93. Vater und Tochter

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Vorsichtig spähte Marlena aus der Haustür. Ja! Jetzt war der perfekte Moment um sich aus dem Staub zu machen. Ihre Mutter war mit ihrem Drachen bereits früh aufgebrochen. Einige Novizen des Ordens sollten die Reise zur Stadt der Toten antreten und Arya und Fírnen begleiteten die jungen Schüler.
Die junge Halbling war sich sehr wohl bewusst, dass das gestrige Gespräch mit ihrer Mutter nicht so gut verlaufen war.
Eine Tatsache die ihr nicht sonderlich gefiel. Trotz aller Unstimmigkeiten liebte sie ihre Mutter und im Grunde wusste sie das es umgekehrt ebenso war. Irgendwie war früher nur alles einfacher gewesen.
Die junge Halbling hatte aber keine Lust auf eine langwierige Auseinandersetzung mit ihren Eltern. Da war es natürlich ein Glücksfall, dass Ihre Mutter zu einer Reise aufbrach. Einige Wochen waren auch bei einer Elfe genug Zeit um ein Problem zu vergessen.
Sie musste es nur schaffen auch ihrem Vater bis zum Abend aus dem Weg zu gehen! Ihr Vormittag war schon gut verplant.
Sie würde in der Bibliothek aushelfen. Sie hatte es Jeod versprochen und freute sich auch auf die anstehenden Aufgaben! Den Morgen würde sie mit dem Kopieren einiger Texte verbringen und sich anschließend mit etwas Lesestoff die Zeit vertreiben.
Um das Mittagessen machte sie sich keine Sorgen. Sie verbrachte so viel Zeit in der Bibliothek das Jeods Frau schon fast von selbst ein weiteres Gedeck auflegte.
Nachmittags würde sie dann einen Bummel durch die Reiterstadt machen und vielleicht bei der Kaserne der Krieger der Drachen vorbeischauen. Man war auch dort an ihre Besuche gewöhnt und es fand sich eigentlich immer ein Gegner für ein kleines Übungsduell.
Am Abend würde sie dann nach Hause zurückkehren. Ein arbeitsreicher Tag reichte bei ihrem Vater aus, damit dieser eine harmlose Bagatelle vergaß.
Im Augenblick war er sowieso beschäftigt. Er half seiner Drachendame Saphira bei einer gründlichen Reinigung ihres Suppenpanzers. Den Großteil dieser Arbeit erledigte die blaue Drachendame natürlich selbst. Immerhin war es eine wichtige Angelegenheit die mit Aufmerksamkeit und Sorgfalt durchgeführt werden musste. Behauptete zumindest Saphira.
Einige Stellen am Körper waren aber nun einmal schwer zu erreichen und wem könnte man eine so wichtige Aufgabe besser anvertrauen als dem eigenen Reiter?
Marlena wartete bis ihr Vater, bewaffnet mit einer festen aber doch anschmiegsamen Bürste, auf der anderen Seite von Saphira verschwunden war, dann huschte die junge Halbling aus der Tür ihres Elternhauses und bemühte sich möglichst schnell den Rand des Plateaus zu erreichen.
Nach fünf Schritten jedoch ertönte eine ihr nur zu gut bekannte Stimme:
"Wohin so schnell liebe Tochter"
Resigniert blieb Marlena stehen und drehte sich langsam um.
Ihr Vater saß lässig in der Nackenmulde seiner Drachendame und hatte den Blick fest auf sie gerichtet..
"Guten Morgen Vater." erwiderte die junge Halbling schnell und machte einen letzten Versuch ihren Plan zu retten. "Ich wollte in die Stadt. Ich habe Jeod versprochen ihm zu helfen und ich bin schon spät dran."
"Sicherlich nicht so spät das du nicht noch einen Augenblick Zeit für deinen Vater hast. Ich bin mir nämlich ziemlich sicher, dass ich dich erst in den späten Abendstunden zu Gesicht bekommen würde wenn du jetzt gehst. Was man in so wenigen Stunden doch alles vergessen kann nicht wahr? Wie viele Dinge bleiben wohl unausgesprochen weil man sie einfach vergisst."
Marlena kapitulierte. Der neckische Unterton ihres Vaters war ihr nicht entgangen. Sie war durchschaut.
Langsam, sich Schritt für Schritt dem Schicksal beugend schlurfte Marlena zu ihrem Vater zurück.
Kurz suchte sie Blickkontakt mit Saphira. Manchmal hatte sie von dieser Seite schon Hilfe erhalten doch heute sah es damit schlecht aus. Die blaue Drachendame ließ erst gar keinen Blickkontakt zu. Etwas, das Marlenas Aufmerksamkeit völlig entging und sich irgendwo am zweiten Zeh ihrer linken Vorderkralle befinden musste, beanspruchte die gesamte Aufmerksamkeit der mächtigen Drachendame.
