Kapitel 198

180 8 2
                                    

 Besorgt beobachtete ich meinen Sohn. Seine Starrheit machte mir Angst. Er regte sich nicht, er sagte nichts, er starrte einfach nur stumm aus dem Fenster, ehe plötzlich sämtliche Last von ihm fiel und er in Tränen ausbrach.
Sofort nahm ich meinen Jungen in den Arm, um ihn ruhig hin und her zu wiegen. Ich wusste wie viel er durchmachen musste. Sowohl Sophia, als auch ich waren lange Zeit weg. Obwohl er noch jung war, wusste er sicherlich mehr über unsere Erlebnisse Bescheid, als wir es dachten.


„Was ist hier denn los?" Florian kam abgehetzt ins Wohnzimmer und deutete verwirrt auf Felix, der noch immer in meinem Arm lag. Ich zuckte mit den Schulter und bat ihn dann mich abzulösen. Flos Hand wanderte kurz über meine, ehe er sich zu unserem Sohn setzte und versuchte ihn zu beruhigen. Ich liebte die kalte Haut meines Mannes. Er war lange draußen gewesen und trotzdem war ich unglaublich stolz, dass er wieder gekommen war.
Langsam spürte ich jedoch, dass meine Kraft ebenfalls langsam schwand. Schon als ich die Treppen nach oben ging wurde die Luft immer dünner. Ab und zu stach es in meiner Lunge, weswegen ich am oberen Geländer einen kleinen Stopp einlegte.
Während ich versuchte mich kurz auszuruhen blieb mein Blick an Sophias Zimmer hängen. Die Tür war einen Spalt geöffnet, wodurch man den Raum gut einsehen konnte. Eine kleine Träne rollte dabei unbewusst über meine Wange.
Am auffallendsten war wohl ihre Geige, die einsam und verlassen in der Ecke neben ihrem Bett stand. Alles hätte ich gegeben, um sie darauf spielen zu hören.
Ich wollte nicht auf Hilfe angewiesen sein, ich wollte meinen Sohn die Geborgenheit nicht wegnehmen, aber es tat meinem Herzen so weh Sophias Zimmer zu sehen, dass ich keine andere Chance hatte nach meinem Mann zu rufen. Mir ging es einfach zu schlecht um das alles alleine durchzustehen. Diese Ungewissheit. Diese Angst, dass jederzeit erneut etwas passieren könnte.
„Flo!" schrie ich so laut es nur ging, ehe ich die Gestalt meines Freundes unten an der Treppe wahr nahm. Er kam sofort auf mich zu gestürmt und nahm mich, ohne auch nur ein Wort zu sagen, in den Arm. „Es ist alles gut Maus...ich bin da! Psh...du bist nicht allein!". Unaufhaltsam rannten Tränen über meine Wangen. Tränen wahrer Verzweiflung. Am liebsten hätte ich aufgegeben. Einfach alles hingeworfen. Aber es ging nicht. Dafür waren mir meine Kinder und meine ganze Familie viel zu wichtig. „Bitte...komm...komm mit mir ins Sophias Zimmer! Bitte Flo...ich brauche das jetzt!" Ohne weiter darüber nachzudenken stützte mich mein Mann.
Schon als wir den Raum betraten und ich mich umsah, schwand nun auch meine letzte Kraft. Ich rutschte nach unten und fiel zu Boden.
Florian wollte mir helfen. Er griff unter meine Arm, doch ich wehrte ihn ab. „B-bitte...lass mich allein!". Natürlich ging es Sophia besser, aber es war nichts sicher. Jederzeit hätten Komplikationen auftreten können. Jederzeit hätte sie sich selbst umbringen können. Jederzeit hätten diesen verrückten, psychisch kranken Männer wieder kommen könnten. Diese Ungewissheit machte mich krank. Sie zerfraß mich innerlich und trug meinem Zustand alles andere als Gesundheit bei.

Lange saß ich weinend, Seelen verlassen auf dem Boden, bis plötzlich etwas passierte, womit ich nie gerechnet hätte...

GeradeausWo Geschichten leben. Entdecke jetzt