Kapitel 180

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 „Helene!" schrie Florian, doch ich konnte und wollte nicht an mich halten. Meine Kehle schmerzte mit jedem weiteren Wort, weil auch die starken Griffe des Mannes vorhin nicht spurlos an mir vorbei gegangen waren.


„Frau Fischer, bitte beruhigen Sie sich! Wir sind und noch nicht sicher, ob es ihre Tochter ist!" sagte der eine Polizist mit einer ganz gewissen Zurückhaltung, um mir nicht weh zu tun. „U-Und wie wollen sie das herausfinden." - „Könnte ich ein Bild ihrer Tochter haben?" Eifrig nickte ich mit dem Kopf und ging zur Anbauwand, die mit vielen kleinen und großen Bildern bestückt war. Ich suchte mir ein hübsches heraus, auf dem meine Tochter trotzdem sehr gut zu erkennen war und drückte es dem Polizisten ohne ein weiteres Wort in die Hand.


Flo hielt mich fest in seinem Armen, doch auch er strahlte alles andere als Ruhe aus. Ihm musste es genau so gehen, wie mir, doch es reichte, dass ich kurz vorm Durchdrehen war.
„Ich gebe das Foto jetzt durch! Und die SpuSi vor Ort vergleicht es mit der Kinderleiche!" Es muss schrecklich sein, egal wer es ist. Die armen Eltern, wenn es nicht Sophia ist.
„Flo, ich kann nicht mehr!" Heiße Tränen flossen über meine Wangen, als ich meinen Griff um Florian immer mehr verstärkte. Mein Herz schlug schneller, als je zuvor und gespannt lauschten wir dem Telefon des Polizisten, der gerade etwas wegen dem Foto abklärte.


„Braune Haare sagen Sie also? Ok, dann haben wir hier nicht das Opfer." Diese Worte reichten aus, um meinen Körper sämtliche Anspannung zu nehmen. Es gab keinen Halt mehr. Sophia war nicht die Leiche und trotzdem schien die Welt für einen Augenblick stehen zu bleiben. Um mich herum drehte sich alles, laute Geräusche kamen nur noch gedämpft an mein Ohr und ehe ich mich versah, lag ich auf Flos Schoß, der mir besorgt und panisch in die Augen blickte, während seine Hand ununterbrochen durch mein Haar strich.


„Helene, hörst du mich? Bitte sag doch was!" Natürlich hörte ich ihn, aber ich wollte nicht aufwachen. Ich wollte das alles einfach vergessen. Meine glückliche Familie bei mir haben und bald Silvester feiern. Es herrschte so ein starker Druck auf meinen Körper, dass ich innerlich fast zerbrach. Auch die Polizisten sorgten sich um mich und kamen gerade näher zu uns, als ich aufsprang und sämtlichen Schwindel ignorierte. Ich rannte zur Garderobe, schnappte mir lediglich meine Schuhe und eine dünne Strickjacke und rannte in die verschneite Welt. Ohne Anhaltspunkt, einfach irgendwo hin. Auch die Kälte störte mich vorerst nicht...

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