191. Von wichtigen Momenten

59 6 0
                                    

Zufrieden zog Arya die Tür des Arbeitszimmers hinter sich ins Schloss und schritt durch die Eingangshalle des Herrenhauses auf ihren Sattel zu. Es war wohl Zeit das Gute Stück im Drachenhort zu verstauen.
Als die erfahrene Reiterin die Satteltaschen mit ihrem Gepäck vom eigentlichen Sattel löste spürte sie wie der Geist ihres Drachens sich wieder an den ihren schmiegte. Fírnen war von seinem Jagdausflug zurückgekehrt.
Deutlich konnte Arya spüren, dass ihr Seelenbruder satt und zufrieden war. Ein Umstand der sie freute. Während Fírnen auf der Jagd war trennte sie ihren Geist stets von seinem. Als Elfe achtete sie das Leben der Tiere und es bereitete ihr keine Freude Zeuge zu werden wie eines starb. Diese Gefühle seiner Reiterin hatten den jungen Fírnen oft verwirrt und ihn zögern lassen wenn er auf der Jagd war.
Aus diesem Grund war Arya dazu über gegangen sich geistig sorgfältig von ihrem Seelenbruder zu trennen während dieser der Natur seines Volkes nachging. Arya akzeptierte, dass Drachen Jäger waren. Sie nahm diesen Teil von Fírnens Wesen so vollständig an wie die Tatsache, dass der Himmel blau war.
Außerdem hatte sie Oromis alte Schriften studiert während sie Fírnen aufzog.
Deutlich hatten die alten Drachenreiter in ihren Texten darauf hingewiesen, dass Drachen Fleisch brauchten!
Ähnlich wie manche Tiere konnten sie bestimmte Nahrungsmittel wie Brot oder Käse nicht richtig verdauen.
Natürlich konnten sie diese Dinge essen und auch den Geschmack genießen aber sie konnten ihnen nur bedingt Nährstoffe entziehen. Ein Speiseplan ohne Fleisch würde ganz unweigerlich Mangelerscheinungen bei einem Drachen auslösen. Diese wären bei einem heranwachsenden Drachen um so schlimmer.
Traurig erinnerte sich Arya warum sie sich damals überhaupt mit diesen Dingen beschäftigt hatte.
Mitglieder ihres Volkes waren damals zu der neu erwählten Reiterin gekommen und hatten sich darüber beklagt, das Fírnens Jagdausflüge den Frieden in den Gebieten um Ellesméra stören würde. Die Tiere währen nicht mehr so vertrauensvoll weil nun ein Jäger des Himmels sie verfolgen würde.
Arya hatte darauf hingewiesen, dass Glaedr über 100 Jahre in den Wäldern um die Hauptstadt gejagt hätte.
Das hatten die Bittsteller zwar anerkannt aber auf das Alter des goldenen Drachen hingewiesen. Drachen von Glaedrs Alter und Größe konnten Monate ohne Beute verbringen. Oromis alter Kampfgefährte war dementsprechend selten auf die Jagd gegangen.
Bereits Saphiras Anwesenheit hätte dieses Gleichgewicht gestört aber man hatte sie akzeptiert da sie und ihr Reiter die einzige Hoffnung gegen Galbatorix waren. Außerdem war sie eben die Seelenschwester eines Menschen. Es war bekannt, dass dieses Volk eben etwas unzivilisiert war.
Arya aber war eine Elfe und man hatte ihr nahe gelegt ihren Gefährten doch in einer Art und weise zu erziehen die ihrer hohen Geburt würdig sei.
Fírnens Reiterin hatte diesen Anfragen eine mehr als deutliche Absage erteilt, sich aber mit dem Problem beschäftigt. Nicht um tatsächlich Fírnen an andere Nahrung heran zu führen, sondern um Argumente zu haben um derartigen Anfragen eine Absage zu erteilen.
Während ihrer Studien hatte sie an etwas denken müssen, dass Oromis ihr einmal gesagt hatte als er sie auf ihre rolle als Wächterin von Saphiras Ein vorbereitete.
"Wofür kämpfst du?" hatte der alte Reiter damals gefragt.
Arya hatte erwidert, dass sie sich für die Freiheit der Völker einsetzte.
Lange hatte der alte Drachenreiter sie angesehen und schließlich gesagt:
"Freiheit liebes Kind ist Segen und Fluch zugleich."
Lange hatte Arya nicht genau verstanden was der trauernde Weise damit gemeint hatte. An jenem Tag jedoch, als Elfen das Volk der Menschen als unzivilisiert bezeichneten und ihr nahe legten die Natur ihres Drachens zu ändern hatte sie begriffen.
Soe widersinnig es auch sein mochte: Die Bedrohung durch den Verräter hatte die Welt angenehm überschaubar gemacht und dadurch den Elfen ein Gefühl von Sicherheit. Es gab nur zwei mögliche Wege die man beschreiten konnte. Einer barg die Hoffnung auf Sieg und Freiheit der andere führte in den sicheren Untergang.
