119. Nachbeben Teil 1

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Umaroth hatte einmal mehr die alte Heimat für das Treffen gewählt. Seine Erinnerungen hatten Vroengard in seinem Geist wieder auferstehen lassen. Gemeinsam mit Glaedr und Miemel lag er auf der Klippe. Unter ihnen brandete das Meer an die Küste der Reiterinsel und vor ihnen erstreckte sich die Ebene auf der die alte Reiterstadt lag. Gerüche und Eindrücke wehten zu den alten Drachen empor von Wesen die längst ins Nichts gegangen waren. Nur hier, in der Erinnerung, existierten sie noch.
Umaroth spürte wie ein weiteres Bewusstsein in die Sphäre seiner Gedanken glitt. Er erwartete den Besucher und ließ die fremde Seele gewähren.
Es begann wie ein Flirren, dass man an heißen Tagen in der Luft beobachtete. Schnell jedoch gewann die undefinierbare Form an Substanz und schließlich gesellte sich ein bis auf die letzte Schuppe genaues Abbild von Voratan zu den drei wartenden Drachen.
"Ich grüße dich junger Bewahrer." sagte Umaroth.
Der grau Drache senkte kurz respektvoll den Kopf. Auch Umaroth, Glaedr und selbst Miemel erwiderten die Geste. Schuppen-wie-Stein-Augen-wie-Feuer-Voratan mochte etwas mehr als 10 Sommer gesehen haben, aber in ihm lebte die Seele des Drachenvolkes. Auch unter älteren Artgenossen verdiente er damit einen gewissen Respekt.
Umaroth empfand es als ein Glück, dass zwei Eier von Bewahrern ihren Weg in das Verlies der Seelen gefunden hatten. Küken die mit dem uralten Wissen geboren wurden waren ein Anker für das gesamte Volk der Drachen. Fest verwurzelt, wie ein jahrhundertealter Baum, trotzten sie dem Sturm der Veränderung und bewahrten damit den Weg der Drachen.
Gerade die jüngsten Ereignisse hatten gezeigt wie wichtig das war.
Während Umaroth diesen Überlegungen nachhing ließ Voratan seinen Blick über die Umgebung schweifen die Umaroth aus seiner Erinnerung erschaffen hatte.
Eine Welle fragender Gedanken erreichte den ehemaligen Weggefährten von Vrael.
"Du möchtest wissen, warum ich für Treffen wie dieses immer diesen Ort wähle?" Umaroth schmunzelte. "Weil ein Teil von mir immer noch an diesem Ort lebt junger Bewahrer. Ich habe Generationen unseres Volkes hier aufwachsen gesehen, habe beobachtet wie sie heranwuchsen und schließlich in die Welt hinauszogen. An diesem Ort bin ich der Gestallt am nächsten die du nun als Verkörperung meiner selbst vor dir siehst. Der Friede der durch diese Einheit entsteht macht die Unterhaltungen die wir führen für alle Beteiligten Angenehmer. Auch für mich. Vergiss nicht junger Bewahrer: Alles was du hier siehst ist ein Teil meiner Seele. Eine Facette meines Wesens. Dadurch, dass mein Bewusstsein im Frieden ist, ist es leichter für mich Gäste in meinem Geist zu haben und doch klar in meinen Gedanken, Ansichten und Äußerungen zu sein."
Voratan neigte kurz sein mächtiges Haupt und signalisierte, dass er verstanden hatte. Anschließend legte er sich zu den anderen Drachen.
"Wie ist es gegangen." fragte Glaedr schließlich.
Voratan öffnete die Porten seines Geistes und ein Strom von Bildern floss zu den älteren Drachen. Der Grüne Fírnen und Harkor wie sie zum Kampf in den Himmel stiegen. Ein Donner von Drachen der sich erhob, vereint und getragen durch einen Gedanken: Rache! Vergeltung!
