134. Morgenstunde

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Ein verdächtiges Poltern lockte Eragon aus seinem Badezimmer.
Es war ein bedeutsamer Tag für seine Familie und er war früh auf den Beinen. Der Anführer der Reiter blickte durch den Flur seines Hauses und sofort fiel ihm auf, dass die Schiebetür, neben dem Eingang zur Küche einen Spalt breit geöffnet worden war.
Mit einem wissenden Lächeln auf dem Gesicht ging Eragon auf die halboffene Tür zu. Bereits vom Flur aus hörte er eindeutige Geräusche. Ein wütendes quicken, gefolgt von einem Geräusch, das wie das herzhafte Niesen eines Jungdrachen klang.
Eragon öffnete die Tür und seufzte. Ein Schwanz verschwand und gleich darauf blickten zwei schuldbewusste Kulleraugen den Anführer der Reiter über den Rand der Mehltonne hinweg an.
Schmunzelnd hob Eragon seinen kleinen, ungebetenen Gast ans Tageslicht. Die Schuppenfarbe des jungen Drachens war kaum noch zu erkennen da er von Kopf bis Fuß mit Mehl überzogen war. Eragon schätzte, das der kleine Sculblaka etwa 6 Wochen alt war. Gerade alt genug, dass er Nutzen von seinen Flügeln hatte.
Erreichten Schlüpflinge dieses Alter suchten sie, unter der Aufsicht von Vervarda und ihren jeweiligen Eltern Saphira, die Mutter der Wiedergeburt des Drachenvolkes auf um von ihr einige Lektionen in Geschichte zu erhalten. Es war eine Geste des Respekts aller Drachen die in der Ostmark lebten an die Drachendame die für ihre Freiheit gekämpft hatte.
Dieser Umstand führte dazu, dass Saphira stets gut über alle Drachen in der Ostmark bescheid wusste.
Eragon setzte den jungen Wilden auf dem Boden ab. Der Drache zwinkerte ihm dankbar zu und begann sich zu schütteln um das Mehl loszuwerden das auf seinen Schultern klebte. Seine Bemühungen waren nur von Geringem Erfolg, lösten aber einen weiteren Niesanfall aus.
Eragon betrachtete indes das Loch im Deckel der Mehltonne.
"Du bist eingebrochen, was mein junger Freund?"
Der junge Drache fiepte unglücklich und betrachtete sich unzufrieden.
Noch immer war er über und über mit Mehl bedeckt. Inzwischen erkannte man aber, dass sein Suppenkleid weißgolden war.
Sanft schob Eragon den Jungdrachen durch die Tür, in den Flur und in die angrenzende Küche.
"Na dann komm mal junger Freund. Vielleicht kannst du dich wieder herausschleichen bevor Saphira bemerkt, dass du dich weggeschlichen hast."
-"Die Hoffnung kannst du gleich fahren lassen Kleiner!"-
Saphiras ehrfurchtgebietende Gestalt erwartete sie im Rahmen der Außentür. Eragons ungebetener Gast schrumpfte unter dem harten Blick der blauen Drachendame zusammen.
-"Jurac! Habe ich dir und den anderen Schlüpflingen nicht klar gesagt, dass....."-
-"Saphira bitte!"- Eragon unterbrach seine Drachendame. -"Du bist immer so hart mit einem deiner Schüler wenn er oder sie Unfug machen. Ich glaube dann immer, dass es meine Schuld ist."-
Verwirrt zog Saphira den Kopf zurück. Sie zwinkerte überrascht.
-"Wieso deine Schuld?"-
Eragon gab dem kleinen Jurac ein Zeichen. Der Weg nach draußen war nun frei! Der Jungdrache nutze die Chance, schoss aus der Tür und verschwand im hohen Gras.
Eine weiße Mehl Spur wies in die Richtung des kleinen Baches der die Schlüpflingswiese durchzog.
-"Verräter!"- knurrte Saphira und fixierte ihren Reiter.
-"Ich fühle mich deshalb schuldig, weil ich mich frage ob du wegen mir eine so harte Lehrmeisterin bist."-
-"Erklär mir das?"- fragte Saphira misstrauisch.
-"Ich habe dir sehr früh die ganze Last der Welt mit auf die Schultern geladen. Du musstest dich großen Gefahren stellen lange bevor den Feuer erwachte. Heute gestatten wir keinem unserer Schüler auf eine Mission zu gehen bevor ein Jungdrache sein Feuer entdeckt. Wegen mir hattest du keine Kindheit und hast deshalb kein Verständnis dafür, das Kinder manchmal Schabernack aushecken."-
Saphira machte den Versuch ihren Reiter zu unterbrechen aber diesmal blieb Eragon hart.
