126. Erste Hürden

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Mit einem tiefen Gefühl der Befriedigung glitt Arya von Fírnens Rücken. Es war ein langer Tag gewesen und besonders die letzte aufgabe die sie zu versehen gehabt hatte war keine Freude gewesen. Sie hatte die Schutzwälle um den verlorenen Wald überprüfen müssen. Das war von Zeit zu Zeit notwendig. Die Zauber verhinderten, dass sich die entartete Tier und Pflanzenwelt über die Grenzen des Waldes hinaus ausbreiteten.
Dies sicherzustellen sah Arya als eine fast heilige Pflicht an. Zwar glaubte sie nicht an Götter aber das Wort beschrieb die Bedeutung die sie der Aufgabe bemaß einfach am Besten.
Es erfüllte die Elfe stets mit tiefer Trauer zu sehen wie sehr das Leben des Waldes unter dem Einfluss der verwirrten Seelenhorte gelitten hatte. Auch den Elfen die die Eldunarí damals betreut hatten empfanden ähnlich.
die Veränderung war schleichend vor sich gegangen. sie hatte mit den kleinsten Lebewesen begonnen die im Boden lebten und hatte dann wie eine Krankheit um sich gegriffen. Als man den Wandel schließlich bemerkte war es zu spät. Gleich einer Lawine hatte sich der Wandel nicht mehr aufhalten lassen.
Zumindest war es gelungen den Schaden einzugrenzen, doch immer wenn Arya den verlorenen Wald überflog überkamen sie Fragen. Wie empfanden die Tiere und Pflanzen des Waldes den Wandel den man ihnen aufgezwungen hatte? Waren sie noch imstande sich ihres Lebens zu erfreuen oder war ihre Existenz zu einem einzigen Aufschrei der Verzweiflung geworden.
-"Hör auf kleine Maus."- unterbrach Fírnen.-"Ich verstehe deine Sorge und es ehrt dich, dass du bereit bist Verantwortung zu übernehmen aber es bringt nichts dich selbst zu geißeln."-
-"Du hast natürlich recht."- stimmte Arya ihrem Seelenbruder zu. Sie atmete einige Male tief durch und löste ihr Bewusstsein von den Erinnerungen an den verlorenen Wald. Es war eine Technik die sie sich bereits während des großen Krieges zu eigen gemacht hatte. Man durfte Probleme nicht ignorieren aber man musste akzeptieren, dass man nicht alle gleich lösen konnte. Geduld konnte auch eine Waffe sein und ein Mittel Herausforderungen zu bewältigen.
Arya nahm Fírnen den Sattel ab. Der grüne Drache kommentierte das mit einem dankbaren Schnauben und signalisierte seiner Reiterin, dass er sich um eine Abendmahlzeit kümmern würde. Sekunden später schoss Aryas Begleiter in den Himmel.
Die Elfe selbst verstaute ihren Sattel und betrat dann die Küche des Hauses, dass sie gemeinsam mit ihrem Gefährten bewohnte. Eragon legte gerade letzte Hand an das Abenessen und begrüßte seine Gefährtin, als diese neben ihn an die Feuerstelle trat mit einem sanften Kuss.
Arya genoss die zärtliche Berührung ihrer Lippen ebenso wie der tiefe Friede der sich in ihr ausbreitete. Dieses warme Gefühl war eines der kostbarsten Geschenke das die Elfe aus der Beziehung mit dem Vater ihrer Tochter zog. Es hatte eine Zeit, ein Leben gegeben, da war dieser Friede nur ein Wunsch, eine Erinnerung gewesen. Arya hatte damals nicht geglaubt, dass er je ein Teil ihres Daseins sein könnte. sie war dankbar, dass sie sich geirrt hatte.
Als die beiden Gefährten sich voneinander lösten und sich wieder Anblickten fiel Arya etwas in Eragons Blick auf. Sie konnte es nicht sofort benennen, doch es war da. Auf der Suche nach Hinweisen sah sie sich um.
Aryas Blick fiel auf den Küchentisch und überrascht stellte sie fest, dass dort drei Gedecke standen.
"Isst Marlena heute Abend mit uns?" erkundigte sich die Elfe überrascht. Eigentlich war die junge Halbling vor zwei Wochen, kurz nach dem Schlüpfen ihrer Drachendame in ein Schüler-Quatier umgezogen. Alonvy hatte seit dem einiges an Größe zugelegt. Sie kam jetzt einem ausgewachsenen Schäferhund nah doch sie war in jedem Fall noch zu jung um ihre Reiterin zu tragen. Daher war ein solcher Besuch ungewöhnlich. Zu Fuß brauchte man fast vier Stunden um vom Wohnsitz der beiden Ordensführer zur Festung der Reiter zu gelangen.
