33. Waldläufer Teil 1

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"Was wollt ihr damit sagen?" erkundigte sich Arya besorgt bei Tialva.
Die andere Elfe überlegte einen Moment und begann dann zu erklären.
"Bloedgram mag im Augenblick nichts anderes im Sinn haben als Rache aber er ist nicht dumm. Er wird mit Sicherheit vorhersehen können, dass ihr sein Verhalten nicht gutheißen werdet. Deswegen wird er alles tun um einen Vorteil zu erhalten. Ein Vorteil könnte es beispielsweise sein wenn er wesentlich schneller in der Lage ist zuzuschlagen als ihr es für möglich halten würdet."
"Ein Ortswechsel durch Magie?" erkundigte sich nun Eragon der aufmerksam zugehört hatte.
Tialva nickte.
"Er ist sehr geschickt mit diesen Zauber. Es wird ihm vielleicht nicht möglich sein sich direkt nach Du Weldenvarden zu transportieren aber es genügt völlig, wenn er sich nur in die Nähe des Waldes bringt. Innerhalb von wenigen Stunden kann eine so tief im Unterholz verschwinden, dass sie so schnell niemand mehr aufspüren wird."
"Das würde einiges erklären." murmelte Eragon. "Als ich von Bloedgrams Racheschwur erfahren habe und von seiner überstürzten Abreise habe ich einige Reiter die im Augenblick in der Ostmark verweilen ausgeschickt um das umliegende Gebiet abzusuchen. Sie haben bisher nichts gefunden. Ein Drache im Flug kann schnell ein riesiges Gebiet abdecken. Wenn Bloedgram Magie benutzt hat um sich von einem Ort zum anderen zu bringen, kann er das praktisch direkt außerhalb der Grenzen der Ostmark getan haben. Innerhalb des Tals wäre es unmöglich gewesen weil ich das durch einen Schutzwall verhindert habe. Ich habe diesen Schutz aufgebaut als ich das Tal entdeckt habe und zu verhindern dass Dracheneier oder sonstige wertvolle Besitztümer des Ordens gestohlen werden."
"Man hätte doch aber wenigstens eine deutliche Spur finden müssen." gab Arya zu bedenken."Der Ortswechsel durch Magie ist ein extrem kraftvoller Zauber der meist einen Krater hinterlässt. Doch keinen ist ein solches Kunststück gelungen ohne dass gewisse Spuren an der Umwelt zurückgeblieben wären."
"Es sei denn, unser Freund hatte seine Abreise einem Ort gewählt, an dem kein Reiter suchen wird weil es ihm verboten ist." erwiderte Eragon und blickte seine Gefährtin viel sagend an.
Nach einigen Sekunden leuchtete Erkenntnis in Aryas Augen auf.
"Du meinst den verlorenen Wald!"
Eragon nickte. Es war der ideale Platz. Das kleine Waldstück außerhalb der Ostmark war lange Zeit Bloedgrams Heimat gewesen. Gemeinsam mit den anderen Mitgliedern seiner Leibwache hatte der Elf dort die Seelenhorte betreut die sich von der Versklavung durch Galbatorix erholen mussten. Aus erster Hand hatte der Wolfkatzenelf die Veränderungen in dem Waldstück miterlebt und es würde ihm sicherlich nicht schwer fallen einen geeigneten Ort für seine Abreise zu finden ohne sich dabei über die Gebühr in Gefahr zu begeben.
Bloedgram muss gewusst haben, das ausgesandte Reiter ihn dort zunächst nicht suchen würden. Jedem Novizen des Ordens war bei Beginn seiner Ausbildung in der Ostmark eingeschärft worden dieses Waldgebiet zu meiden! Allein der Anblick des Waldes schreckte die meisten jungen Drachen und Reiter ab. Nicht jedes Gespann war so unternehmungslustig gewesen wie Ismira und ihre Drachendame Anarie. Das die beiden bei ihren nächtlichen Abenteuer fast umgekommen waren war kein Geheimnis in der Ostmark und hatte dazu geführt das jeder diesem Wald nun mit gebührenden Respekt begegnete. Wussten Reiter und Drachen erst einmal wie dieser Wald entstanden war erhöhte sich die Abneigung meistens warum ein vielfaches. Kaum ein Gespann würde freiwillig diesen Ort aufzusuchen.
"Nehmen wir an ihr habt recht Tialva-Älfa-kona." setzte Arya an." So müsste das Ziel eures ehemaligen Gefährten dennoch Giel'ead sein." beharrte Arya."Man hatte die Unterlagen über die verstoßenen Kinder bereits dort hinterlegt. Nur dort kann er erfahren ob er zu den Betroffenen gehört und wer dafür verantwortlich ist, dass ihm der Sohn genommen wurde. Ich kenne Bloedgram auch schon eine Weile. Er wird sich nicht einfach an jedem Mitglied unseres Volkes rächen, dass in dem Geburtshaus gearbeitet hat in dem ihr eure Niederkunft hattet Tialva-Älfa-kona."
"Da gebe ich euch völlig recht Argetlam Arya. Das wäre in der Tat nicht seine Art." bestätigte Tialva."Aber offen gesagt zweifle ich daran, dass die Dokumente wirklich die einzige Möglichkeit sind wie mein ehemaliger Gefährte erfahren könnte, wo er den Schuldigen findet. Bloedgram war schon vor seiner Zeit als euer Leibwächter Schattentöter ein hoch angesehener Magier unseres Volkes. Das er an eurer Seite dazu beigetragen hat Galbatorix zu stürzen und den Drachen neues Leben zu geben hat die Verehrung, die man ihm entgegenbringt noch weiter gesteigert. Er hat viele Freunde in verantwortlichen Positionen. Seid Ihr sicher, das er die Information nirgendwo sonst erhalten könnte."
Eragon verfolgte wie Arya skeptisch ihre Stirn in Falten legte.
"Es gibt nur einen Weg um da wirklich sicher zu sein." räumte sie schließlich ein. "Wir müssen König Maranus kontaktieren und in Erfahrung bringen wer für die Durchsicht der Dokumente verantwortlich war. Nur von dieser Person kann Bloedgram die Antworten erhalten haben die er zweifellos sucht. Wenn es dort wirklich ein Band der Freundschaft gibt müssen wir wirklich damit rechnen, dass unser Freund seinem Ziel bereits wesentlich näher ist als wir es bisher für möglich gehalten haben."
Eragon stimmte seiner Gefährtin mit einem Nicken zu und zog seinen magischen Spiegel hervor. Er nahm direkten Kontakt mit der Tialdarì-Halla auf. Das Elfenvolk hatte die Kommunikation über die magischen Spiegel so geregelt, dass alle Kontaktaufnahmen sie sich an den König oder die Königin richteten auf einen bestimmten Spiegel in einem bestimmten Raum begrenzt blieben. Ein Bediensteter des Palastes bewachte den Spiegel ständig und informierte die Herrscher wenn jemand sie zu sprechen wünschte. Diese Praxis war aus der Erkenntnis hervorgegangen, dass die Wahrscheinlichkeit sonst zu hoch wäre bedeutende Persönlichkeiten des Elfenvolkes in privaten Situationen zu überraschen.
Auch heute meldete sich der dienstbeflissen Wächter des Spiegels kaum das Eragon den Zauber gewirkt hatte. Der Anführer der Drachenreiter brachte seine Bitte um ein Gespräch mit den König vor und der Diener versicherte ihm, dass er die Anfrage sofort an den Herrscher weiterleiten würde und Eragon bereits in einigen Minuten in der Lage sein würde mit Maranus zu sprechen.
"Auch wenn wir nachweisen können, das Bloedgram bereits in unseren Wäldern ist, wird es nicht leicht werden ihn zu finden."murmelte Tialva düster." Mein ehemaliger Gefährte ist der beste Jäger unseres Volkes."
"Verzeiht bitte meine Ignoranz Tialva-Älfa-kona" wunderte sich Eragon. "Aber ich hätte nicht damit gerechnet dass es bei eurem Volk überhaupt Jäger gibt. Ihr lehnt es strikt ab Fleisch zu essen. Warum sollte sich also jemand auf die Jagd begeben?"
