Eragon-OS-Sammlung

42. Ungeduld der Jugend

Tar war guter Stimmung. Er fühlte sich erleichtert wie seit Tagen nicht mehr. Meister Feuerschwert hatte ihn zwar zu keinem Zeitpunkt die Schuld für Bloedgtams Verhalten gegeben doch das war auch nicht nötig gewesen.
Tar hatte sich selbst Vorwürfe gemacht. Immer wieder hatte er sich gefragt ob er den Ausbruch des Waldläufers hätte verhindern können wenn er seine Worte anders gewählt hätte.
Nach insgesamt fast zwei Wochen des bangen Wartens hatte sich Eragon jedoch gestern gemeldet und ihm mitgeteilt, dass er und seine Gefährtin den Wolfkatzenelf erfolgreich von seinem Vorhaben abgebracht hatten. Tar sah es deshalb als ein gutes Omen, dass im heutigen Unterricht seiner Schülerin Naja und ihres Drachen Tanis gleich zwei angenehme Themen anstanden.
Das Mädchen, dass der junge Gehörnte inzwischen fast als eine Adoptivtochter sah, hatte die heutige Lektion im Schwertkampf abgeschlossen, ihre Trainingsausrüstung ordentlich verstaut und lief nun auf ihn zu. Ihr Drache stieß aus dem morgendlichen Himmel herunter und wurde wohlwollend von Aroc begrüßt.
Tar nutzte die Zeit die seine zweibeinige Schülerin brauchte um den Marktplatz von Esterní zu überqueren um den jungen schwarzen Drachen einem prüfenden Blick zu unterziehen. Sein langjähriger Begleiter Aroc hatte Recht. Es war wirklich an der Zeit.
"Guten Morgen, Meister."
Naja hatte ihn nun erreicht und verneigte sich. Es gefiel Tar, dass sich in den Augen des jungen Mädchens große Unternehmungslust spiegelte. Zwar war das Menschenkind noch immer von schüchternem Charakter aber Naja hatte inzwischen viel von der Furcht abgelegt die ihr bisheriges Leben ihr eingeimpft hatte. Sie begrüßte nun die Herausforderungen ihres Unterrichts und was heute auf dem Plan stand würde praktisch eine Belohnung für diesen Wandel sein.
Auch Tanis hatte sich sehr zufriedenstellend entwickelt. Nach einem längeren Gespräch mit seiner Reiterin gab er sich zumindest Mühe sein Temperament etwas unter Kontrolle zu halten. Der junge Drache war aber nicht nur geistig gewachsen sondern auch körperlich. Seine junge Reiterin überragte er was die Schulterhöhe betraf und alles in allem hatte er die Statur und Größe eines jungen Pferdes. Unter normalen Umständen hätte man noch etwa zwei Wochen warten müssen aber Najas Jugend erlaubte, dass man die Dinge etwas beschleunigte.
"Guten Morgen ihr beiden." grüßte der Reiter der Urgals nun seine Schützlinge und fügte hinzu:"Ich denke der heutige Unterricht wird euch beiden Spaß machen. Es ist nämlich langsam an der Zeit, dass du Naja erfährst wieso man uns Drachenreiter nennt."
Die Augen von Drache und Reiterin schien praktisch gleichzeitig auszuleuchten.
"Ihr meint.....?"
"Ja." bestätigte Tar die Hoffnungen seiner Schützlinge. "Es wird Zeit dass ihr miteinander fliegt."
Tar und Aroc überließen ihre Schützlinge einige Minuten der Freude die nun bei ihnen ausbrach.
- "Waren wir auch mal so jung?" - erkundigte sich Tar all seinen Seelengefährten während Tanis und Naja jubelten.
-" Ich nicht." erklärte der braune Drache entschieden und fügte schelmisch hinzu:-" Du warst aber sogar noch jünger."-
Tar lachte leise in sich hinein und hob dann die Hände um die Aufmerksamkeit seiner Schüler wiederzugewinnen. Augenblicklich hatte er wieder die volle Aufmerksamkeit der beiden.
"Normalerweise müsste die ihr noch etwa einen Monat warten Tanis. Erst dann wäre dein Körperbau kräftig genug aber aufgrund der Jugend deiner Reiterin könnt ihr es jetzt schon wagen. Naja ist leicht genug, so dass du ihr Gewicht bewältigen kannst. Außerdem dürfte euch die offizielle Erlaubnis davon abhalten dass ihr euch bei weiteren Experimenten den Hals brecht. Ich befürchte nämlich, dass du Naja nicht ganz die Wahrheit gesagt hast als du vor einigen Tagen eine neue Hose gebraucht hast."
Amüsiert beobachtete der junge Gehörnte wie sich die Gesichtsfarbe seiner Schülerin änderte. Deutlich erkannte man das Blut in ihre Ohren und Wangen schoss. Tar setzte noch nach und sagte:
"Euer Einfall mit der Pferdedecke die auf mysteriöse Weise aus unseren Ställen verschwunden ist geht schon in die richtige Richtung."
Naja errötete noch weiter und Tanis konnte sich nicht mehr beherrschen und stieß ein heiseres Kichern aus. Aroc erinnerte seinen jungen Artgenossen durch einen sanften Stoß mit der Schnauze daran, dass ein Sculblaka seiner Reiterin nicht auslachen sollte sondern sie zu unterstützen hätte.
Schmunzelnd bedeutete Tar dem jungen Gespann ihm und Aroc zu folgen. Er führte sie in Richtung des Urgal-Viertels der Reiterstadt.
"Du hast also schon erste Erfahrungen gesammelt. Teilen Sie mir doch bitte mit." forderte der gehörnte Reiter seine Schülerin auf.
"Nun, Meister, ich habe herausgefunden, dass es eine schlechte Idee ist einen umgesattelten Drachen zu reiten."
Tar musste leise lachen als er sah, dass Naja sich gestesabwesend die Oberschenkel kratzte. Diese Lektion hatte nicht nur Meister Feuerschwert einst lernen müssen sondern auch Tars ehemaliger Mitschüler Marek. Der junge Höhenläufer war während ihrer gemeinsamen Zeit als die ersten Schüler des Ordens kaum zu bremsen gewesen. Auch er hatte darauf bestanden ohne Erlaubnis einen ersten Flug mit seiner gelben Drachendame zu machen. Etwas, das Tar, in diesem Lebensabschnitt niemals gewagt hätte. Die Beine seines Mitschülers hatten den Preis für seine Ungeduld gezahlt und offenbar hatte auch Naja ihn entrichten müssen.

