Kapitel 110

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Dunkle Wolken am Himmel...

Der restlichen Tag verläuft auf der Polizeiwache recht ruhig, dennoch vermissen Semir und Paul das Action auf der Autobahn mit wilden Verfolgungsjagden und machen sich spontan auf Streife. Auch wenn nichts los sei, Hauptsache Berichte schreiben ist gerade erledigt worden! Einfach entspannt und zurückgelehnt in den Sitzen im silbernen BMW schauen Semir und Paul dem bunten Treiben der Autos zu, die vor ihnen fahren oder an ihnen überholen. „Ich freue mich aufs Sommerfest", sagt Semir, dem die Stille zu tödlich vorkommt. „Bier und Grillen, Musik und Unterhaltung, was will man mehr an dem Tag?" „Du bist schon in Feierlaune, was?", grinst Paul und schaut Semir an, der sein Lächeln breit aufsetzt. „Du nicht?" „Doch", gibt sein Partner ihm lustlos als kurze Antwort. „Paul, ist irgendwas los?" Paul seufzt, schaut an der Beifahrerseite aus dem Fenster, „Semir kann es einfach nicht lassen, er hat ein Gespür, wenn mit einem was nicht stimmt.", kreist es in seinen Gedanken, als er von einem erneuten, aber etwas lauter Paul-Ruf zurück in die Wirklichkeit geholt wird. „Was soll los sein?" „Weiss ich nicht, sag du es mir!", lenkt Semir gerade zum Überholen an und wirft einen schnellen Blick zu Paul, der mit seinen Lippen ein schiefes Gesichtsausdruck hinterlässt. Als sein Partner immer noch nichts sagt, bringt Semir es dann selbst zur Sprache:"Du, Andrea meinte, Jenny sah irgendwie bedrückt aus, als sie dich gestern Abend bei uns abgeholt hat. Ist da was dran?" „Jetzt bist du aber wirklich neugierig, Semir!" „Äh...? Ich dachte, wir sind Freunde und vertrauen uns?" Paul nickt ein und denkt:"Semir hat Recht, mit wem soll ich sonst reden?" Paul beschliesst, nicht den ganzen Inhalt zu erzählen, sondern nur die ganz kurze Version. „Jenny hat letzte Nacht einen merkwürdigen Traum gehabt. Hat irgendwas von einer alten Dame gesagt", erzählt Paul. „Ach, davon habe ich schon gehört, ist aber nichts Wahres dran, oder?", lächelt Semir und Paul schaut ihn verwundert an. „Na, Lilly hat mir davon erzählt. Sie war so stolz, einer alten Dame behilflich zu sein mit dem Apfel." Dann fällt Paul ein, dass er den Apfel immer noch in seiner blauen Jacke hat und holt diesen heraus und beisst genüsslich hinein. „Du bist doch glücklich mit Jenny?" „Wieso? Klar, bin ich das!" „Hat die alte Frau nicht was über die Liebe gedeutet? Lilly sagte sowas in der Art." „Ich will nur schwer hoffen, dass nichts dran ist!", hofft Paul innerlich, denn Jenny bedeutet ihm alles, und sie darunter leiden zu sehen, das macht ihn zu schaffen. „Es ist aber kein böses Omen, so wie Andrea die Erzählungen von Lilly deutet, oder?" Semir schaut Paul an ohne auf die Fahrbahn zu konzentrieren bis Paul plötzlich aufschreit:"Semir, pass auf! Brems doch, Mann!" Semirs Augen gleiten wieder auf die Fahrbahn, er bremst scharf und die Reifen quietschen, hinterlassen eine kleine schwarze Rauchwolke und hinter einem LKW mit polnischen Kennzeichen kommt der BMW zum Stillstand. „Was ist denn los?", ärgert sich Semir, als auf einmal auf der Autobahn ruhig ist. „Stau", sagt Paul, „hast du die Warnblinker der anderen Autos nicht gesehen, oder was?"„Ja...nein...ach egal!" „Nix egal, was meinst du, was die Krüger sagt, wenn sie erfährt, dass dein Dienstwagen geschrottet wird und das noch vor dem Sommerfest!", nun ist Paul richtig auf 180. „Wegen dem Dienstwagen machst du dir Sorgen, dass du schlecht drauf bist?", völlig verdutzt fragt Semir Paul, und dieser steigt prompt aus und lässt die Tür zuknallen. „Paul, PAUL!", ruft Semir seinem Partner hinterher, aber ihm scheint dies nicht zu kümmern. „Na toll, das fängt ja gut an!", seufzt Semir und da es auf der Autobahn nicht weitergeht, steigt Semir ebenfalls aus, und geht um den BMW auf Paul zu. „Was ist los?" Semir packt seine Hände an Pauls Schultern und seine eindringlichen Blicken bewegen ihn zu einem Gespräch. „Jenny macht sich Sorgen um die Liebe, ihr scheint das Thema schwer zu beschäftigen, da es sich um die alte Dame ihre Oma handelt." „Wie, ich verstehe nicht ganz?" „Die alte Dame im Supermarkt war ihre Oma, die ist aber schon vielen Jahren tot. Und diese prophezeit ihr stürmische Zeiten entgegen. Verrückt, oder?" mit gequältem Lächeln versucht Paul das Positive daraus zu machen, was ihm aber nicht gelingt. „Was hat das mit der Liebe zutun? Wenn ihr euch liebt, dann ist doch alles gut!", steht Semir vor einem Rätsel und Paul zuckt mit den Schultern. „Jenny hat von einer Gestalt