Kapitel 127

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Flo kam sofort zu mir gerannt und sagte zu den Jugendlichen: „Es tut uns leid, aber... aber wir sind sehr im Zeitdruck! Auf Wiedersehen.". Er nahm meine Hand und zog mich ins Haus, im Hintergrund sah ich nur 3 verwirrte junge Menschen.
Als ich wieder nach vorne sah, stand ich in einem gemütlich eingerichteten Flur. Drei Menschen standen vor mir und der Mann kam mir entgegen, um mich zu umarmen. Ich wich ein Stück zurück und drängte mich an Flo. Der Mann schaute mich traurig an: „Hallo Lene, ich bin dein Papa. Wie geht es dir?" – „Gut" antworte ich knapp und etwas ängstlich. Dann kam die etwas ältere Frau auf mich zu, doch ehe sie etwas sagen konnte, schritt Florian ein: „Das ist deine Mutti und das daneben deine Schwester!". Ich nickte kurz und nahm dann Beide etwas abweisend in den Arm. Erika stupste mich an und drückte mich ein Stück vor, damit ich in das andere Zimmer kam.
Anscheinend war es das Wohnzimmer. Ich bemerkte nur, wie alle anderen draußen auf den Flur warteten. So schritt ich, wie eine Katze auf Pfoten, durch das ganze Haus.
In einem Zimmer blieb ich stehen und auf einmal spürte ich eine Hand auf meiner Schulter. Kurz zuckte ich auf. Es war mein Vati: „Lene, Kindchen, das ist dein Zimmer!".
Hoffnungsvoll sah ich mich um, doch es kamen keine Erinnerungen hoch: „Papa, kannst du mich bitte alleine lassen?". Langsam verließ er das Zimmer.
Traurig setzte ich mich auf mein Bett und starrte die Bilder an der Wand an. Meine Neugier wurde immer mehr geweckt, deswegen begab ich mich zu den Schränken und blätterte in allen möglichen Ordner herum.

Irgendwann knarrte die Tür: „Darf ich reinkommen Schatz... eh... Helene?". Es war Flo und aus irgendeinem Grund war ich glücklich, dass er bei mir sein wollte. Ich nickte ihm zu und er ging zum Schreibtisch.
Ich setzte mich neben ihm auf den Boden und zeigte ihm Bilder und Zeitungsausschnitte aus einem Ordner: „Bin ich das hier? Wieso bin ich in der Zeitung? War ich mal berühmt?".
Er lachte laut auf und antwortete: „War? Du bist eine, oder vielleicht sogar die erfolgreichste und beliebteste Sängerin Deutschlands. Diese Zeitungsartikel sind nur alle so alt, weil du irgendwann aufgehört hast sie zu sammeln. Und ich bin auch ein bisschen berühmt, nicht ganz so sehr wie du, aber trotzdem. Ich habe eine Show im ARD und du bist immer mal hier und dort.".
Mit großem Augen schaute ich ihn an: „Ach deswegen die Jugendlichen, die ein Foto machen wollten.". Er grinste mich an und nahm mich, wahrscheinlich aus Effekt, in den Arm. Diesmal wehrte ich mich nicht, denn es tat gut Nähe zu spüren, egal von wem.

Einige Zeit später wurden wir zum Essen gerufen. Es gab Pasta und sie schmeckte wirklich wunderbar.

„Lene? Möchtest du deine Kinder heute noch sehen?" fragte mich meine Mutter. Zuerst zögerte ich, doch ich war einverstanden. Flo rief unsere Nachbarn an, wo die Kinder gerade waren und keine 20 Minuten später, klingelte es an der Tür.
Meine Eltern machten sie auf, begrüßten die Kleinen und ich stand die ganze Zeit im Hintergrund am Türrahmen. Ich war noch etwas zurückhaltend und konnte alles noch nicht richtig einordnen, aber ein bisschen dazu gelernt hatte ich schon.
Plötzlich kamen die Zwei auf mich zugerannt: „Mama, Mama!". Sie umarmten mich und ich konnte große Freude in den leuchtenden Augen erkennen. Ein paar Minuten stand ich einfach nur da und musterte die Beiden von oben bis unten – sie waren wirklich total niedlich.
Felix zog an meiner Hand: „Mama, warum sagst du nichts?", ich zuckte nur mit den Schultern. Flo kniete sich runter und sagte belehrend: „Meine Süßen, ich habe euch das mit Mama doch schon erklärt. Sie weiß nichts mehr, deswegen seid bitte etwas ruhiger!".

Wir setzten uns ins Wohnzimmer und schauten ein Fotoalbum, welches die Kinder mitgebracht hatten an. Mit jedem Foto stieg die Hoffnung in mir, mich wieder erinnern zu können, doch es kam einfach nichts.
Als wir das Buch durch hatten, fingen die Kleinen übermütig an zu erzählen. Von sich, von uns, von Allem. Auch die Anderen stiegen mit ein – ich wusste ja, dass sie mir alle einen großen Gefallen tun wollten, aber das waren einfach so viele Informationen auf einmal.
Erst versuchte ich aufmerksam zuzuhören, doch je mehr mir erzählt wurde, desto mehr wurde mir bewusst, wie wenig ich weiß.
Meine Laune wurde schlechter und Tränen stiegen in meine Augen, doch ich konnte nicht vor fremden Leuten meine Gefühle zeigen.
Mitten im Gespräch sprang ich auf, rannte aus dem Wohnzimmer in mein Zimmer und schmiss mich aufs Bett. Dort ließ ich alle Gefühle aus mir heraus – alle Tränen, der ganze Druck der letzten Stunden fiel von mir ab. Meine Nerven waren am Ende und ich heulte nur vor mich hin, bis...

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