"Sie ist nicht nur zum essen hier." erwiderte Eragon bedeutungsschwer. Er zog einen Topf vom Feuer und blickte seine Gefährtin an. "Sie ist mit all ihren Sachen wieder bei uns eingezogen mein Stern. Und sie war ziemlich wortkarg."
"Du denkst, dass ich mit ihr sprechen sollte?"
Arya war überrascht. Normalerweise war ihre gemeinsame Tochter eher bereit sich ihrem Vater zu öffnen und Eragon hatte stets ein offenes Ohr.
"Ich habe so einen verdacht worum es gehen könnte." erwiderte Aryas Gefährte. "Ich denke, dass du vielleicht ein tieferes Verständnis für Marlenas Problem aufbringen kannst als ich."
Arya beschränkte sich darauf ihre Verwunderung durch eine gehobene Augenbraue zu zeigen, dann verließ sie die Küche und machte sich auf den Weg zum Zimmer ihrer Tochter.
Schon als sie die Wendeltreppe empor stieg hörte sie Marlenas Stimme.
"Bitte Alonvy! Ich will doch nur ein frisches Laken aufziehen!"
Die einzige Antwort war ein scharfes Fauchen.
Als Arya die Falltür hinter sich ließ wurde ihr schnell klar was los war:
Marlena stand leicht hilflos mit einem Betttuch vor dem was wohl einmal ihr Bett gewesen war. Dort jedoch hatte sich nun das weiße Drachenmädchen Alonvy, im wahrsten Sinne des Wortes, ausgebreitet. Die junge Drachin gab sich scheinbar alle Mühe möglichst viel Raum auf der Matratze zu beanspruchen und dachte offenbar nicht daran das Feld zu räumen um es ihrer Reiterin zu ermöglichen ein frisches Laken aufzuziehen.
Ein Blick zu ihrer Tochter stimmte Arya jedoch sorgenvoll. Marlena schien kurz davor zu sein in Tränen auszubrechen.
"Ach verdammt nochmal!" völlig verzweifelt schleuderte Marlena das Bettlaken in eine ecke des Zimmers und ließ sich vor ihrem Kleiderschrank zu Boden sinken. Die junge Halbling zog die beine eng an den Körper und presste die Stirn gegen die Knie.
Fast erschrocken blinzelte Alonvy ihre Reiterin an. Es war ganz offensichtlich, dass das Drachenmädchen sich nur einen Spaß hatte machen wollen. Die plötzliche Verzweiflung ihrer Reiterin überraschte das junge Drachenfräulein ganz offensichtlich.
Arya konnte das verstehen. Alonvy und Marlena standen erst am Anfang ihrer Bindung. Sie mussten erst lernen die Gefühle des Partners richtig zu deuten.
Arya beschloss, dass es an der Zeit war die Initiative zu übernehmen. Mit weichen, fast lautlosen Schritten das Zimmer und setzte sich neben ihre Tochter. Diese spürte die plötzliche Gegenwart eines anderen und hob den Kopf.
Offenbar überrascht ihre Mutter zu sehen blinzelte Marlena schnell einige Tränen weg und bemühte sich, vergeblich, um ein Lächeln.
"Hallo Mutter. Ich bin wieder da."
"Ja, das bist du." erwiderte Arya sanft und blickte ihre Tochter abwartend an.
Einen Augenblick schien Marlena mit sich zu ringen, doch dann kapitulierte sie. Sie wusste offenbar, dass sie ihrer Mutter nichts vormachen konnte.
"Es sind die anderen Novizen. Ich konnte dort nicht bleiben! Es geht einfach nicht."
Es versetzte Arya einen Stich wie verzweifelt Marlena klang. Tröstend legte sie einen Arm um ihre Tochter und ermutigte sie stumm weiter zu sprechen.
"Meine Mitschüler sehen in mir immer nur die Tochter der Ordensführer und behandeln mich auch so. Jeder von ihnen ist auf seine Weise schrecklich. selbst Elamarein!"
Arya kannte den Namen. Der Elf war ein Novize des Ordens aber bereits 80 Sommer alt und als Krieger und Magier ausgebildet worden. Ein weißgoldener Drache hatte ihn als seinen Reiter erwählt.
"Es wundert mich, dass du überhaupt Kontakt zu Elamarein hattest." murmelte Arya. "Er erhält doch Einzelunterricht."