geträumt, die ihr nahe gekommen ist, ist aber dann mit einem Schrei aus dem Traum erwacht. Ich habe sie beruhigen müssen. Semir, bitte kein Wort darüber zu Jenny! Nichts, nix, Niete! Ich möchte sie nicht noch mehr mit dem Thema beunruhigen!", bittet Paul seinen Partner um Stillschweigen und dieser stimmt ihm zu:"Klar, du kannst dich auf mich verlassen!" Semir drückt Paul freundschaftlich in seinen Armen und dieser lässt es zu. Es tut Paul gut, mal von einem Freund in die Armen genommen zu werden und ihm zu zeigen, dass man für Freunde da ist, wenn es einem nicht gut geht. Langsam setzt sich Bewegung auf der Autobahn zu und die beiden Kommissare setzen sich wieder in den Dienstwagen und langsam löst sich der Stau auf und der BMW mit Semir am Steuer biegt die Ausfahrt runter und die restliche Fahrt verläuft schweigsam. Im Revier angekommen, wird gerade der Feierabend eingeläutet, die Krüger kommt heran gerauscht und fragt:"Gerkhan, Renner, wo waren Sie denn solange?" „Alles gut, Frau Krüger", wedelt Semir mit seinen Händen, „wir standen im Stau, waren sogar brav und ohne Blaulicht." „Das hätte mir noch gefehlt, wenn wieder ein Dienstwagen zu Schrott wäre! Einen schönen Feierabend!" „Ja, Ihnen auch!" Paul nickt nur mit seinem Kopf und schaut sich um, sieht, dass Jenny gerade am Telefon beschäftigt ist und dann fällt sein Blick auf Finn, der gerade zur Tür hinaus gehen möchte und seine Augen auf das Handy hat. Paul geht auf ihn zu, nimmt ihn kurz zur Seite. „Du triffst dich mit Dana, habe ich Recht?", beginnt Paul das Gespräch und Finn hat das Gefühl, dass er gerade verhört wird. „Verhörst du mich deswegen? Was ist denn so schlimm daran?" „Nichts, alles gut. Aber du weisst, dass Dana die Tochter von Semir ist?" Pauls Blicke zeigen eine kleine Vorwarnung und Finn ist bewusst, worauf er sich einlässt. „Wir treffen uns nur und haben unseren Spass. Dana ist eigentlich nett, wenn sie nicht zickig ist. Keine Sorge, ich date sie nur. Wer sagt denn, dass wir morgen heiraten?", lächelt Finn. Nun muss Paul auch lachen, denn er weiss, wie übervorsorglich Semir in seiner Vaterrolle ist, wenn es um seine Töchter geht. „Gut, aber gehe ehrlich mit Dana um, keine Verletzungen oder Verarsche! Du weisst, wie Semir dann reagiert. Wie eine Löwin um ihre Babys kämpft." Zum Abschied klopft Paul Finn noch herzlich auf die Schulter und wünscht ihm einen schönen Abend, schaut ihm kurz hinterher, wie er zu seinem Auto geht und im Vorbeigehen mit Dana draussen auf dem Parkplatz ein kurzes Gespräch führt und Dana ihm hinterher winkt. Paul merkt nicht, dass Jenny sich zu ihm gestellt hat und erschreckt sich, als er Jennys Stimme neben sich hört. „Läuft da was?" „Keine Ahnung, aber anscheinend mögen sich die beiden und in letzter Zeit treffen sie sich öfters, auch jetzt.", redet Paul, „wollen wir jetzt nach Hause fahren?" „Moment, ich habe eine gute Neuigkeit!", platzt Jenny mit der Nachricht heraus, „gerade hat der Vermieter mich angerufen und gefragt, ob ich schon Ende diesen Monats meine Wohnung an die neuen Mieter übergeben möchte. Ich bekomme von den Mietern eine faire Bezahlung für die restlichen Möbel über den Vermieter ausgehändigt." „Das ist ja toll, das muss gefeiert werden!", freut sich Paul, der nun mit der Liebe seines Lebens den Weg in die gemeinsame Zukunft gehen wird. „Haben wir Sekt Zuhause?", fragt Jenny, die mit einem Glas Sekt auf die gute Nachricht mit Paul anstossen möchte. „Geht das auch mit Rotwein?" mustert Paul Jenny an und diese schüttelt den Kopf:"Das ist nicht das Gleiche. Bei mir in der Wohnung ist noch eine Flasche Sekt, den holen wir uns jetzt. Dann kann ich meine letzte Kisten mitnehmen." An der Wohnung von Jenny angekommen, gehen sie in die dritte Etage und holen die restlichen Kartons und die Flasche Sekt. Ein letztes Mal schaut sich Jenny in der Wohnung um, jedes Zimmer verabschiedet sie sich mit einem lachenden und weinenden Auge. „Was hast du in den Kartons gepackt? Sie sind verdammt schwer", prustet Paul beim Hochheben. „Da sind Kinderbücher drin", sagt Jenny und zieht die Wohnungstür ein für alle mal hinter sich zu. In der gemeinsame Wohnung werden die Kartons einfach in den Flur gestellt, die Schuhe ausgezogen und erschöpft lässt sich Paul aufs Sofa fallen, Jenny holt zwei Gläser und lässt den Korkender Sektflasche mit einem lauten Knall öffnen, schenkt ein. Paul nimmt ihr ein Sektglas ab, nun freut sich Jenny sagen zu können:"Auf unseren gemeinsamen Weg in die Zukunft!" ...    

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