Wir schaffen das zusammen

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Finja:
Spät am Morgen wachte ich auf und guckte mich im Zimmer um. Samu war noch nicht da. Es war alles so verdammt komisch. Ich lag 4 Monate im Koma, so richtig konnte man das selber gar nicht realisieren. Ich wusste nur noch wie ich da in Auto saß, Samu abholen wollte und mir auf einmal ein anderes Auto direkt entgegen fuhr. Ich konnte nicht mehr ausweichen, es gab einen großen Knall und dann war alles schwarz. Am Morgen hatte Leevi sein erstes Wort gesagt und wir waren so unglaublich glücklich gewesen. Doch dann wurde das alles von jetzt auf gleich zerstört. Wie sich unser Kleiner wohl jetzt entwickelt hatte...Ich hatte sogar seinen ersten Geburtstag verpasst. So viel hatte ich verpasst. 4 Monate machten in seinem Alter schon so viel aus. Und dann Samu...Ich wollte gar nicht mehr dran denken, wie schlecht es ihm gegangen war. Ich hatte ihn jedes Mal gehört, wenn er hier neben meinem Bett saß und verzweifelt meine Halt hielt und wie er erst geweint hatte...Ein kalter Schauer lief mir den Rücken herunter.

Was wäre gewesen wenn ich erst in ein paar Wochen aufgewacht wäre? Wäre er überhaupt noch da gewesen? Ich durfte gar nicht dran denken. Hoffentlich hatte er kein ernstzunehmendes Alkoholproblem...
Ich wurde in meinen Gedanken unterbrochen, als sich die Tür öffnete und der Arzt und ein paar Krankenschwestern hereinkamen. „Guten Morgen Frau Haber. Wir würden jetzt gerne mit den Untersuchungen beginnen." Oh man, ich hatte ganz schön Angst. Natürlich konnte ich mich schon mehr als glücklich schätzen, dass ich das Reden nicht verlernt hatte und auch sonst mit meinem Gehirn höchstwahrscheinlich alles in Ordnung war, aber ich machte mir Sorgen um meine Beine. Es war ein schreckliches Gefühl sie nicht mehr zu spüren und ich hatte einfach Angst, dass sich das nie wieder ändern würde. Ich wollte doch nicht den Rest meines Lebens im Rollstuhl verbringen und für Samu wäre das auch nur ein Laster.

„Können Sie vielleicht meinen Mann anrufen? Ich hätte ihn gerne dabei." sagte ich leise, da meine Stimme noch nicht wirklich wieder da war. Das brauchte wohl auch noch eine Weile.
„Natürlich." Wir warteten also noch kurz bis Samu dann zum Glück da war. Ich brauchte ihn in dieser Situation einfach. Er strahlte mich sofort an, als er den Raum betrat und legte seine Lippen wieder nur ganz sanft auf meine. „Alles wird gut mein Engel." flüsterte er und nahm meine Hand, während er sich setzte.
Die Untersuchungen fingen damit an, dass ich schreiben und lesen sollte, was schonmal sehr gut funktionierte. Und auch andere Dinge liefen glücklicherweise genauso gut.
„So, dann wollen wir mal gucken, wie es um Ihre Beine steht." Sofort bekam ich Panik, was Samu auch merkte und meine Hand noch fester drückte.
„Spüren Sie das?" fragte mich der Arzt, als er auf mein Bein drückte. „Nein." kam tränenerstickt aus meinem Mund, während ich hilfesuchend zu Samu guckte. „Und wie sieht es hier aus?" „Nein." So ging das noch eine Weile weiter, doch nie spürte ich irgendwas.

„Wie es aussieht sind Ihre Beine gelähmt, aber das heißt noch gar nichts. So etwas kommt öfter vor bei Komapatienten. Das kann sich in den nächsten Tagen oder Wochen wieder legen." Ich versuchte stark zu bleiben und mir meine Tränen zu unterdrücken, obwohl für mich gerade eine Welt zusammenbrach. Eine Garantie dafür, dass ich wieder laufen konnte, gab es nicht. Das war einfach wie ein Schlag ins Gesicht. „Könnten Sie uns vielleicht kurz alleine lassen?" fragte Samu, wofür ich ihm wirklich dankbar war.
Kaum waren wir alleine ließ ich meinen Tränen freien Lauf. Er kam mir noch näher und schmiegte sich fest an mich um mir Halt zu geben. „Was ist wenn ich nie wieder laufen kann Samu?" fragte ich ihn mit kratziger Stimme.

„Das wird nicht passieren ok? Don't think like that." Im Gegensatz zu ihm konnte ich gerade aber einfach nicht positiv so denken... „Hey, look at me." sagte er ruhig und drehte mein Gesicht zu sich. „Das weißt du doch gar nicht...Dann werde ich nur noch eine Last für dich sein." „What? Nein, ich werde dich bei allem unterstützen und für dich da sein. Wir schaffen das zusammen, egal was kommt. Promise." Er sah mich ernst an, während sich in seinen Augen Tränen bildeten. „Ich liebe dich." „Und ich liebe dich, mehr als alles andere auf dieser Welt." Kurz sahen wir uns einfach nur in die Augen und schwiegen.
„Wenn du nicht an diese ganzen Teile angeschlossen wärst, würde ich jetzt zu dir ins Bett kommen." „Das wäre zu schön..." Ich konnte es nicht mehr erwarten, hier endlich rauszukommen oder zumindest auf ein anders Zimmer verlegt zu werden, aber dafür war mein Zustand noch zu schlecht. „Samu?" „Hm?" „Kannst du Leevi morgen mitbringen? Ich vermisse ihn so."

„Na klar, du wirst dich wundern. Er hat sich echt schnell weiterentwickelt." Das hatte ich mir schon gedacht und ich freute mich total darauf ihn wiederzusehen. Zum Glück war ihm bei dem Unfall nicht so etwas schlimmes passiert wie mir. Samu und ich sprachen immer nur ein paar Sätze, da ich für mehr einfach noch nicht die Kraft hatte, aber so viel reden musste auch gar nicht sein. „Ich weiß noch etwas was dich freuen wird." sagte Samu dann und grinste. „Was?" „Anna will move to Sami next month." „Echt jetzt? Das ist ja der Wahnsinn." sagte ich so euphorisch wie es mir gerade möglich war. Ich hatte meine beste Freundin hier in Finnland wirklich vermisst. Zwar hatte ich auch nette Leute kennengelernt, aber das war doch etwas anderes. Endlich konnten wir Helsinki zusammen unsicher machen. Und auch für sie und Sami freute es mich total. Die beiden waren so ein schönes Pärchen und da ich selber wusste wie schwer eine Fernbeziehung war, konnte ich mir auch gut vorstellen was für ein besonderer Schritt es für die beiden war.
Samu blieb noch bis zum Nachmittag bei mir, ging dann aber wieder nachhause wegen Leevi. Außerdem wurde ich schon wieder unglaublich müde und er musste ja nicht hier sitzen, wenn ich sowieso schlief.

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