Kapitel 110

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Sie sah aus wie ein Engel. Ein kleiner, zarter Engel, total zerbrechlich und trotzdem so wunderschön. Immer fester drückte ich an ihrer Hand und musterte alle Geräte und Schläuche, an die sie angeschlossen war. Auch der Verband an ihrem Kopf wurde von meinen Augen genau unter die Lupe genommen.
Einige Zeit später kam ein anderer Arzt herein und forderte uns freundlich auf mit ihm vor die Tür zu gehen. Flo stand zuerst auf, hielt mir dann seine Hand hin und gemeinsam folgten wir dem Arzt.

Draußen begann er zu reden: „Ihre Tochter hatte Nachwirkungen vom Sturz. Es ist eine Hirnblutung aufgetreten. Solche Situationen sind immer sehr gefährlich. Sie haben richtig gehandelt, indem sie die Kleine sofort hierher gebracht haben!"
Verwirrt schaute ich zu Flo, der dann anfing zu fragen: „Aber wieso haben sie das nicht eher festgestellt und was ist dann im OP genau passiert und wie geht es weiter?" Er sprach mir aus der Seele, genau diese Fragen hätte ich auch gestellt.
Der Arzt sprach weiter: „So etwas kann man vorher leider nicht erkennen. Wahrscheinlich ist sie nochmals mit dem Kopf leicht gegen etwas gestoßen, dadurch entsteht eine solche Situation. Wir haben bei der OP die Blutung gestoppt und das ist und auch sehr gut gelungen, zum Glück gab es keine Nebenwirkungen und andere Komplikationen. Sie muss jetzt mindestens noch eine Woche hier bleiben, je nachdem wie sich ihr Zustand verändert. Weiteres besprechen wir morgen."

Ich bedankte mich mit einem freundlichen Lächeln, wollte gerade wieder in den Raum treten, da fügte der Arzt noch hinzu: „Sie wird bald aufwachen. Es kann sein, dass sie etwas verwirrt ist und vor allem braucht sie Ruhe. Wir behalten sie auf jedenfall heute noch auf der Intensivstation. Und auch Sie möchte ich bitten, dass Sie nur so lange blieben, bis sie aufwacht. Sophia wird heute eh nur schlafen."
Flo schaute mich an, kam näher zu mir und legte einen Arm um mich. Wir verabschiedeten uns vom Arzt und setzten uns wieder an Sophias Bett. Ich saß direkt neben Flo und lehnte mich an ihn an. Meine Gefühle waren nicht zuzuordnen. Ich saß einfach nur still da, denn es war für mich unmöglich zu begreifen - ich hätte fast meine Tochter verloren, ohne vorherige Anzeichen.

Plötzlich regte sich Sophias Hand. „Flo, sie wacht auf." flüsterte ich leise in seine Richtung. Er schaute erst mich an und dann Sophia. Ganz langsam versuchte sie die Augen zu öffnen. Man bemerkte, dass es ihr sehr schwer fiel, doch als sie es endlich geschafft hatte, schaute sie uns verwirrt und durcheinander an. Sie versuchte zu sprechen, doch so richtig kamen keine Wörter aus ihrem Mund. Behutsam strich ich ihr über die Wange und flüsterte: „Es ist alles gut. Wir sind da.".
Flo schaute glücklich zu mir und fasste an meinen Oberschenkel. Auch er wendete sich zu Sophia und sagte ganz zaghaft: „Ruhig, nicht so viel probieren zu reden.", doch dann kamen ihr tatsächlich einige Worte über die Lippen: „Mama, Papa, wo bin ich?" Wir erklärten ihr die Situation kindgerecht und erzählten ihr ein paar schöne Geschichten, um sie zu beruhigen.

Irgendwann unterbrach mich Flo kurz: „Soll ich das Auto zum Hinterausgang fahren? Sie schläft sowieso bald ein und denk dran, der Arzt meinte, dass wir alle Ruhe brauchen." Ich nickte zustimmend und erzählte dann für Sophia weiter.
Man konnte zusehen, wie ihre Augen immer kleiner wurden und sie langsam einschlief. Als Sophia in ihrer Traumwelt angekommen war, nahm ich nochmals ihre Hand und sprach mit einem sanften Ton: „Meine Kleine, mach das nie wieder. Ich könnte es nicht aushalten wenn einer von euch mich einfach verlässt. Ihr seid mein Ein und Alles und ohne euch hat mein Leben doch keinen Sinn. Mein kleiner Bühnenstar, du musst schnell wieder auf die Beine kommen!" Dabei legte ich meinen Kopf neben ihren Oberkörper auf das Bett und wurde selbst immer müder...

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