Kapitel 194

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Sophia grinste mich an. Sie sah so glücklich aus und viel gesünder, als vor wenigen Stunden. Ich hingegen fühlte mich mit jeder weiteren Sekunde schlechter. Tränen bildeten sich in meinen Augen und ich konnte nicht anders, als das Zimmer einfach wortlos zu verlassen.

Dadurch, dass ich mit meinem Rollstuhl nicht so gut an die Tür herankam blieb diese ein Stück offen. Ich hörte nur noch, wie Sophia begann zu weinen. Flo sagte irgendetwas und dann war die Stimme meiner Tochter zu hören: „Mama ist doch kein Krüppel, sie kann ja noch laufen, sie ist halte nur zu schwach...das...das war doch gar nicht so gemeint." - „Das ist es nicht mein Mäuschen..." seufzte Flo. „Ist sie etwa noch traurig, weil ich mich mit ihr so gestritten habe? Vor der Entführung? Das tut mir leid, aber..." - „Nein!" Ich rollte wieder in das Zimmer und blickte direkt in die Augen meine Tochter. Flo rückte mich so nah es ging an ihre Bett, damit ich Sophias Hand in meine legen konnte. Sie war noch immer etwas kalt.
„Es kann sein, dass...dass du..." Hilfesuchend schaute ich zu Florian. Er ergriff das Wort und legte dabei seine Hand auf meine Schulter. „Mäuschen...was die Mama sagen wollte..." Auch ihm fiel es schwer. Sehr schwer sogar. Sophia verstand nichts von dem, was wir versuchten ihr zu sagen. Sie öffnete ihre Augen weit und starrte uns an. Keiner von uns beiden sagte etwas, wir brachten es einfach nicht übers Herz. Wir kannten unsere Tochter. Sie liebte es herum zu laufen, zu rennen, Sport zu treiben. Es war neben Musik ihr Ein und Alles. „Jetzt sagt schon!" rief sie und erschreckte mich durch ihren lauten Ton.
Ich wollte und konnte es ihr einfach nicht sagen. Ich hatte solche Angst, dass unsere kleine Maus nicht mehr die wird, die sie mal war. „Du wirst wahrscheinlich gelähmt bleiben. Das bedeutet, dass du..." - „Das ich nie wieder laufen kann." Vervollständigte sie den Satz monoton. Ich konnte ihre Gefühlslage nicht deuten. Sie verzog keine Miene.
Es blieb lange still. Sehr lange. Es bereitete mir Sorge, dass unsere Tochter einfach belanglos an die Decke starrte und sich um keinen Zentimeter bewegte. „Mäuschen?" fragte Florian zurückhaltend und ergriff dabei ihre Hand, die sie jedoch sofort zurück zog. „Das ist alles meine Schuld..." wisperte sie in Trance. Dieser Satz wiederholte sich mehrere Male immer und immer wieder. „Meine Schuld..." - „Sophia hör auf damit!" schrie ich und erregte somit die gesamte Aufmerksamkeit der anderen Beiden. „Das ist nicht deine Schuld! Was redest du da? Das waren diese Arschlöcher, also denk nicht so etwas!" Wir sind immer für dich da! Immer, okay?" - „Es ist aber meine Schuld! Wäre ich nicht so dumm zu dir gewesen, wäre das alles nie passiert und ich habe mich wie ein kleines Kind benommen. Wegen mir geht es dir jetzt schlecht und mir auch. Und allen anderen! Warum lebe ich noch? Hätte ich nicht sterben können?"...

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