Kurz flammte Harkors Geist auf. Die Gedanken wirkten wie ein Erklärungsversuch aber der Strom war wie ein Kerzenflamme in einem tosenden Orkan. Keiner der angreifenden Drachen kümmerte sich darum was der schlammschuppige Verräter sagen wollte. Der Geist dessen was er sagen wollte drang durch doch die Worte, die Einzelheiten wurden einfach hinfort gefegt. Der eigentliche Kampf war nur kurz. Mit der Kraft einer Naturgewalt drang der Donner auf den feigen Verräter ein und zwangen Harkor vom Himmel. Seine Kraft verebbte schnell. Zu groß war die Übermacht. Schließlich zeigten Voratans Erinnerungen Fírnen. Zorn umgab den grünen Drachen wie ein heißer Wind. Der Strom der Erinnerungen endete mit den Bildern der Zerstörung von Harkors Seelenhort.
"Der Gerechtigkeit wurde genüge getan." knurrte Miemel zufrieden.
Stumm stimmten Glaedr und Umaroth der alten Drachendame zu.
"Er hatte nichts besseres Verdient." knurrte Glaedr. "Das er eine unterschiedliche Meinung hatte kann ich noch verstehen. Aber dieser hinterlistige Anschlag. Damit hat er das recht verwirkt sich Drache zu nennen! Wir schleichen uns nicht feige von hinten an. Wir spinnen keine Intrigen und errichten Netze aus Lügen!"
"Er war ein Feigling!" bekräftigte Miemel. "Er hatte das Herz eines Ra Zac. So bringen diese stinkenden Missgeburten ihre Opfer zur Strecke! Heimtückisch! Im Schutz der Dunkelheit!"
"Ihr habt recht meine Freunde." murmelte Umaroth und sein Blick wanderte in die Ferne, dorthin wo sein Geist den Horizont erschaffen hatte.
"Aber? Was?" Glaedrs Stimme klang belustigt. "Ich kenne dich lange genug um zu wissen, dass dich etwas bedrückt alter Freund. Sprich! Teil deine Sorgen mit uns."
Umaroth stieß in Glaedrs Richtung ein dankbares schnauben aus dann erwiderte er:
"Was mich bekümmert ist, dass es wieder geschehen ist! Wieder hat sie ein Reiter und sein Drache gegen den Orden gewandt. Haben wir unsere Schüler denn wirklich so schlecht ausgebildet? Waren sie alle so zerfressen von Hochmut und Selbstzufriedenheit, dass sie sich selbst für Götter halten?"
"Ich weiß was du meinst alter Freund. Mein Reiter und ich...." Glaedr verstummte für einen Moment. Ein Welle des Schmerzes ging von ihm aus, doch nur für einen Augenblick. Schließlich faste sich der Goldene wieder und sprach weiter.
"Oromis und ich haben uns fast 100 Jahre mit dieser Frage gequält. Morzan war schließlich unser Schüler und was hat er in der Welt angerichtet. Wie konnten wir so völlig versagen? Doch auf der anderen Seite war da Brom!"
"Da hast du recht." brummte Umaroth. "Brom hat großes geleistet und dabei hatte er sogar noch weit mehr verloren als Darus. Harkor lebte schließlich in seinem Seelenhort weiter und anders als Broms Saphira an der Seite seines Reiters. Und was haben die beiden erreicht? Nichts. Brom gründete die Varden. Rettete Saphiras Ei für die gute Sache und er bewahrte sich sein Herz. Er sah das Gute in dieser Selena und aus einem Funken wurde ein Licht. Ein Licht aus dem schließlich Eragon geboren wurde. Darus und Harkor haben nichts geleistet, dass sich damit auch nur im Ansatz vergleichen ließe"
"Was uns wieder zum ursprünglichen Problem zurückbringt." knurrte Glaedr. "Wo war der Fehler? Du hast ganz recht alter Freund. Auch ich bin besorgt. Unser Volk kann keinen weiteren Galbatorix überstehen."
Umaroth wollte gerade etwas erwidern als er ein Geräusch hörte, mit dem er in dieser Situation am wenigsten gerechnet hätte. Das schnarrende, heisere Lachen eines anderen Drachens.
"Darf ich fragen was du so amüsant findest Miemel?" knurrte er leicht verärgert.
