Teil 22

97 8 4
                                    

Lola

Umberto scheint genauso nervös zu sein wie ich. Jedoch gibt er sich Mühe und hält mir sogar die Tür auf.

Er hat ein kleines Restaurant ausgesucht. Es liegt in einer Seitengasse und sieht urig aber gemütlich aus. Er wird dort herzlich gegrüßt. "Ciao Umberto. Was für eine Schönheit hast du denn mitgebracht?" Ruft ihm ein älterer Herr mit grauen Haaren, leichtem Bauchansatz und einem einladenden Lächeln entgegen. Umberto lacht ebenfalls und begrüßt ihn mit einer Umarmung. "Ciao Onkel. Das ist Lola. Sie kommt aus Spanien." Stellt er mich vor und ich werde direkt in eine Umarmung gezogen.

Normalerweise ist mir so enger Körperkontakt unangenehm, denn dann kann man meine Rundungen fühlen. Aber dieser Mann ist irgendwie so herzlich, dass es mich nicht stört. Er geleitet uns zu einem Tisch in einer Nische, die bereits schön eingedeckt ist. Auf dem Tisch stehen Kerzen und ein Strauß Rosen. Dazu passende Servietten. "Wao. Das sieht wirklich nett aus." Sage ich begeistert, was Umberto's Onkel breit grinsen lässt. "Möchtet ihr einen Rotwein? Ich habe einen leckeren Merlot aus einem befreundeten Weingut." Schlägt er vor. Umberto schaut mich an und wartet auf meine Entscheidung. "Ja sehe gerne. Das klingt toll." Erwidere ich schüchtern. "Bin gleich zurück." Zwinkert er mir zu.

Als ich Umberto anschaue, lächelt er schüchtern. "Du hast ihn schon um den Finger gewickelt. Er bietet nicht jedem den Merlot an." Grinst er breit. Verlegen schaue ich auf den Tisch. So viel Freundlichkeit und Komplimente kenne ich gar nicht. Umberto erzählt, dass das Restaurant bereits in der dritten Generation geführt wird und sein Cousin in der Küche der Nachfolger ist. "Lass dich überraschen. Das Essen ist echt der Wahnsinn. Ich habe mit erlaubt im Vorfeld bereits ein Menü zu bestellen." Erklärt er mir und sieht mir offen in die Augen. Er ist wirklich nett und aufmerksam. Das hätte ich nicht gedacht. Völlig überwältigt kann ich nur nicken. Doch das unangenehme Gefühl im Bauch bleibt. Trotz der Nische, wo wir sitzen, sehen uns die anderen Gäste. Gleich werden sie uns beobachten, wie wir Essen. Wie die Dicke sich dass Essen in den Mund schiebt, um noch dicker zu werden. Das sind die Wörter, mit denen ich groß geworden bin. Bei jedem Essen mit meiner Familie haben meine Brüder mir die Worte ins Gesicht gespuckt. Warum habe ich mich auf dieses Essen überhaupt eingelassen. Weil du Luca damit treffen wolltest, säuselt meine innere Stimme. Scheiße. Schnell versuche ich mich wieder zu sammeln.

Mit Brot und Wein kommt Umberto's Onkel zurück an den Tisch. Er schenkt mir einen Schluck Wein ein und wartet, dass ich probiere. "Es tut mir leid. Ich habe keine Ahnung von Wein." Gebe ich offen zu. Umberto legt seine Hand auf meine. "Das musst du auch nicht. Nimm einen Schluck und lass ihn kurz auf der Zunge ruhen." Schlägt er vor. Und das mache ich. Während die beiden Männer mich beobachten, nehme ich einen kleinen Schluck. "Wao. Der schmeckt wirklich toll." Gestehe ich und lächel beide an. Das scheint ihnen zu reichen und sie lachen ebenfalls. Nach kurzer Zeit kommt unsere Vorspeise. Es sind Arancine, kleine frittierte Reisbällchen, die mit Fleischsauce, Erbsen und Caciocavallokäse gefüllt sind. Zögerlich nehme ich einen Bissen. "Wao. Der Wahnsinn. Sagen Sie bitte ihrem Sohn, dass das mega lecker ist." Wende ich mich an den Onkel und zwinge mich zu einem Lächeln. "Bitte, nenn mich Roberto, Bella." Schmunzelt er. Bella... Wao so hat mich noch keiner genannt. Als Hauptspeise kommt Pasta alla Norma mit einer frisch gefangenen Dorade. "Das ist eine Pasta mit Auberginen und Pecorino." Erklärt mir Umberto. Und ich muss leider gestehen, es ist himmlisch. Ich kann nicht anders als einige Löffel voll zu essen. Umberto erzählt viel von seiner Familie, sodass ich die anderen anwesenden Menschen ausblenden kann. Sie scheint groß und nett zu sein. Als mein Gedanke wieder zu meiner Familie geht, würde ich diese am liebsten verleugnen. Gerade als Umberto nach meine Familie fragt, kommt Roberto mit einem Nachtisch. Oh nein. Noch mehr Kalorien. Ein Tablett voller Cannoli mit den herrlichsten Füllungen. Etwas gehemmt, traue ich mich zunächst gar nicht diese Süßspeise zu probieren. Doch Umberto hält mir eine mit Ricotta, Pistazien und Schokolade gefüllt an den Mund. "Die musst du probieren. Meine Lieblingssorte." Lächelt er und beobachtet mich, wie ich zögerlich in dieses Süßigkeit hineinbeiße. Ich spüre seinen Blick auf meinen Lippen. Ob er denkt, dass ich davon lieber nicht zu viel essen sollte? Oder, ob er mich küssen will? Hier in diesem Gastraum zwischen anderen Gästen wäre es mir irgendwie unangenehm.

Daher lenke ich schnell ab, nehme ebenfalls eine weitere Cannoli und halte sie ihm hin. Er nimmt sofort einen großen Bissen und kurz streift seine Lippe meinen Daumen. Es ist nicht unangenehm, aber es passiert auch nichts in meinem Körper. Es kribbelt nicht so wie bei Luca, wenn wir uns versehentlich berühren. Scheiße. Was denke ich denn da. Ich sitze mit einem super netten Typen beim Essen und denke an diesen Arsch.

"Möchtest du noch einen Espresso?" Fragt Umberto und ich werde aus meinen Gedanken gerissen. "Ja. Mmh. Gerne." Stammel ich. Wieder lächelt er mich freundlich an. Er ist wirklich so nett, aber es sprühen keine Funken. Was mache ich bloß? Auch die restliche Zeit finden wir eine Menge Gesprächsstoff, so als ob wir schon ewig Freunde wären. Ja Freunde. Mehr wird es wohl nicht. Shit. Ich muss es ihm sagen, bevor er sich Hoffnungen macht.

Während wir zurück zum Auto laufen, überlege ich mir, wie ich das Thema anspreche. Während der Fahrt nach Hause ist es still im Auto. Als wir durch das Eingangstor fahren, grölen seine Kollegen laut. Verdammt unangenehm. "Sorry." Sagt er schnell. Kaum hat er den Wagen vor der Haustür geparkt, dreht er sich zu mir um. "Spuck's aus." Lächelt er offen. Shit. Was mache ich jetzt. "Umberto... Es tut mir wirklich leid...." Beginne ich und finde nicht die passenden Worte. "Es ist Luca oder?" Fragt er gerade heraus und ich zucke zusammen.

Schuldbewusstsein schaue ich auf meine Finger. "Es ist okay. Wirklich. Ich habe eure Blicke heute Abend gesehen. Aber ich dachte, ein Versuch wäre es Wert." Erklärt er mit fester Stimme. "Bitte glaube mir, dass ich dich nicht verarschen oder ausnutzen wollte. Ich finde dich wirklich super nett und lieb... Aber... Mehr fühle ich einfach nicht. Und ich denke das wäre nicht fair, wenn ich dich hinhalten würde." Sage ich gequält. "Hey. Es ist wirklich okay. Aber Onkel Roberto wäre sicher enttäuscht, wenn ich dich nicht mehr mitbringen würde.... Vielleicht einfach als Freunde...." Schlägt er vor. Ich nicke. "Das klingt toll." Erwidere ich und mir fällt ein Stein vom Herzen.

An der Haustür kann ich nicht anders und umarme ihn feste. "Danke für den schönen Abend und es tut mir wirklich leid." Flüstere ich in sein Ohr. Plötzlich reißt uns ein Rums aus der Umarmung. Luca. Er sieht mitgenommen aus und starrt uns an. "Soll ich noch bleiben?" Bietet Umberto an, aber ich winke ab.

"Was machst du hier?" Wende ich mich an Luca, der Umberto böse anstarrt. "Ich passe nur auf, dass der Gute die Finger bei sich lässt." Grinst er blöde. "Ich denke es ist besser wenn du jetzt gehst." Erkläre ich Umberto, der Luca einschüchternd anschaut.

Nachdem die Tür hinter Umberto zugefallen ist, folge ich Luca in die Küche. Er ist vollkommen betrunken. "Was soll das?" Frage ich nun lauter. "Was meinst du?" Entgegnet er mir lallend. "Warum machst du mein Date kaputt?" Will ich wissen. Doch ich schaue ihn nicht an, denn ich habe Angst vor der Antwort.

Mit langsamen Schritten kommt Luca auf mich zu. "Weil er nicht der Richtige ist." Raunt er mit seiner tiefen Stimme, die mir eine Gänsehaut bereitet. Oder ist es eher, weil er mir so nahe ist? Noch immer schaue ich auf meine Füße. Luca hebt mein Kinn an und schaut mir direkt in die Augen. Ich kann seinen Atem auf meinem Gesicht spüren. Er riecht nach Whisky. "Er ist nicht der Richtige." Wiederhole er. "Ach ja? Und wie kommst du darauf?" Funkel ich ihn an. Es macht mich wütend, dass er denkt, er wüsste, wer zu mir passt. Einige Augenblicke schaut er mich einfach nur an. Sein Blick dringt tief in meinem Körper ein und dieses wahnsinnige Kribbeln durchflutet meinen Körper. Dieser verräterische Körper.

Dann geht alles ganz schnell. Luca's Hände streicheln meine Wangen und plötzlich drückt er seine warmen Lippen auf meine. Mein erster Kuss. Kurz versteife ich mich, da Luca mich ziemlich energisch küsst. Da ist keine Zärtlichkeit, sondern Wut. Diese Grobheit und der Gedanke an seine gemeinen Sprüche, rütteln mich wach. Scheiße. Er ist betrunken. Morgen weiß er davon nichts mehr.

Daher schubse ich ihn an den Schultern weg und reflexartig landet meine Hand auf seiner Wange. Es knallt verdammt laut und Luca sieht mich entgeistert an. Ich kann nicht anders, als die Flucht anzutreten. Scheiße.... Was sollte das bloß?

 

Der MafiaprinzWo Geschichten leben. Entdecke jetzt