Doch nun war der Verräter tot. Auf einmal gab es nicht mehr nur zwei Wege sondern unendlich viele. Das war Freiheit!
Leider jedoch hatte sich eine Grundhaltung beim Volk der Elfen gehalten:
Der Gedanke, dass eine falsche Weg Entscheidung in den Untergang führte!
Hundert Jahre hatten die Elfen in Isolation gelebt. Diese Isolation war ihre Sicherheit gewesen. Nun klammerte das Volk sich an diese Isolation. An die geregelten Abläufe!
Darüber hinaus reagierten sie ablehnend auf alles was diese vermeintliche Sicherheit störte.
Diese Erkenntnis war wohl einer der Gründe gewesen warum Arya schließlich zugestimmt hatte Königin zu werden. Es waren nicht nur die gefälschten Tagebuchseiten ihres Vaters gewesen oder die Bitten von Fürst Däthedr.
Nein, sie hatte ihrem Volk dienen wollen. Als Vorbild! Sie hatte die Elfen inspirieren wollen die neu gewonnene Freiheit anzunehmen.
Leider hatte sie angenommen dies am Besten als Königin zu können. Ein Fehler!
Den tietel den sie brauchte um eben diese Rolle einzunehmen war bereits der ihre gewesen als Fiernen bei ihr schlüpfte: Drachenreiterin!
Und ihre Fehleinschätzung hatte dazu geführt, dass.......
-"Hör schon auf kleine Maus!"- unterbrach Fírnen. -"Das liegt hinter uns! Keiner ist ohne Fehl. Auch du nicht. Außerdem solltest du lieber mal vor das Haus gehen. Kira und ich haben einen jungen Blauen und eine weiße Himmelsschwester gesehen die wohl gerade zur Landung ansetzen."-
Freudig überließ Arya ihren Sattel sich selbst und ging auf das Hauptportal zu. Schon auf halbem Weg hörte sie das Rauschen von Drachenschwingen und spürte Augenblicke später die doppelte Erschütterung als zwei Drachen aufsetzten.
Arya trat auf die Treppe vor dem Hauptportal hinaus und entdeckte Alonvy und Irucan. Die beiden jungen Drachen hatten ihre Reiter bereits abgesetzt.
Marlena und der junge Kenai standen im Schatten ihrer Seelengefährten und hielten sich eng umschlungen.
Arya betrachtete ihre Tochter und den jungen Menschen mit Interesse.
Die beiden jungen Reiter küssten sich und hatten die Elfe die sie beobachtete nicht bemerkt.
Arya entging nicht die Leidenschaft mit der Kenai und Marlena Zärtlichkeiten austauschten. Sie erkannte, dass dies nicht die unschuldigen Küsse von jugendlichen waren die erforschten was Nähe zwischen Mann und Frau bedeuten konnte. Nein, in diesen Küssen lag mehr: Leidenschaft und Hingabe.
Arya musste sanft lächeln: Ihr Tochter war wirklich verliebt.
Es wäre der Elfe unehrlich vorgekommen die beiden jungen Leute länger zu beobachten ohne sich bemerkbar zu machen. Leise räusperte sich Arya.
Die Reaktion bei Marlena und ihrem Geliebten ließ nicht lange auf sich warten. Beide fuhren herum und blickten Arya erschrocken an.
So sehr das erröten ihrer Tochter die elfische Reiterin auch amüsierte so versetzte es ihr doch einen kleinen Stich wie erschrocken Marlena wirkte.
-"Nun komm nicht wieder auf falsche Ideen kleine Maus"- mischte sich Fírnen ein. -"Jedes Kind fühlt sich ertappt wenn die Eltern es mit dem Geliebten erwischen. Denk doch nur mal an Maranie. Du weißt doch wie hingebungsvoll Saphira das Küken ihrer Namensschwester aufgezogen hat. Ihr kleines Schneeflöckchen. Und trotzdem hat sie sich nicht getraut uns zu sagen, dass sie sich mit Drugatie gepaart hat. Erst kurz bevor sie ihr erstes Ei gelegt hat kam sie zu uns."-
Arya gab ihrem Drachen recht. Saphira war wirklich eine hingebungsvolle Ziehmutter gewesen.
-"Vielleicht liegt es einfach in der Natur der Beziehung. Für Eltern bleiben Kinder immer genau das: Kinder."-
-"Und Kinder wählen sich keine Nistpartner." vollendete Firnen.
Arya beschloss nun etwas gegen den Schrecken ihrer Tochter zu unternehmen. Lächelnd und mit ausgebreiteten Armen ging sie auf ihre Tochter zu.
Die Erleichterung war Marlena deutlich anzusehen. Die junge Halbling nahm die Einladung an und Augenblicke später umarmten sich Mutter und Tochter herzlich.


