Tiefpunkt

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Finja:
Als ich wieder bei Anna und Sami war, schloss ich mich direkt in meinem Zimmer ein. Vielleicht war es besser doch über Weihnachten zu meiner Familie nach Deutschland zu fliegen, so blöd es auch für die Kinder sein würde. Aber das würde ich doch nicht aushalten bei Samu's Familie... Alle würden mich vorwurfsvoll angucken, es würde eine angespannte Stimmung sein und Samu würde ich den Tag auch noch ruinieren. Aber ich wollte Mia's erstes Weihnachten auch nicht verpassen...
Es war einfach nur alles scheiße. Ich wusste nicht was ich tun sollte, ich wusste nicht mehr wohin mit mir. So schlecht wie es mir mit dieser Trennung ging, ging es mir noch nie zuvor in mein Leben und ich sah gerade auch überhaupt keinen Ausweg mehr. Wo war bitte das Licht am Endes des Tunnels? Ich hatte ja nicht nur Samu verloren, auch Mia und Leevi sah ich ja viel weniger. Samu meinte zwar er wolle trotzdem, dass wir gute Eltern für die beiden blieben, aber ich merkte doch, dass er sie eigentlich gar nicht zu mir geben wollte. Er verbrachte die meiste Zeit mit unseren Kindern und wenn er sich wirklich von mir scheiden lassen wollen würde, dann würde das sicher nur noch schlimmer werden. Vielleicht würde er das alleinige Sorgerecht haben wollen? Und dann kam ja auch noch dazu, dass ich überhaupt keine Wohnung hatte. Ich konnte ja nicht ewig hier bei Anna und Sami bleiben. Ich fühlte mich ja jetzt schon schlecht. Auch wenn sie immer wieder sagten es würde sie nicht stören, wusste ich ja, dass sie natürlich auch mal ihre Ruhe und Zweisamkeit haben wollten. Das war ja ganz normal und total verständlich. Ich wusste ja, dass ich mir das alles selbst eingebrockt hatte, aber es tat so weh und es würde in Zukunft auch nicht besser werden, eigentlich eher nur noch schlechter.
Sami und Anna waren gerade unterwegs, weswegen ich alleine im Haus war und mich dazu entschloss erstmal irgendwas essbares zu suchen. Ich machte das Radio an und brach in Tränen aus als Always von Bon Jovi lief. Samu liebte dieses Lied und hatte es so oft für mich gesungen.

Now I can't sing a love song
Like the way it's meant to be
Well, I guess I'm not that good anymore
But baby, that's just me
Yeah I, will love you, baby
Always and I'll be there
Forever and a day, always
I'll be there, till the stars don't shine
'Til the heavens burst and the words don't rhyme
I know when I die you'll be on my mind
And I'll love you, always

Wir wollten immer für immer zusammen bleiben...Durch dick und dünn gehen...uns immer lieben und uns immer Halt geben, aber ich hatte es zerstört wegen...ja weswegen eigentlich? Im Nachhinein konnte ich es absolut nicht mehr nachvollziehen was ich da getan hatte. Weinend fiel ich auf den Boden und fühlte mich einfach nur mich hilflos. Das war alles viel zu viel für mich. Ich konnte einfach nicht mehr. Wie sollte ich das schaffen ohne ihn? Das ging doch gar nicht. Ich lief ins Bad und klatschte mir erstmal kaltes Wasser ins Gesicht und guckte mich im Spiegel an. Das war ich also...Eine armselige Frau, die ihren Mann mit einem jahrelangem Freund von ihm auf einer Kneipentoilette betrogen hatte. Ich hasste mich so sehr dafür. Das konnte ich nie wieder gut machen. Was war ich bloß für ein ekelhafter Mensch?
Mein Blick fiel auf den Rasierer, der auf dem Waschbecken lag... Ohne Nachzudenken und aus purer Verzweiflung suchte ich neue Rasierklingen und wurde auch fündig. Ich wusste gerade keinen anderen Ausweg mehr. Ich fühlte mich so unendlich leer, fast schon taub. Ich setzte die Klinge an meinem Unterarm an und verletzte mich selbst. Immer wieder tat ich es, bis auf einmal die Tür aufging und Anna reinkam. „Ach du Scheiße Finja!" Sie guckte mich schockiert an und riss mir die Klinge aus der Hand. „Was tust du da?!" Ich konnte ihr nicht antworten, da brach ich schon wieder in Tränen aus. „Steh mal auf." Sie zog mich hoch und hielt meinen Arm sofort unter den Wasserhahn. „Sami? Haben wir Verband hier?" rief sie Richtung Flur während sie sich weiterhin um meinen Arm kümmerte. „Ja, wieso?"  „Bring den mal her!" Kurz darauf stand er also auch noch im Bad und sah genauso schockiert aus. „Was geht denn hier ab?" „Gib mir einfach den Verband und geh bitte wieder raus." Warum waren die denn überhaupt schon wieder hier?  „Beruhige dich bitte..." Ich zitterte am ganzen Körper und hatte das Gefühl gleich eine Nervenzusammenbruch zu haben... „Finja...hörst du mich? Hey..."
„Ja..." Mir ging's überhaupt nicht gut und ich hatte das Gefühl als hätte ich Watte in den Ohren. „Setz dich mal bitte." Das tat ich dann auch, woraufhin mir Anna den Verband um den Arm machte. „Warum verletzt du dich? Du kannst doch über alles mit mir reden." 
„Und dann? Reden macht's doch auch nicht besser Anna." „Aber das hier schon?" „Keine Ahnung..." „Nein, das macht es nicht." „Warum seid ihr denn überhaupt schon da..." „Ich hatte Geld vergessen und wollte dann auch noch schnell auf die Toilette, aber jetzt bleiben wir hier." „Nein...nicht wegen mir. Ich komm klar." „Ja, das sehe ich, dass du klar kommst..." Ich lehnte mich an sie und versuchte erstmal runterzukommen. Erst jetzt spürte ich den Schmerz von den Schnitten. 
„Jetzt mache ich mir langsam wirklich ernsthafte Sorgen um dich Finja." „Ich will zu Samu..." schluchzte ich und klammerte mich an sie. „Ich weiß...Aber du darfst dich jetzt nicht komplett aufgeben. Du musst wieder aufstehen und versuchen dein Leben weiterzuleben. Und er hat doch gesagt, dass er sich noch nicht scheiden lassen will, was bedeutet, dass das ja gar keine endgültige Trennung sein muss. Versprich mir bitte, dass du dir nie wieder so etwas antust." sagte sie ernst, während ihr Blick auf den Boden wanderte, der immer noch voller Blut war. „Versprochen..." „Gut...Dann mache ich das hier jetzt noch sauber und du gehst schonmal ins Zimmer? Dann können wir noch einen Film zusammen gucken." „Ja..."

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