Kapitel 113

251 15 4
                                    


Der Schock...

Nun stürzen bei Jenny die Tränen wie ein Wasserfall aus den Augen, ein Anblick des Elends. Sie klammert den Brief fest an sich, ihr Herz pocht schnell, japsend nach Luft holend, flüstert sie leise:"Oma, was möchtest du mir damit sagen? Oma, OMA?" Jenny rutscht von der Kante mit dem Rücken gelehnt herab auf den kalten Boden und weint hemmungslos. Schockiert über den Inhalt des Briefes, kauert sich Jenny mit zusammengezogenen Beinen auf dem kalten Boden, ihr Gesicht ist schon von den viele Tränen ganz nass geworden. Den Brief von Mia hat sie von sich weggeworfen, durch das Flattern in die Luft landet der Brief vor der Kommode auf der Rückseite. Sie schenkt dem Papier keine weitere Beachtung und kauert mit geschlossenen Augen in sich hinein. Nach einer Weile wird ihr Wimmern weniger und sie spürt ein Unwohlsein in ihrem Magen, das sich nicht mehr beruhigen lässt. Sie schafft es noch rechtzeitig aufzurichten und erreicht auf Knien die Toilette, prompt muss sie sich schon übergeben. Hinterher kümmert sie sich um die Hygiene und an sich selbst, dabei fällt ihr Blick auf das weisse Blatt Papier, das vor der Kommode liegt. Im Spiegelbild schaut sie sich selbst an und was sie vor sich sieht, das lässt ihr einen Schauer durch den Rücken laufen. Durch ihre Augen sieht sie das Gesicht von ihrer Oma und dessen Lächeln erscheint wärmefühlend, so als ob die Oma ihr Enkelkind trösten möchte. Jenny geht einen Schritt zurück, ängstlich und benommen schliesst sie die Augen und öffnet diese wieder. Zwar scheint Mia im Spiegelbild nah zu sein, doch ist sie so fern von Jenny entfernt. Vorsichtig geht Jenny wieder auf den Spiegel zu, Mias Gesichtsausdruck verschwindet allmählich und kalter Schweiss klebt an der Stirn von Jenny. Sie wischt mit kaltem Wasser über ihr Gesicht, und hofft, sie habe das eben nur eingebildet. Trocknet sich ab und nachdem sie das Handtuch aufgehängt hat, hebt sie den Brief auf, faltet es hektisch zusammen. Sie überlegt fieberhaft, wohin mit dem Papier, dabei kommt ihr nur ein Gedanke, zurück dahin, wo es herkam. Mit zittrigen Händen geht Jenny aus dem Bad und versteckt den Brief zwischen den Zeilen ihres Lieblingsbuches, welches auf der Couch liegt, und steckt diese in den Regal zwischen den anderen Büchern und Schallplatten. Nun muss sie sich kurz setzen und einmal durchatmen. „Soll ich mit Paul darüber reden und ihm den Brief zeigen? Ich möchte ihn nicht unnötig sorgen lassen. Paul tut schon sehr viel für mich", atmet Jenny immer noch schwer, „ist Paul nicht der Richtige für mich? Langsam bekomme ich richtige Angst!" Neben dem Couchtisch steht eine Flasche Mineralwasser, sie nimmt daraus einen kräftigen Schluck. Jenny bemerkt ein leichtes Frösteln an ihrem Körper, sie schleicht sich leise zurück ins Schlafzimmer, wo Paul im Bett ausgestreckt liegt, von alldem nichts mitbekommen hat, seinen ruhigen und tiefen Schlaf hat. Jenny krabbelt sich zu Paul und klammert sich an seinem Body. Ihr Kopf scheint verwirrt zu sein, Mias Worte klingen in ihren Ohren, sie drückt die Augen fest zu und erwacht wieder. Die Wortfetzen wollen einfach nicht aus ihren Gedanken gehen. Mit der Zeit wird Jenny langsam müde, Paul hat währenddessen seinen Arm um Jenny gelegt, sie spürt seine Wärme, die ihr Körper zum Glühen bringt. In seiner warmen Geborgenheit fühlt sich Jenny an seiner Seite beschützt und ihre müden Augen fallen in einen Schlaf. Durch das Klingeln des Weckers werden Jenny und Paul aus dem Schlaf gerissen, Paul brummt und tastet nach dem Wecker, der fünf Minuten Sendepause hat. Dabei kuschelt er sich an Jenny und muss an ihrem Haaransatz, welches es an seiner Nase kitzelt, niesen. „Mhm...guten Morgen!", mit freudiger Stimme küsst Paul Jenny auf die Lippen und die fünf Minuten Sendepause sind vorbei. „Immer, wenn es am Schönsten ist!", meckert Paul und stellt den Wecker stumm. Jenny zieht Paul zu sich herunter und beide versinken in einen innigen Kuss. „Dir auch einen schönen Morgen!", lässt sich Jenny ihre Traurigkeit und Angst der letzten Nacht nicht anmerken.