-"Seihen wir doch mal ehrlich meine Schöne. In jeder Generation von Jungdrachen die uns hier besucht hat waren ein oder zwei Naseweise dabei die der Versuchung nicht widerstehen meine "merkwürdige Zweibeiner Höhle" zu erforschen. Allen voran Vervarda und Hidalgo wenn ich dich erinnern darf."-
Saphira summte versonnen und wich dem Blick ihres Reiters aus als sie antwortete.
-"Diesmal war es eine Wette. Die Kleinen haben gewettet wer sich traut in dein Haus vorzustoßen obwohl ich es verboten habe."-
Eragon lachte leise doch Saphira blieb ernst. Ihr blick ruhte auf den sechs Jungdrachen die sich um den Kleinen Bach versammelt hatten an dem Jurac sich gerade säuberte.
-"Vielleicht hast du nicht unrecht Kleiner. Ich Verlange viel von den Küken. Das Schicksal hält für sie zwar keine Prüfungen wie die unsrigen bereit aber sie müssen stark genug sein um sich ihnen zu stellen. Für das Drachenvolk. Mein Volk! Aber ich möchte nicht, dass du dich schuldig fühlst. Das Leben ist mit uns beiden hart ins Gericht gegangen und wir haben es zusammen gemeistert. Verstanden?!"-
-"Verstanden Saphira. Aber bitte sei nicht zu streng mit dem kleinen Jurac. In Ordnung?"-
-"Nein"- entgegnete die blaue Drachendame unschuldig. -"Dafür ist es noch zu früh am Morgen. Außerdem haben seine Spielkammeraden ihn als geflügelten Mehlwurm erlebt. Das ist Strafe genug."-
Unter dem schmunzelnden Blick ihres Reiters schritt die blaue Drachendame würdevoll davon um ihre Schüler zu entlassen.
"Besuch am frühen Morgen?" erkundigte sich eine andere, wohlbekannte Stimme hinter Eragon.
Der wohlbekannte Geruch von Kiefernnadeln umfing Eragon als Arya neben ihn trat. Mit einem sanften Kuss begrüßten sich die Gefährten.
"Wir brauchen einen neuen Deckel für die Mehltonne." erklärte er anschließend gespielt sachlich.
Arya lächelte kurz, dann jedoch wanderte der Blick der Elfe zum Fenster des Zimmers ihrer Tochter.
"Es ist ein großer Tag für sie." murmelte Arya als Eragon hinter sie trat und die Arme um ihre Hüften schlang.
"Ich weiß das du sie vermissen wirst." flüsterte Eragon. "Aber wir sollten uns auch für sie freuen. Ihre Reise beginnt. Und anders als du und ich, wird sie nicht in eine Welt voller Gefahren hinausziehen beladen mit erdrückenden Pflichten. Sie wird sich die Schönheit dieser Welt ansehen können. Oder hast du so wenig Vertrauen in die Arbeit die wir in den letzten Jahrzehnten gleistet haben, mein Stern?"
"Nein, natürlich nicht." seufzte die Elfe in Eragons Armen. "Aber sie wird mir fehlen."
Eragon antwortete nicht, sondern begann damit seiner Gefährtin zärtliche Küsse auf den Nacken zu hauchen.
Arya drehte sich zu ihrem Gefährten um und fragte mit mit wissendem Lächeln.
"Soll das eine Versprechen meines kleinen Bauernjungen sein, dass er mich in den nächsten Tagen verwöhnen wird?"
Eragon brachte sein Gesicht vor das von Arya und flüsterte:
"Die nächsten Tage? Ich hatte an die nächsten Wochen gedacht."
Zufrieden versanken die beiden Drachenreiter in einem weiteren Kuss.
"Ich werde jetzt meinen morgentlichen Rimgar absolvieren." erklärte Arya als sie sich wieder voneinander trennten. "Schließt du dich mir an?"
"Ich werde lieber für das Frühstück sorgen mein Stern. Wer weiß wie viel Schaden unser Gast angerichtet hat und wir wollen Marlena und Alonvy doch nicht hungrig in die Welt entlassen."
Arya lächelte und trat auf die wiese hinaus während Eragon sich zur Eingangstür umdrehte. Gerade als er über die Schwelle treten wollte bemerkte er Alonvy. Die weiße Drachendame trat hinter dem Haus hervor und hielt ein vom Morgentau nasses Grasbüschel zwischen den Zähnen. Mit schelmisch funkelnden Augen schob sie ihr Haupt durch das Fenster ins Zimmer ihrer Reiterin.
Eragon seufzte. Er hatte den untrüglichen Verdacht, dass es mit dem Schlaf für seine Tochter vorbei war und er sich lieber mit dem Frühstück beeilen sollte.







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