Kapitel 186

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 Ohne überhaupt eine Antwort abzuwarten ließ ich all meinen angestauten Tränen freien Lauf. Der Arzt konnte vorerst überhaupt nicht weiter reden. Florian versuchte mich mit allen Mitteln zu beruhigen, erst als der Doktor sich lautstark räusperte, versuchte ich mich zusammen zu reißen und weiter zuzuhören. „Sophia hat zwar überlebt, aber die nächsten Nächte sind entscheidend. Außerdem..." Kurz stockte er. Man konnte ihm ansehen, dass es nicht alles war. Ihm fiel es schwer das Nicht gesagte auszusprechen „Es besteht die Gefahr einer Querschnittslähmung. Das Messer steckte..." - „Ok, danke. Wann können wir sie sehen?" fragte Florian ernst, ohne überhaupt weiteres wissen zu wollen. „Wir werden Sie holen. Auf Wiedersehen...".
„Was soll das?" schrie ich ihn an und stieß Florian ein Stück von mir. „Helene, mir ist es egal, ob sie nicht mehr laufen kann! Hauptsache Sophia lebt. Verstehst du das nicht?" - „Aber wir sind ihre Eltern, wir sind in der Pflicht uns anzuhören, welche Risiken bestehen, weißt du wie sehr es unsere Tochter belasten wird? Wir..." Ich musste schnell unterbrechen, weil sich ein schmerzhafter Hustenanfall ankündigte. Jede noch so kleine Atmung stach in meiner Lunge, ich hechelte und versuchte angestrengt ruhig zu atmen, aber es ging nicht. Florian verstummte sofort. Er saß tatlos neben mir und beobachtete das Geschehen, so als würde es ihm nichts angehen. Er drückte einfach nur die Klingel und verließ dann das Zimmer.
„Frau Fischer...ganz ruhig atmen!" redete eine junge Krankenschwester auf mich ein. Sie lagerte meinen Oberkörper etwas höher und drückte mir ein seltsames Inhaliergerät in die Hand. „Versuchen Sie das. Ihr Arzt hat es mir angeordnet Ihnen das zu geben. Hier drauf drücken, es an den Mund halten und einatmen." Das Ding half tatsächlich. Der Hustenanfall ebbte ab und ich spürte, wie frische Luft in meine Lunge strömte. Trotzdem ging es mir schlecht. Florian war einfach gegangen. Einfach so, ohne ein weiteres Wort. Er hätte mich beruhigen müssen, ich hätte ersticken können. „Ist sonst alles in Ordnung?" - „Ja, außer das meine Tochter vielleicht stirb, oder querschnittgelähmt ist. Das mein kranker Sohn bei seinen Großeltern bleiben muss, obwohl er mich bräuchte und außer, dass mein Mann mich gerade indirekt verlassen hat ist alles prima, nur die Hustenanfälle und die Luftnot stören manchmal noch!" antwortete ich monoton und gab somit das perfekte Zeichen, dass ich allein sein wollte. Noch bevor die Schwester das Zimmer verlassen konnte, bat ich sie mir ein Telefon zu bringen.
Als ich es bei mir hatte versuchte ich gefühlte tausende Male Florian anzurufen, aber er ging nicht ran. Er wollte also wirklich nichts mehr von mir wissen.
Geschockt starrte ich an die Tür, als er wie ein Geist aus dem Nichts im Zimmer auftauchte. „Ich hab die Sachen geholt!" sagte er gefühllos und stellte eine große Tasche neben mein Bett. Ich hätte gerne geantwortet. Sehr gerne, aber ich wusste nicht was. Ich hatte so große Angst ihn zu verlieren. „Bis später..." Er wollte sich wieder verabschieden. Ohne einen Kuss und ich wusste nicht, was ich falsch gemacht hatte. Mir rollte eine kleine Träne über die Wange. „Flo, bitte bleib doch noch hier. Ich fühle mich...so allein..." sagte ich traurig, bereute es aber gleich wieder. Meine Sehnsucht mich an ihn zu kuscheln war so unglaublich groß, aber er schüttelte nur mit dem Kopf. „Sophia..." stotterte er „Und ich muss dann auch noch zu Felix, er hat Angst." Ich nickte und begann auf einen Schlag fürchterlich zu weinen. Was hatte ich ihm denn getan?
„Florian, bitte bleib noch fünf Minuten!" rief ich so laut es ging und hob meinen Oberkörper an, ließ mich aber durch die Schmerzen sofort wieder zurück fallen. „Ich kann nicht!" Seine Stimme wurde lauter „Unsere Kinder brauchen mich jetzt!" - „Warum bist du so abwertend zu mir? Wie aus dem Nichts? Das tut mir weh Flo!" Er schaute mich liebevoll an, aber sein Gesicht versteinerte sie schnell wieder. Es sah aus, als würde er was sagen wollen, aber er stand nur sprachlos in der Tür. „Wenn du..." Wieder musste ich stark husten. Mir stiegen durch die Schmerzen zusätzlich Tränen in die Augen „Wenn du jetzt gehst..." hechelte ich und schnappte mir das Inhaliergerät „Dann weiß ich, dass es aus ist!" Ich hoffte so sehr, dass diese Worte wirken, doch als ich angestrengt nach Luft rang, schloss Florian die Tür und rief nur noch „Felix wartet...". Es war entschlossene Sache und ich wusste nicht warum. Mir ging es elend schlecht...

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