Ein gleitendes Geräusch und ein dumpfer Aufschlag verrieten Marlena, dass ihr Vater an der Flanke seiner Seelenpartnerin hinabgerutscht war und ihr nun gegenüber stand.
Tief atmete die junge Halbling ein und gab den Versuch auf in Saphira eine Verbündete zu finden. Resigniert erwiderte sie den Blick ihres Vaters.
Dieser wirkte nun nicht mehr als wäre der Anführer der Drachenreiter zu Scherzen aufgelegt sondern war über alle Maßen ernst.
Marlena wollte gerade den Mund öffnen um etwas zu sagen als Eragon ihr zuvor kam:
"Du weißt, dass ich es überhaupt nicht mag wenn du deine Mutter und mich gegeneinander ausspielst! Hätte ich gewusst, dass sie dich gebeten hatte bei der Verabschiedung anwesend zu sein hätte ich dich nicht gehen lassen."
"Ich weiß." gestand Marlena ein.
"Das muss aufhören!" forderte Eragon. "Auf die Dauer könnte es meine Beziehung zu deiner Mutter sehr belasten und das möchte ich nicht."
"Ich doch auch nicht." räumte Marlena ein und es war die Wahrheit. Ihre Eltern sollten sich wegen ihr bestimmt nicht streiten.
"Es kommt aber in letzter Zeit immer öfter vor Kind! Warum? Was ist los ? Mit euch beiden. Mit dir und deiner Mutter?"
"Ich weiß auch nicht." brummte Marlena und trat gegen einen Büschel Gras. "Mit ihr kann man einfach nicht diskutieren. Sie hört nie zu sondern erteilt einfach nur Anweisungen. Ich will nicht nur Befehle entgegennehmen. Ich habe auch ein eigenes Leben und Verpflichtungen."
"Und deine Mutter versteht das." versicherte Eragon ihr und legte den Arm um seine Tochter. Gemeinsam schlenderten sie über das Plateau.
"Deine Mutter hat harte Zeiten durchgemacht." erklärte Eragon. "Sie war Prinzessin ihres Volkes, kurze Zeit sogar Königin und als Botschafterin musste sie mit den Varden ein sehr zerbrechliches Bündnis zusammenhalten. Da musste sie klar ihren Standpunkt vertreten."
"Aber ich bin ihre Tochter und nicht ihr Feind!" hielt Marlena trotzig dagegen.
"Stimmt. Aber du darfst auch nicht vergessen, dass sie eine Elfe ist. Elfen sind nicht einfach nur Menschen mit spitzen Ohren. Hast du denn schon einmal versucht ihr deine Argumente mitzuteilen wenn ihr anderer Meinung wart?"
"Ja."
"Und ich wette du hast es direkt getan. Unmittelbar nachdem sie dir ihre Wünsche mitgeteilt hat.. Richtig?"
Marlena nickte. Zu ihrer Überraschung grinste ihr Vater nun verstehend.
"Weißt du, dein Großvater Brom hat mir einmal gesagt, dass es eines feinsinnigen Geistes bedarf um mit den Elfen auszukommen und er hatte recht. Elfen wiegen jedes Argument ganz genau ab und antworten nur wenn sie jeden Aspekt der Situation mit einbezogen haben."
"Du meinst ich sollte mehr Geduld mit Mutter haben? Nicht sofort widersprechen und auf eine Antwort vielleicht manchmal warten?"
"Das wäre ein Anfang." schmunzelte Eragon.
"Das ist aber nicht einfach." gab Marlena zurück.
Nun lachte ihr Vater.
"Dann frag deine Mutter mal wie ich mich aufgeführt habe als wir uns kennen gelernt haben! Sagen wir, es war noch nicht besonders feinsinnig."
Einen Augenblick genossen Vater und Tochter den gemeinsamen heiteren Moment. Schließlich jedoch ergriff Eragon Marlena bei den Schultern und drehte sie zu sich um. Vater und Tochter sahen sich in die Augen.
Marlena wusste was ihr Vater nun von ihr erwartete und es erschien auch ihr das Richtige zu sein.
"Ich werde heute Abend über den Spiegel mit Mutter sprechen und mich entschuldigen."
"Gut." sagte Eragon und hob noch einmal mahnend den Finger. "Und kein ausspielen mehr. Wenn du glaubst deine Mutter nicht zu erreichen, rede mit mir offen. Ich habe lange gebraucht um sie wirklich zu verstehen und es gibt immer noch Tage an denen sie mich überrascht aber ich denke ich kann vermitteln."





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