Kapitel 139

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Fassungslosigkeit...

Nachdem Semir leicht geschockt über Pauls Satz seinen offenen Mund wieder zuklappt und erstmal runterschlucken muss, dann an Paul gewandt:"BITTE?" „Das fragst du noch? Ich habe das Gefühl, mein Leben zerbricht gerade. Jenny hadert mit der Liebe und du rennst zur Krüger anstatt zuerst mit mir zu reden! Geh doch zu deinem alten Freund!" Semir versucht die Fassung zu bewahren, was ihm schwierig wird. „Ach, komm, was redest du denn da?", muss Semir sich erstmal sortieren, denn er kann Pauls Wut immer noch nicht nachvollziehen. „Ich dachte, du hast die Sache mit Jenny noch rechtzeitig am Flughafen klären können?" Als Paul keine Antwort darauf gibt, redet der kleine Mann weiter. „Und was soll das mit meinem alten Freund? Meinst du Alex?" Nun kocht die Wut in Paul richtig über und er kann es nicht mehr ertragen. Genervt mit rollenden Augen streckt Paul seinen Arm raus und deutet auf die Tür. „Da ist der Ausgang! Lass mich bitte alleine!" Einige Sekunden bleibt Semir starr stehen, hat Paul es ernsthaft gemeint mit dem Rausschmiss aus dem Zimmer? Betroffen geht Semir einige Schritte rückwärts auf die Tür zu, Paul jedoch bleibt mit verschränkten Armen um seinen Brustkorb stur im Bett sitzen und schaut aus dem Fenster ohne seinem Partner einen Blick zu würdigen, stattdessen hört er ein lautes Türzuschlagen. Pauls Augen schliessen sich für einen Moment und beim Öffnen kullern die Tränen an seinen Wangen.

Derweil macht das Seminar Jenny richtig Spass, sie unterstützt das Team mit ihrem Wissen und ist erfreut, dass sie ernst genommen wird und jedes kleinste Details wird in das Puzzle gefügt, das sich nach und nach zu einem grösseren Puzzle gestaltet. Das Team unternimmt einen Sonderausflug zum Central Parc zu den Tatorten, an denen die Frauenleiche gefunden wurden. Vor Ort schauen sie sich unbemerkt um und in der kleinen Gruppe diskutieren sie über weitere Anhaltspunkte. Den Rückweg spazieren sie den Parc entlang bis zu einer Subway Station. Dabei laufen verliebten Pärchen Jenny über den Weg. Für den Moment hat sie wieder das leidige Thema in ihrem Kopf. Dabei hat sie ein ungutes Gefühl und spürt, dass irgendetwas passiert sein muss. Jenny zückt das Handy heraus und schreibt Susanne eine Nachricht, indem sie fragt, ob in Köln alles in Ordnung sei.

Als Semir nun zurück auf dem Revier ist, kommt er mit einem ärgerlichen Blick auf Susanne zu. „Was ist passiert? Geht es Paul nicht gut?", fragt Susanne mit besorgtem Blick. „Oh, dem geht es gut! So wie er drauf ist", lässt Semir seinen Frust aus, „er hat mich aus dem Krankenzimmer rausgeworfen!" „Wie drauf?" „Tja, er stellt unsere Freundschaft plötzlich in Frage. Ich weiss nicht mal, warum? Paul war richtig sauer, meinte, ich hätte ein Problem mit ihm." „Und, hast du?", vorsichtig mit fragendem Blick an Semir gerichtet. „Nein, habe ich nicht. Und dann sein Alleingang, ich verstehe nicht, wo das Problem sein soll?", kratzt sich Semir mit seinen Finger an die Stirn. Langsam kann sich Susanne denken, was der Auslöser sein könnte. „Kann es sein, dass das mit dem Gespräch im Büro der Krüger zu tun hat?", hat Susanne die Vermutung und Semir lacht kurz auf. „Paul war doch nicht dabei..." Die Sekretärin legt die Akten beiseite und erzählt den genauen Ablauf vom Vortag. „Du bist in das Büro gegangen, ich wollte dich noch darauf hinweisen, dass Alex bei der Krüger ist. Paul kam herein, entschuldigte sich, weil er zu spät war. Dann habe ich einen Anruf bekommen und Paul den Einsatz mitgeteilt. Er wollte dich holen, ist aber dann mit einem entsetzten Gesichtsausdruck rausgelaufen. Ich weiss nicht, worum es in dem Gespräch bei der Krüger ging." Langsam spielt sich der Film in Semirs Kopf ab und plötzlich realisiert er, dass Paul 100 Prozent das Gespräch zwischen Alex und ihm mitbekommen hat, sonst würde Paul nicht den Satz mit „Das nennst du Freundschaft?" sagen. „Ach, du scheisse! Paul hat das Gespräch mitbekommen." „Was für ein Gespräch?" „Alex möchte wieder mein Partner werden, darum ging es in dem Gespräch. Mist!" Mit grossen Augen schaut Susanne Semir an. „Was hast du Alex geantwortet?" Mit bangem Blick wartet Susanne die Antwort ab. „Ich habe erst überrascht reagiert, und ihm gesagt, dass ich mich geehrt fühle", schildert Semir in der Reihenfolge. „Was hast du?", fährt die Sekretärin mit der Hand durch die langen Haare. „Aber ich habe Alex dann gesagt, dass ich Paul als Partner habe und es auch eigentlich dabei belassen möchte." „Oh Gott, ich denke mal, Paul hat deine Worte danach nicht mehr mitbekommen, so wütend wie er abgerauscht war", seufzt Susanne. „Das ist wirklich ein grosses Missverständnis! Seit Alex hier aufgetaucht ist, gibt es Probleme eins nach dem anderen!" Fassungslos und entsetzt geht Semir in sein Büro.