Aufgrund seiner großen Vorkenntnisse hatte man Elamarein von den übrigen Novizen getrennt. Es hätte auch wenig Sinn gemacht ihn die Grundübungen der Novizen durchmachen zu lassen. all diese Dinge kannte er bereits. Im wesentlichen sollte der Elf seinen Drachen betreuen bis sein Begleiter alt genug war um über die Eldunarí aufgeklärt zu werden. Dann sollten die beiden von der Erfahrung der alten Drachen lernen was es bedeutete Reiter und Drache zu sein.
"War er unfreundlich zu dir?" wollte Arya wissen.
"Nein." erwiderte Marlena mit erstickter Stimme und wischte sich über die Augen. "Eine Weile dachte ich sogar, dass er der netteste von allen wäre. Er schien sich gerne mit mir zu unterhalten. Heute Morgen hab ich ihn dann gesucht. Ich wollte ihn etwas fragen. Ich hab ihn auf dem Trainingshof gefunden. Er unterhielt sich mit einem Mitglied der Krieger der Drachen. Er sagte er würde es interessant finden mich zu beobachten. Er würde es erstaunlich finden wie mein menschliches Blut mein elfisches Erbe verwässert hätte. Körperlich wäre ich regelrecht zurückgeblieben und er würde sich nun bemühen herauszufinden ob mein Denken ähnlich unterentwickelt wäre. Er würde damit rechnen, dass es langsamer und plumper wäre als das eines rein blutigen Elfen. Er sieht die Gespräche mit mir als eine Art Forschungsprojekt Mutter!"
Arya kämpfte mit ihrer Wut. Mit Daumen und Zeigefinger massierte sie sich den Nasenrücken.
"Ich kann verstehen, dass dich das verletzt Kind. Aber du solltest nicht zu viel auf dieses Geschwätz geben."
"Das weiß ich Mutter." erwiderte Marlena. "Es war ja auch nur der letzte Tropfen der das Fass zum Überlaufen gebracht hat."
"Was war denn noch?" wollte Arya wissen. Die möglichen antworten erfüllten sie mit Sorge.
"Kuratek, der junge Urgal. Er hasst mich."
"Warum denn das?"
Marlena seufzte tief bevor sie erklärte:
"Als er von seinem Drachen erwählt wurde hat er vor den Ältesten seines Clans geschworen, dass er ihnen Ehre machen würde indem er der beste Schüler seiner Altersstufe werden würde. Er findet, dass ich ihn um seinen sieg betrügen würde. Weil ihn jetzt alle nur noch als den Reiter sehen würden der gemeinsam mit Feuerschwerts Tochter ausgebildet wurde. Er meinte, dass es von jetzt an völlig egal sei welche großen Leistungen er erbringt. Von nun an würde er immer nur in meinem Schatten stehen und ich würde seinen Ruhm ernten!"
"Ohne es verdient zu haben." führte Arya den Gedanken ihrer Tochter weiter aus. "Die Urgalgra sind ein sehr stolzes Volk. Leistung steht bei ihnen über allem."
"Ich hab es mir doch nicht ausgesucht eure Tochter und Reiterin zu sein."
Marlena klang verzweifelt.
"Natürlich nicht Liebes." beschwichtigte Arya. "Kuratek wird das auch verstehen. Urgals sind stolz und heißblütig. Er wird sich wieder beruhigen. Was ist denn mit Tavan? Er ist ein junger Mensch in deinem Alter. Wie hat er den reagiert?"
"Am schlimmsten von allen." erwiderte Marlena unglücklich. "Wann immer ich mich ihm nähere verschluckt er sich fast vor Schreck. Er kann keinen normalen Satz mit mir reden und geht mir ständig aus dem Weg."
"Das kenne ich." erwiderte Arya fast flüsternd, dann verfiel sie in Schweigen. Sie spürte Marlenas fragenden blick auf sich ruhen. Ganz plötzlich war der Elfe klar warum ihr Gefährte sie geschickt um mit ihrer gemeinsamen Tochter zu reden.
Arya wandte sich Marlena zu. Junge Augen, die ihr ganzes Leben noch vor sich hatten blickten sie fragend an. Sanft strich Arya ihrer Tochter über die Wange.
"Glaubst du es war leicht als Prinzessin der Elfen aufzuwachsen? Als Kind eines Volkes mit strengsten Höflichkeitsregeln und nur einer Handvoll kindern in jeder Generation?"
"Oh!"
Erkenntnis leuchtete auf Marlenas Gesicht auf.
