Kapitel 151

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„Liebling?" Ich hörte ein leises Flüstern neben mir. Langsam öffnete ich die Augen und schaute genau in Florian's Gesicht. Mein Körper fühlte sich schlapp an und ich hatte leichte Kopfschmerzen. „Möchtest du aufstehen, oder lieber liegen bleiben?" fragte er fürsorglich. Ich zuckte nur mit den Schultern und stand wieder kurz davor zu weinen.
Flo legte sich gleich neben mich und nahm mich in den Arm. Ich stotterte herum: „Stellt dir doch vor... es hätte... wenn... Sophia... oder Felix." Sofort klammerte ich mich noch enger an meinen Schatz und sogar über deine Wangen flossen ein paar Tränen. Erst einige Minuten später drückt er mich ein bisschen von sich und streichelte meine Wange: „Meine Süße, es wird alles gut. Die Zeit wird den Schmerz heilen! Ich verspreche es dir."
Noch kurz verblieben wir Arm in Arm, bis ich entsetzt auf den Wecker schaute: „Es ist schon 12:45Uhr?" – „Mäuschen, gestern war ein langer und sehr anstrengender Abend! Du musst erstmal runterkommen. Schlaf ruhig noch weiter! Soll ich dir etwas zu essen bringen?" Ich nickte traurig und fügte noch hinzu: „Wo sind unsere Kinder? Wie geht es ihnen?" – „Die sind bei deinen Eltern. Ich dachte es wäre besser, wenn sie etwas abgelenkt werden. Erika möchte dich nachher nochmal sprechen." Wieder nickte ich und schloss kurz die Augen, bis Flo mir etwas zu essen brachte.
„Ich gehe nachher zu Erika und Markus, Schatz." sagte ich zaghaft. „Bist du dir sicher?" – „Ja, mir geht es zwar nicht so gut, aber trotzdem. Die Beiden müssen viel Schlimmeres durchmachen. Ich würde mir wünschen, dass du bitte die Kinder holst... Sie brauchen uns jetzt, ja?" Flori nickte und gab mir einen zärtlichen Kuss auf die Wange.
Ich aß schnell auf, machte mich dann fertig und wir fuhren los.

Nachdem er mich vorm Haus von Erika und Markus abgesetzt hatte, fuhr Flo sofort zu meinen Eltern, um die Kinder zu holen.

Zurückhaltend klopfte ich an der Tür, weil ich sah, dass die Rollläden noch unten waren. Markus machte auf und kam mir wie eine Gestalt entgegen. „Helene" begrüßte er mich mit schwachem Ton „Was machst du denn hier?" –„Ich wollte nach euch sehen... gestern bin ich ja direkt nach dem Konzert eingeschlafen." – „Komm doch rein."
Erschöpft trottete Markus mit mir in die Küche. „Möchtest du etwas trinken?" Ich schüttelte danken mit dem Kopf und fragte besorgt: „Wo ist meine Schwester?" Traurig zeigte er nach oben und fügte noch hinzu: „Sie redet nicht mehr mit mir und liegt noch im Bett."
Ich konnte erkennen, dass er wahrscheinlich die ganze Nacht am Laptop gesessen hatte, denn dicke Tränensäcke unterzeichneten seine Augen und es war alles so wie vor ein paar Tagen.
„Ich geh mal hoch!" sagte ich schnell und machte mich auf den Weg.

Bei einem Blick ins Wohnzimmer erkannte ich, dass alle Zimmer nur durch Lampen beleuchtet waren. Überall waren die Vorhänge noch zugezogen und teilweise lagen Buntstifte, noch von Amelie herum.
Ich ging vorsichtig nach oben und schaute schüchtern ins Schlafzimmer. Erika lag einfach nur auf dem Bett und starrte an die Decke. Ihre Haare waren zerzaust und ihr Gesicht war blass wie Kreide.
Liebevoll setzte ich mich zu ihr aufs Bett und streichelte ihren Arm. Ohne etwas zu sagen griff sie nach mir und ich kuschelte mich neben sie. Tränen stiegen in ihre Augen und sie begann zu weinen: „Es wird besser... ich... wir sind da!" versuchte ich sie etwas zu beruhigen.

Es dauerte ewig, bis sie wenigstens eingeschlafen war. Mittlerweile war es schon später Nachmittag und ich ließ Erika im Bett liegen – Ruhe tat ihr jetzt gut.

Als ich nach unten ging, kam ich an Amelie's Zimmer vorbei. Es war alles wie vorher. Traurig trat ich hinein und schaute mir Bilder von ihr an. Ich sah ihr Spielzeug und schlagartig wurde mir klar – wir müssen nicht trauern, zumindest nicht weinen! Die Kleine lag uns so am Herzen und sie hat immer gelacht. Sie war so stark – wir sind eine Familie und stehen das durch!
>Scheiß Krebs< dachte ich mir und warf voller Wut ein Kuscheltier in die Ecke, sodass eine Box vom Schreibtisch fiel. Ich versuchte stark zu bleiben, doch meine Gefühle überrannten mich. Ich war kurz davor loszuschreien und ließ mich am Schrank nieder. Dabei griff ich wütend nach einer Handpuppe von ihr und schmiss sie gegen die Wand. Es fielen Bilderrahmen herunter und die Scheiben zerschmetterten in viele, tausend Teile.
Plötzlich stürmte Markus zur Tür herein: „Helene? Alles in Ordnung?" Er sah mich an und ich hielt schützend meine Hände vors Gesicht. „Nein!" schluchzte ich „Ich... mü... müsste stark sein! Ihr... ihr habt es doch.... Viel schlimmer."
Behutsam kniete er sich zu mir herunter und nahm mich in den Arm. Sanft wiegte er hin und her und redete auf mich ein: „Du bist stark... Du hast recht... wir werden es durchstehen." Schnell hatte ich mich wieder gefasst und stand vorsichtig auf: „Ich werde alles gegen diesen dummen Krebs tun! Das verspreche ich euch und Amelie, ich bin es ihr schuldig."

Mit diesen Worten ging ich nach unten, schnappte mir mein Zeug und stand dann vor einer leeren Straße, weil Flo das Auto hatte....


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