Saphiras Reiter spürte wie Arya ihm die Hand auf die Schulter legte und stellte fest, dass seine Gefährtin in sanft anlächelte.
"Du bist weise geworden Schattentöter." sagte sie und der Hauch eines Schmunzelns schlich sich in ihrer Stimme."Manchmal jedoch zeigt sich deine Jugend doch noch."
Auch Tialva gestattete sich ein kurzes, respektvolles Lächeln und erklärte dann:
"Heute lehnen wie es in der Tat ab Tiere zu töten um uns zu ernähren aber vor unserem Frieden mit den Drachen war dies anders. Erinnert euch, dass der furchtbare Krieg zwischen uns und den Drachen ausgelöst wurde weil ein unbedachter Jäger unseres Volkes einen Drachen erlegte wie einen Hirsch. Ihr wisst vermutlich aus eigener Erfahrung, dass zur Jagd mehr gehört als nur die Fähigkeit mit Pfeil und Bogen ein Ziel zu treffen. Man muss sich lautlos im Wald bewegen können, Geduld haben und muss Lichtverhältnisse und Wind in die Pirsch mit einbeziehen. Dazu muss man noch die Spuren der Tiere erkennen können und in der Lage sein sich ihnen zu nähern ohne sie zu verschrecken. Die Tiere Du Weldenvardens fürchten uns inzwischen nicht mehr weil sie wissen, dass wir sie nicht erlegen werden aber es gilt als hohe Kunst bei unserem Volk sich einem Geschöpf des Waldes nähern zu können ohne von den feinen Sinnen der Beute erfasst zu werden. All diese Fähigkeiten, dass Spurenlesen und das lautlose anpirschen wird als nützlich angesehen und geachtet. Die Traditionen des Jägers werden in unserem Volk lebendig gehalten und an lernwillige Elfen weitergegeben. Mitglieder unseres Volkes die sich dieser Kunst verschrieben haben sind die Wächter unseres Waldes. Sie durchstreifen ihn als Späher um Eindringlinge aufzuspüren und unsere Städte zu schützen. Außerdem wachen sie auch über die Gesundheit von Tier und Pflanzen. Manchmal wenn eine Kreatur des Waldes eine gefährliche Krankheit hat ist auch die Aufgabe dieser Waldläufer das infizierte Tiere zu töten. Das fällt uns natürlich nicht leicht aber wir wissen dass der Tod ein Teil des Lebens ist das wir so verehren. Bloedgram hat alles Fähigkeiten eines Jägers zur Meisterschaft in sich heran gebildet. Das ist auch der Grund weshalb ich glaube, dass er unserer heimischen Wälder als Stätte seiner Rache wählen wird. Er kennt unseren schützenden Wald und ist damit im Vorteil. Selbst Soldaten der königlichen Garde kennen unsere Heimat nicht so gut wie ein Waldläufer mit Erfahrung. Bloedgram besitzt diese Erfahrung."
Eragon dachte über das Gehörte nach. Es ergab Sinn. Mehr und mehr war der Anführer der Reiter davon überzeugt, dass sich der Wolfkatzenelf wirklich in Du Weldenvarden aufhielt. Selbst ein Kämpfer in Begleitung eines Drachen war hier im Nachteil. Das dichte Grün des Waldes verdeckte eine potentielle Beute vor den Augen eines Jägers des Himmels und in einigen Gebieten standen die Bäume so eng, dass ausgewachsene Drachen sich nicht ohne weiteres zwischen ihnen bewegen konnten.
Ein Räuspern dieses Eragon wieder zu dem magischen Spiegel blickten den er immer noch in der Hand hielt. Dort zeichnete sich das Gesicht von König Maranus ab.
Höflich tauschten der Monarch und der Anführer der Reiter die offiziellen Grüße aus und anschließend fragte der König:
"Es ist stets eine Ehre mit euch zu sprechen Schattentöter. Doch was ist der Grund für dieses Gespräch?"


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