Auf dem Weg zur PAST bewölkt sich der Himmel ein wenig dunkel, was immer dunkler wird und ein heftiger Regen prasselt herab. Paul, der am Steuer des Mercedes sitzt, die Wischscheiben schnell auf und ab gehen, konzentriert sich auf den Verkehr, da der heftigen Regenfall die Sicht auf die Strasse behindert und die Autofahrer vor und hinter ihm in langsame Schrittgeschwindigkeit weiterfahren. An einer Ampel anhaltend streichelt Paul mit seiner Hand auf die Oberschenkel von Jenny und erzählt freudig, dass sein guter Freund Louis aus der Polizeischule demnächst Vaterfreuden erlebt. „Das ist schön, ich freue mich für ihn!", sagt Jenny im normalen Ton. „Ja, seit er ein neues Spenderherz und Katharina hat, ist Louis aufgeblüht, glücklicher als vorher", stellt Paul fest, als er letztes Mal in Hamburg bei seinem Freund zu Besuch war. „Ich muss mal wieder mit Laura treffen, ich habe so lange nicht mehr mit ihr gelacht und geredet ausser zwischendurch WhatsApp schreiben", wird Jenny ein wenig melancholisch. „Ja, mach das mal. Ich würde deine Freundin gerne mal kennenlernen. Obwohl, wieso lädst du Laura nicht zum Sommerfest ein?" „Paul, deine Idee ist genial! Wieso bin ich da nicht selbst drauf gekommen?" Jenny holt ihr Handy aus der Jackentasche und beginnt Laura eine Nachricht zu schreiben. Die Ampel geht auf Grün und der Mercedes nimmt die Fahrt weiter auf. Auf dem Revier angekommen, hat der Regen nachgelassen und die Sonne kommt hinter den Wolken zum Vorschein her. Paul und Jenny steigen aus dem Dienstwagen, begrüssen Semir, der nach den beiden mit dem BMW auf den Parkplatz vorfährt. Ein paar Minuten später erscheint am Himmel ein schöner Regenbogen, der kräftige Farben ausstrahlt, so voller Leben. Jenny schaut verzaubert den Regenbogen an. „Vielleicht stimmt es, dass die Natur den Menschen manchmal ein Zeichen schickt", denkt Jenny in stillen Gedanken, während Paul sein Partner mit einem Morgengruss empfängt. Die beiden Kommissare schauen ebenfalls zum Regenbogen auf und lächeln. Und das Zeichen des Regenbogens könnte bedeuten: Man darf nicht vergessen, dass auf Verzweiflung wieder Freude und Glück folgen. Doch gleich darauf verblasst der Regenbogen und wieder fängt es zu regnen an. Jenny wird klar, dass Freude und Glück manchmal nur eine Illusion sind. „Ach, wirklich ein Sauwetter!", flucht Semir und Paul stimmt ihm zu. „Hoffentlich wird das Wetter am Samstag perfekt!" „Ja, das Wetter soll schön sein. Grillen und zur Musik tanzen im Regen, wie soll das gehen?", schüttelt Semir ungläubig den Kopf. Paul schmunzelt zu der Vorstellung, steckt seine Hände in die Hosentasche, mit Jenny an seiner Seite gehen beide neben Semir zur Eingang des Polizeireviers. Susanne kommt auf die Drei zu, sie möchte den Herren nur eine Mitteilung geben. Semir stöhnt laut auf, er habe sich auf eine ruhige Schicht gefreut bei dem schlechten Wetter und Paul blickt durch das Fenster, welches immer noch den starken Regen zeigt:"Bei dem Wetter würde ich keinen Hund vor die Tür stellen!" Susanne zuckt nur mit den Schultern und kann sich ein Lachen nicht verkneifen. „Ähm, was ist denn jetzt daran lustig?", findet Paul das Gelächter komisch, nachdem Jenny mit lacht. „Ihr seid doch nicht wasserscheu, oder? Ich wollte euch nur mitteilen, dass diese Akten bis nächste Woche bei der Krüger abgegeben werden soll. Die Chefin ist gerade ausser Haus, wird aber vor nachmittags nicht erreichbar sein." Die Sekretärin streckt ihren Hals raus und ihr Kopf zeigt in die Richtung, wo sich im Büro von Semir und Paul auf deren Schreibtische einen Berg von Akten zu sehen ist. „WAS?", sieht Semir, der mit entsetzten Augen auf die Akten sieht, „ähm, wo kommt das auf einmal her?" „Die wurden aus dem Archiv aussortiert und muss überarbeitet werden", versucht Susanne Semir schonend beizubringen. „Kann das nicht irgendjemand machen? Heute habe ich keinen Nerv dafür! Paul, wir fahren Streife!", will Semir gerade zur Ausgang gehen. „Nichts lieber als das!", freut sich Paul und sprintet seinem Partner hinterher. „Wenn nicht heute, dann eben morgen oder nächste Woche", lächelt Susanne den beiden hinterher und wirft einen Blick zu Jenny, die gerade ihre Nase rüffelt. „Was riecht hier so komisch?" „Was meinst du? Ich rieche nichts", atmet Susanne angestrengt nach den Gerüchen, kann aber nichts riechen. „Doch, irgendwas stinkt!", ist sich Jenny sicher, geht um die Schreibtische herum und wird fündig. Susanne folgt Jenny und dreht sie zu sich um, schaut sie in die Augen und fragt sie direkt ins Gesicht, „kann es sein, dass du schwanger bist?" Jenny glaubt ihre Ohren nicht zu trauen, lacht kurz auf. „WIE? Was bin ich? Ganz sicher nicht! Hatte doch letztes Mal meine Menstruation gehabt!", schüttelt sie verwirrend den Kopf...    

Mehr als nur Freundschaft?Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt