Kapitel 184

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 Mein Herz schlug immer schneller. Dieser Tagtraum. Er bestätigte sich. Vor meinen Augen. „Mama?" - „Nein, du darfst nicht...du...SOPHIA!" Eine schwache, sehr schwache und zierliche Stimme ertönte im Raum. Es war die schönste Stimme, die ich je gehört hatte. Sophia blinzelte mit ihren Augen und schlug sie dann auf. Sie versuchte zu lächeln, was ihr nicht so recht gelingen wollte. „Oh mein Gott! Mein Schatz. Oh nein! Komm her!" Ich drückte sie fest an mich. Viel zu fest, sodass Sophia kurz aufschrie. Ich konnte meine Gefühle nicht mehr kontrollieren. „Mama!" Sie war eiskalt und ich konnte ihr ansehen, dass sie Schmerzen hatte. Immer wieder strich ich über ihren Kopf. Immer wieder und es tat so unheimlich gut sie in meinen Armen zu spüren. „Mein Engel!" schluchzte ich und drückte sie dabei nochmals fest an mich. „Mama...e-es...es tut mir so leid!" Ihr liefen unzählige Tränen über die Wangen, ebenso wie mir. „Ich woll-wollte nicht böse sein, ich..." - „Pssshh!" Vorsichtig legte ich meinen zittrigen Finger auf ihre blauen Lippen „Hauptsache ich habe dich wieder! Ich werde dich nie wieder gehen lassen. Nie wieder!". Für einen Moment war alles gut. Mir fiel ein riesiger Stein vom Herzen, ich musste meinen Gefühlen freien Lauf lassen, weil ich sonst daran zerbrochen wäre. „Mama! Mein Kopf tut so weh!" Ihre zerbrechliche Stimme erinnerte mich an damals. Sie wäre schon einmal fast gestorben und jetzt wiederholte sich alles. Alles. Diese Unruhe in mir, diese Panik und das Ungewisse. Das Wimmern, die Schmerzen der eigenen Tochter zu hören und zu fühlen war das Schlimmste, was mir je passiert war. Ich hielt meine Hand an ihren Kopf und versuchte sie irgendwie zu beruhigen. Langsam kam Sophia wieder richtig zu sich, was ich dadurch bemerkte, dass sie viel aufgewühlter und unruhiger wurde. Ich wusste nicht, was ich machen sollte. Vorsichtig hob ich Sophias Oberkörper an, doch sie schrie laut auf. „AUUU Mama!" - „Tut mir leid!" wisperte ich und wollte sie trotzdem an mich drücken, aber meine Kleine wehrte sich wütend: „Nein, das tut weh!" Ich hatte Angst nachzuschauen, ich wusste, dass irgendetwas war, aber mir war selbst schon so übel, dass ich es mir einfach nicht getraute.
„W-warte..." sagte ich, meine Nerven waren total am Ende. Wir lagen bestimmt eine halbe Stunde in diesem eiskalten Raum, ohne dass ich auch nur daran gedacht hatte Hilfe zu holen. Schnell hielt ich meine Hand an mein Bein, mein Herz blieb fast stehen. „Mama, wo ist Papa?" Sophia weinte immer mehr, sie schrie schon fast, weil sie so starke Schmerzen hatte. „Ich habe mein Handy vergessen!" flüsterte ich und schaute geschockt an die Wand. Ich legte meinen Arm nah an Sophia, jedoch so, dass sie keine Schmerzen hatte, als plötzlich etwas warmes zu spüren war. Ich kniff meine Augen zusammen und konnte Blut erkennen. „Schatz...weißt du warum es dir weh tut?" Es kam keine Antwort. Meine Kleine wimmerte nur und war mit ihrem Bewusstsein nicht mehr richtig bei mir. Ich musste nachschauen, auch wenn die Angst immer noch viel zu groß war.
Vorsichtig drehte ich meine Tochter etwas auf die Seite. „Nein!" hauchte ich und hielt meine Hand vor mein Gesicht, weil sich nun auch meine Tränen den Weg über meine Wangen suchten. In ihrem Rücken steckte ein Messer. Wahrscheinlich hatte es die Blutung zuvor gestillt, aber jetzt rutschte es langsam heraus. „Mama was ist da?" Sophia lallte vor sich hin und ich spürte, dass sie langsam ihre Augen schloss. „Nichts...nichts..." Traurig blickte ich unter mich. Das alles war meine Schuld. Meine ganz eigene Schuld.
„HELENE!" Ich hatte keine Zeit mehr meinem Selbstzweifel hinterherzujagen, denn Florian stand in der Tür und wirbelte dreckigen Staub auf. Hinter ihm tauchten die Polizisten auf und auch ein Notarzt. „Flo!" Vorsichtig versuchte ich auf meine Beine zu kommen, aber es wollte mir nicht gelingen. Langsam breitete sich der Schock und auch das zuvor erlebte in mir aus. Sämtliche Kraft verließ mich, sodass ich direkt in Florians Armen zusammen rutschte. „F-f-flo..." weinte ich und fühlte, wie mein Körper immer stärker zitterte „Sie...unsere To...Sophia...ein Messer!" Die Kälte in mir ließ meinen Körper verkrampfen, bis ich Letzt endlich kein Wort über meine Lippen bekam. Ich konnte lediglich wahrnehmen, wie Rettungssanitäter versuchten meine bewusstlose Tochter zu stabilisieren. Gedämmt hörte ich fremde Stimmen an mein Ohr dringen: „Das Messer, rausholen...verbluten...schnell!" Ich konnte gar nichts mehr zuordnen und schon bald war sämtliches Gefühl verschwunden...

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