- "Und hat die Decke geholfen ihr Kücken?"-erkundigte sich Aroc während sein Reiter noch den Erinnerungen schwelgte.
-" Ein wenig Meister." - räumte Tanis nun ein. - "Aber es ist auch keine gute Lösung. Eine Decke schützt zwar die Beine meiner Reiterin aber wir haben bereits ohne dass ich abheben musste festgestellt, dass sie zu leicht abrutschen kann. Deswegen haben wir erst gar nicht versucht uns in den Himmel zu erheben. Ich möchte mit Naja fliegen aber ich möchte nicht dass ihr etwas dabei passiert."-
Aroc schwenkte seinen Kopf herum und blickte seinem jungen Artgenossen direkt in die Augen.
-"Gut!"- betonte der ältere Drache.-" Da hast du richtig entschieden und bist damit deiner Verantwortung als Gefährte der Seele deiner Reiterin gerecht geworden. Denke immer daran, kleiner Flügel, dass Menschen am Himmel nicht so zuhause sind wie wir. Die Sicherheit deiner Reiterin geht immer vor. Du hast ganz recht. Eine unbefestigte Decke ist zu unsicher. Ihr beide braucht einen Sattel, der bestimmten Anforderungen gerecht wird. Aus eben diesem Grund suchen wir die Gehörnten auf die hier leben."-
"Genau gesagt einen alten Handwerker meines Volkes." ergänzte Tar." Er kennt sich mit der Verarbeitung von Leder aus und wird sicher etwas passendes für euch haben."
"Aber Meister," warf Naja aufgeregt ein."Jeod hat während meines Unterrichtes bei ihm einmal gesagt, dass es Tradition sei, dass ein Reiter den Sattel für seinen Drachen selbst herstellt."
"Das ist auch so." bestätigte Tar." Aber wie ich schon gesagt habe ermöglicht es uns deine Jugend etwas früher mit dem fliegen zu beginnen als es bei einem erwachsenen Schüler der Fall wäre."
-" Du bist klein und leicht junges Menschenkind."- ergänzte Aroc.-" Daher reicht die Kraft von Tanis jetzt schon aus um dich zu tragen. Viele unserer Schüler sind recht jung wenn sie ihre Ausbildung beginnen und alle sind sie erpicht darauf gemeinsam zu fliegen. Zunächst haben sie auch alle ihre Sättel selbst hergestellt aber wir sind dazu übergegangen diese Tradition etwas abzuwandeln. Du Naja wirst einen Sattel für deinen Gefährten herstellen sobald er sein Feuer entdeckt. Zu diesem Zeitpunkt ändert sich das Wachstum von uns Drachen etwas. Es verläuft von da an langsamer und vor allem gleichmäßig. Bis wir unsere innere Flamme kontrollieren können legen wir eher sprunghaft an Größe zu. Für einen Anfänger ist es schwierig einen Sattel herzustellen, der diesem Umstand gerecht wird. An einem Tag passt der Sattel perfekt und am nächsten ist er bereits zu klein. Ein erfahrener Drachenreiter weiß genug über das Wachstum von uns Scublaca um einen Sattel herzustellen der sich anpassen lässt aber von Novizen des Ordens kann man das noch nicht erwarten. Deshalb wird die eigenhändige Herstellung deines Sattels, Naja, warten müssen."-
"Da ihr aber unbedingt den Himmel erkunden wollt," führte Tar den Gedanken seines Drachen weiter aus." Hat der Orden eine andere Möglichkeit gefunden."