Ein Mitteilungston ist zu hören, freudig schaut Susanne auf das Display und ihre Miene verlässt das Lächeln. Sie dachte, die Nachricht wäre von Markus, stattdessen ist sie von Jenny. Susanne beginnt zu Lesen und nun weiss sie nicht, was sie Jenny antworten soll. Susanne möchte nicht, dass sich Jenny Sorgen macht und überlegt nach einer Antwort. Nach reiflicher Überlegung tippt sie in die Nachricht:"Hallo Jenny! Schön, dass es dir dort gefällt. Hier ist alles so wie du die Autobahn und unsere Helden kennst. Paul hat einen Unfall beim Einsatz gehabt, ist aber wieder auf dem Weg der Besserung. Und ich habe nach Feierabend einen Date mit Markus. Der Mann von dem Sommerfest. Ich freue mich darauf! Pass gut auf dich auf und ich umarme dich ganz doll!"

Semir lässt sich niedergeschlagen in seinem Schreibstuhl Revue der letzten 20 Dienstjahre passieren, wie viele Partner er schon an seiner Seite hatte, jeder Partner war vom Charakter her anders, zu einem konnte er sich schnell Vertrauen gewinnen, mit den anderen war es ein holpriger Start in die Partnerschaft. Am Ende ist immer alles gut oder schlecht ausgegangen. Mit dem Kugelschreiber spielend in der Hand starrt Semir gegenüber auf den leeren Stuhl seines Partners, der weisse Baseball liegt still in dem Baseballhandschuh..., das Lachen und die Witze von Paul fehlen in dem stillen Raum..., wenn es ein Einsatz gibt, wie man sich gefreut hat, dass endlich mal was passiert, beide zum Dienstwagen rennen und nicht immer nur reine Routine auf den Autobahnen..., ja sogar Pauls Weibergeschichten damals waren auch das Topthema gewesen, seit er in Jenny die Liebe seines Lebens gefunden hatte, hält er die meiste intimste Details für sich. Nun schaut Semir von dem leeren Stuhl auf das gerahmte Bild, das auf seinem Schreibtisch neben den Familienbildern steht. Darauf sind Paul und Semir zu sehen, wie sie sich umarmen und lachend mit den Daumen hoch zeigen. Susanne möchte zu Semir ins Büro gehen, kurz vor der Tür beobachtet sie, wie Semir sich nachdenklich auf den Bilderrahmen starrt. Sie geht unbemerkt wieder zurück und beauftragt stattdessen Finn. „Ist das nicht Gerkhans Aufgabe?", ist Finn überrascht, als Susanne vor ihm steht. „Es geht ihm nicht gut", deutet sie mit dem Kopf Richtung Büro und durch die Glasscheibe kann Finn sehen, dass Semir stillschweigend vor dem schwarzen Monitor sitzt. „Ah, ich verstehe. Ok, dann mache ich das." „Danke!", klopft Susanne Finn noch schnell auf die Schulter, und Finn geht mit den Notizen in den Verhörraum und stellt den festgenommenen Mann Fragen. Dank der Hilfe von den Kollegen der Polizeiwache sind die drei geflüchteten Männer mitsamt Fluchtfahrzeug ausfindig gemacht worden und nun wird der erste der drei Männer verhört. In dem anderen Raum stehen die Chefin und Susanne und verfolgen das Verhör durch eine verdeckte Spiegelscheibe. „Bartels macht das gut", stellt Susanne fest und Kim nickt ihr zu. „Wird langsam Zeit, dass Bartels verantwortungsvollere Aufgaben bekommt", ist sich die Krüger einig und verschränkt ihre Armen um ihre Brust.

An der Subway Station trennen sich die Arbeitswege für alle Kollegen des FBIs. Im Appartement duscht Jenny schnell und legt sich auf das Bett, liest die eingehenden Nachrichten, unter anderem von Susanne und Alex. „Diesen ganzen Wirrwarr mit Paul und Alex tut meinem Herzen nicht gut. Ich weiss nicht mehr, wo oben und unten ist...", denkt sie und kramt den Bilderrahmen aus dem Rucksack heraus, schaut auf das Bild, „ich muss langsam eine Entscheidung treffen." Kräftig seufzt Jenny durch die Nase, rechnet nach, wie spät es zum jetzigen Zeitpunkt in Deutschland ist und wagt nun einen Anruf...    

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