"Euch." lachte die alte Drachendame und wand sich dann an Voratan. "Sieh sie dir an junger Bewahrer. Reiterdrachen! Sie denken einfach zu viel."
Glaedr richtete sich leicht auf und stieß ein dunkles Knurren aus aber entlockte Miemel damit nur ein weiteres Lachen.
Unbekümmert fuhr sie fort:
"Ihr denkt zu viel und verliert dabei die Wahrheit aus dem Blick."
"Und was ist die Wahrheit Schwester?" knurrte Glaedr. "Teil deine Weisheit mit uns!"
"Sehr gern." hielt Miemel dagegen." Richten wir den Blick zunächst auf die Vergangenheit. Morzan. Brom. Ihr wollt wissen wo der Fehler lag? Die Antwort: Es gab keinen Fehler! Ihr vergesst nur, das Schüler trotz all der Lehren die man ihnen anbietet immer noch eigene Seelen mit eigenem freien Willen bleiben. Sie können die Weisheit annehmen oder ablehnen. Es ist ihre Wahl. Und es wird immer Wesen geben die die falsche Entscheidung treffen! Und damit wären wir bei der großen Wahrheit die ihr überseht: Sagt mir, wann haben sich jemals zuvor wilde und Reiterdrachen gemeinsam erhoben um Rache zu nehmen für ein Kind der Zweibeiner? Das sie die Tochter ein Reiters ist spielt keine Rolle. Wäre das in der alten Zeit geschehen hätten die Wilden dem betroffenen Reiter ihr Beileid ausgesprochen aber eine solche, klare, gemeinsame Reaktion? Nein, dass wäre unmöglich gewesen. Versteht ihr nicht? Eragon hat uns verändert. Sein Sieg über Galbatorix hat uns verändert. Praktisch jeder wilde Drache der heute lebt wurde von Saphira Schimmerschuppe aufgezogen. Die Seelenschwester eines Zweibeiners ist die Mutter unserer Widergeburt! Das wissen wir und wir wissen was uns an den Rand des Aussterbens brachte! Verrat! Vor 100 Jahren gelang es Galbatorix eine Armee aufzustellen und sie gegen uns ins Feld zu führen. Was haben Harkor und Darus aufbieten können? Eine Elfe mit vergifteter Seele und ein zwei weitere Unzufriedene. Doch ihr Versuch Macht zu erlangen ist an uns zerschellt wie die Wellen dort unten an diesen Klippen. Weil wir geschlossener stehen als je zuvor! Reiterdrachen und Wilde respektieren sich wie nie zuvor in der Geschichte und genau so ist es auch unter den Völkern der Zweibeiner. Wann haben Urgals, Elfen, Menschen und Zwerge jemals so zusammengelebt und gemeinsam für ein besseres Morgen gekämpft?"
Miemel erhob sich, streckte die Glieder und sagte zu Glaedr und Umaroth:
"Anstatt euch hier im Gestern zu verstecken und über die Fehler von Gestern zu grübeln solltet ihr lieber folgende Erkenntnis verinnerlichen: Wir sind nicht nur einfach zurückgekehrt. Wir sind stärker als wir es jemals waren."
Das Abbild der alten Drachendame wand sich Voratan zu:
Komm junger Bewahrer. Ich werde mir jetzt eine Lichtgestallt erschaffen und etwas fliegen. Ich möchte den Wind spüren und auf seinem Rücken reiten. Begleite mich. Ich werde einige deiner Erinnerungen ergänzen."
Voratan nickte dankbar und gemeinsam schritten die beiden Drachen davon. Schon nach einigen Schritten begannen ihre Konturen zu verschwimmen und einen Wimpernschlag später waren sie gänzlich aus Umaroths Gedanken verschwunden.
Einige Sekunden lange starrten der Weiße und Glaedr noch auf die Stelle wo ihre Artgenossen sich aufgelöst hatten dann blickten sie einander an.
"Weißt du alter Freund," brummte Glaedr. "Miemel schafft es immer das ich mich wesentlich jünger fühle."
""In etwa wie frisch geschlüpft oder." brummte Umaroth zustimmend.
Beide Drachen brachen in Gelächter aus.





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