"Es war nicht einfach." fuhr Arya fort. "Und deine Großmutter war sehr streng wenn es um die Etikette ging. Damals wirkte sie manchmal regelrecht gnadenlos auf mich. Unnachgiebig. Erst sehr viel Später habe ich erfahren, dass sie mit mir gelitten hat und mir auf so manche Weise geholfen hat. Kleine Geschenke deren ich mir zu ihren Lebzeiten leider nicht bewusst war. Gern hätte ich ihr gedankt aber der Pfeil der Zeit deutet nur in eine Richtung. Er ist wahrhaft unnachgiebig."
"Tut es dir manchmal leid, dass du nicht mit Großmutter reden konntest über.....nja....diese Dinge?"
Arya lächelte traurig ob der Frage ihrer Tochter.
"Oh ja. Doch was mir bleiben sind ihre Geschenke Marlena. eines ist die Freundschaft die mich mit deiner Tante Rhunön verbindet. Meine Mutter hat dieser Freundschaft erlaubt zu wachsen und es ist eine wahre Freundschaft."
Arya fing den Blick ihrer Tochter ein und sah ir tief in die Augen.
"Solche Freundschaften musst du suchen Kleines. Ich weiß, dass dein Vater und ich dir ein schweres Erbe mit auf den Weg gegeben haben und trotz aller unserer Bemühungen können wir dir diese Last nicht von den Schultern nehmen. Aber es ist möglich Wesen zu finden die über all das hinwegblicken können und das sind wahre Freunde Kind. Freunde die es wirklich verdienen so genannt zu werden."
Marlena schlug kurz die Augen nieder, dann nickte sie tapfer.
"Ich weiß, dass ich mich dieser Sache stellen muss Mutter aber...." die junge Halbling biss sich verlegen auf die Lippe. ".....aber könnte ich es von hier aus tun?"
Arya lächelte warm. Für einen Augenblick regte sich ihr Gewissen. War es nicht ihre Pflicht ihre Tochter dazu anzuhalten sich ihren Problemen zu stellen. Dieser Impuls verging jedoch schnell in einem Gefühl, dass sie in den vielen Sommern ihres Lebens nur selten verspürt hatte. Sie fühlte, dass es für sie etwas wichtigeres gab als die Pflicht. Dieses Mädchen war ihre Tochter und sie würde ihr Kind beschützen. Egal ob es sich später als falsch erweisen würde. Damit würden sie sich dann auseinander setzten!
"Das hier ist dein zu Hause. und das wird es immer sein."
Ein breites, erleichtertes Lächeln erstrahlte auf Marlenas Gesicht. Ein Anblick den Arya ebenso sehr genoss wie die stürmische Umarmung ihrer Tochter. diese wurde allerdings unterbrochen als etwas Malenas Bein anstieß. Unbemerkt hatte sich Alonvy von Marlenas Bett erhoben und stand nun vor ihrer Reiterin. Zwischen ihren Zähnen hielt das junge Drachenmädchen das Bettlaken das Malena von sich geschleudert hatte und blickte unsicher mit großen Augen zwischen ihrer Reiterin und dem immer noch ungemachten Bett hin und her.
Marlena musste lachen und auch Arya gestattete sich ein weiteres warmes Lächeln. Mutter und Tochter erhoben sich.
"Für sie wird das auch nicht leicht werden." murmelte Marlena plötzlich wieder ernst. Sie nahm Alonvy das Betttuch ab und strich dem Drachenmädchen gedankenverloren über den Kopf.
"Wird sie nicht die Gesellschaft von andern Schüler-Drachen vermissen?" fragte Marlena in Richtung ihrer Mutter.
Kurz wurde Arya nachdenklich. Sie musste an Fírnen denken. Sie hatte ihm keinen gefallen getan als sie Eragon und Saphira hatte ziehen lassen. Damals hatte sie zu wenig an ihn gedacht. Es war gut, dass ihre Tochter diesen Fehler nicht machte.
"Drachen lassen sich nicht so einfach zu Außenseitern machen." erklärte Arya zuversichtlich. "Außerdem gibt es hier in der Ostmark nicht nur die drei Drachen deiner Mitschüler. Stell Alonvy doch einmal Vervarda vor."
Zuversichtlich nickte Marlena und machte sich daran ihr Bett zu beziehen. Alonvy machte dabei den wenig hilfreichen Versuch ihre Reiterin zu unterstützen.
"Kommt runter zum Abendessen wenn ihr festig seid ihr zwei." sagte Arya schmunzelnd bevor sie sich an den Abstieg über die Wendeltreppe machte.






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