrzeug mit den geflüchteten Personen", teilt Semir nach dem Gespräch Paul mit, der nur die Schultern zuckt. „Paul, rede mit mir! Ich bin dein Partner und Freund!" Nun richtet sich Paul auf und mit kalter Miene und zusammengepressten Lippen stellt er Semir die Frage:"Das nennst du Freundschaft? Hör auf, mir was vorzumachen!" Nun versteht Semir die Welt nicht mehr...    

Mehr als nur Freundschaft?Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt