Kapitel 111

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Erst als Flo in das Zimmer trat und die Tür etwas knarrte machte ich die Augen wieder auf. Er zeigte mir sein schönstes Lächeln, kam näher zu mir und gab mir einen Kuss: „Komm Schatz, wir gehe. Sophia wird bald auf ihr Zimmer gebracht.".
Langsam erhob ich mich vom Stuhl, schweifte noch einmalkurz zu Sophia und ging dann mit Florian zum Auto.

Nach einer stillen Fahrt waren wir endlich zu Hause angekommen. Es war schon Nachmittag und wir waren immer noch halb in Schlafklamotten. Als erstes ging ich ins Bad und spritzte mir kaltes Wasser ins Gesicht, denn die Sache nahm mich wirklich mit. Außerdem wusste ich, dass auch Flo darunter litt, aber er wollte unbedingt für mich da sein und den starken Mann zur Schau stellen. Dafür war ich ihm auch tausendfach dankbar.
Als ich mich dann umgezogen hatte - lediglich einen weiten Pullover und eine bequeme Jogginghose, trottete ich ins Wohnzimmer und legte mich aufs Sofa.
Später kam auch Flo dazu und legte sich neben mich. Ich kuschelte mich sanft an ihn und genoss seine Hand unter meinem Pulli. Noch lange lagen wir einfach so da - ohne Fernsehen, ohne Musik und ohne Gespräche, bis alles aus mir rauskam.
Ich begann zu weinen, weil ich mit meinen Gedanken einfach überfordert war. Flo drückte mich von sich und half mir beim Aufsetzen.
Er starrte mich besorgt an, während er mich im Arm hielt und fragte aufgelöst: „Schatz. Nicht weinen. Was ist denn los?"
Ich konnte ihn nur noch unter Tränen antworten. Es waren total abgehackte Sätze und oft unterbrach durch Schluchzen meine Wörter: „I... Ich bin schuld... Sie.. sie hätte im Krankenhaus bleiben müssen... ich hätte... hätte besser auf sie aufpassen müssen...". Flo versuchte mich zu beruhigen und schaukelte ein wenig mit mir hin und her, wie mit einem Baby, dabei streichelte er mich ununterbrochen am Kopf und rieb meinen Rücken, aber er ließ mich immer weiterreden. „Es...es ist so schrecklich." Als ich mich wieder etwas gefasst hatte, sprach ich deutlicher weiter: „Wenn sie gestorben wäre, dann hätte ich das auch nicht überlebt. Ich... ich bin doch ihre Mutter. Sie... sie gehört doch zu uns! Wir sind doch eine Familie."
Traurig schaute ich nach oben in Flo's Gesicht und sah wie auch ihm einige Tränen über die Wange kullerten. Das hatte ich noch nie erlebt, Flo weinte, vor meinen Augen. Das war eine total neue Situation. Ich fühlte mich noch geborgener bei ihm und jetzt war ich an der Reihe, für ihn da zu sein: „Schatz, du darfst auch nicht weinen. Wir schaffen das alle gemeinsam. Ja? Bitte hör auf zu weinen." Jetzt strich ich ihm die Tränen weg und umarmte ihn noch fester. Dabei begann auch ich wieder zu schluchzen und gemeinsam lagen wir uns noch Ewigkeiten in den Armen.
Irgendwann fühlte ich mich einfach nur noch erschöpft und wollte nicht mehr aufstehen, doch Flo rappelte sich auf und ging in die Küche. Von dort aus rief er mir zu: „Was möchtest du essen?" Ich hatte absolut keinen Hunger und erwiderte: „Nichts, ich habe keinen Hunger!"

Kurz darauf kam Flo mit einem Tablett in seinen Händen zu mir und kniete sich neben die Couch. Er stellte das Tablett auf den Stubentisch und nahm einen Keks herunter: „Mäuschen, du musst etwas essen. Hier deine Lieblingskekse - sogar mit Schokoladenfüllung."

Letztendlich aß ich dann doch den Keks und einen Apfel. Ich war total fertig und erschöpft.
Flo machte den Fernseher an, um uns ein bisschen abzulenken. Ich rief noch kurz meine Eltern an und erkundigte mich nach Felix.
Neben mir machte sich Flo wieder auf dem Sofa breit und kuschelte sich an mich. Er schaute einen Film, doch ich achtete gar nicht darauf. Meine Gedanken waren bei Sophia - am liebsten wäre ich bei ihr geblieben, doch der Arzt hatte Recht, wir alle brauchten unsere Ruhe. Auf einmal klingelte Flo's Handy und ich wurde aus meinen Gedanken gerissen.

Er schaute kurz auf das Display und verließ dann den Raum. Ich blieb auf dem Sofa liegen, machte aber den Fernseher leise, damit ich verstehen konnte wer es war, doch leider war es zu leise.

Als mein Schatz wieder herein kam sah er sehr bedrückt aus. Ich wusste sofort, was los war. Ein Anruf aus dem Krankenhaus...

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