Wenig später saß Arya gemeinsam mit Marlena im Zimmer ihrer Tochter. Die junge Reiterin hatte ihre Mutter dorthin eingeladen und Kenai hatte sich sofort erboten Alonvy und Irucan abzusatteln und auch Aryas Besitztümer in das Zimmer zu tragen, welches für die Elfe vorbereitet worden war.
Nun, da sie im Zimmer ihrer Tochter saß musste Arya mit sich kämpfen um nicht in Gelächter auszubrechen.
Marlena, die sich gerade bemühte etwas Tee zuzubereiten redete und redete. Sie sprach in einem Fort! Sie erzählte was sie bisher erlebt hatte seit sie in Cosaria angekommen war, berichtete davon das Reanna, Garaths Schwester, gut in Surda angekommen war und ganz in ihrer neuen Aufgabe bei den Wächtern des Lichts aufging. Mit Bedauern berichtete sie, dass es noch keine Besserung gab wenn es um Garaths Mutter Elena ging.
Die seelisch kranke Frau war noch immer völlig uneinsichtig und gefangen in einem unheilvollen Kreislauf. Phasen abgrundtiefer Trauer wechselten sich mit Episoden größter Erregung ab in denen Elena auch gewaltbereit war. In diesen Phasen beschuldigte sie alle und jeden. Sie sah sich selbst als das Opfer einer großen Verschwörung die ihr die Kinder geraubt hatte.
Marlena erkundigte sich auch kurz nach Garath und Aurelia, wartete aber keine Antwort ab und berichtete von der Zeit als sie die beiden unterrichtet hatte.
Schließlich beschloss Arya den Redefluss ihrer Tochter zu unterbrechen. Sie setzte ein einfaches Mittel ein um dieses Ziel zu erreichen. Als Marlena kurz von den inzwischen gefüllten, dampfenden Teetassen aufsah hob Arya eine ihrer Augenbrauen an.
Mehr war nicht nötig.
Marlena verstummte.
Mutter und Tochter blickten sich an.
Schließlich sackte Marlenas Kinn auf ihre Brust. Kurz fiel das braune Haar der jungen Halbling wie ein Vorhang vor ihr Gesicht, dann jedoch warf die junge Reiterin ihren Kopf zurück und starrte kurz an die Decke.
"Ich plappere wieder oder Mutter?"
"Ein wenig." bestätigte die Elfe.
Mutter und Tochter mussten beide lachen.
"Entschuldige bitte." sagte Marlena und reichte Arya ihre Teetasse.
"Ich kenne das von dir Liebes." versicherte Arya schmunzelnd. "Du hast das von deinem Vater."
"Wirklich?"
Arya nickte, ging aber nicht weiter auf die einladende Frage ihrer Tochter ein. Ein Umstand der Marlena nicht verborgen blieb.
Arya konnte auf dem Gesicht ihres Kindes sehen, dass Marlena nun kapitulierte. Alonvys Reiterin setzte sich vor ihre Mutter auf die Kante ihres Bettes.
"Ich denke ich mache das, weil ich mich vor einer Frage fürchte auf die auch ich noch keine rechte Antwort habe." räumte sie schließlich ein.
Arya beugte sich zu ihrer Tochter vor und nahm ihre Hände in die ihren.
"Du meinst die Frage wie ernst es mit dir und Kenai ist?" erkundigte sie sich sanft.
Mutter und Tochter sahen sich nun direkt in die Augen. Schließlich nickte die junge Halbling.
"Bist du glücklich wenn ihr zusammen seit?" fragte Arya schließlich nachdem Marlena in Schweigen verfallen war.
Als die junge Halbling antwortete schienen ihre Augen förmlich zu leuchten.
"Oh ja!" flüsterte Marlena.
"Aber?" wollte Arya wissen.
"Weißt du Mutter......wenn Kenai und ich zusammen sind, dann ist alles so einfach. So klar! Aber dann denke ich, an Vater und dich und....."
Marlena verstummte.
"Du fragst dich ob es ist wie bei uns." vollendete Arya den Satz ihrer Tochter.
Marlena nickte.
Arya lächelte und drückte die Hände ihrer Tochter sanft.
"Es ist nur normal, dass du zu meinem Vater und mir blickst wenn du deine Liebe bemisst. Alle Kinder tun das. Von uns hast du gelernt was es bedeutet einen Gefährten zu haben. Doch ich glaube, dass du damit die Messlatte etwas zu hoch hängst."
"Wie meinst du das Mutter?" erkundigte sich die Jüngere.
"Das was deinen Vater und mich verbindet hatte Jahrzehnte um zu wachsen Marlena. " erklärte Arya. "Glaubst du, man sieht sich und schon sind Liebe und Vertrauen da?
Oh nein! So leicht ist es nicht. Liebe kann schnell erwachen aber Vertrauen? Lass mich dir von einem Moment zwischen mir und deinem Vater erzählen der sehr wichtig für uns war. Es war vor einigen Jahren. König Maranus schickte mir damals einen Ableger der Mitternachtsrose. Jener Blume die Fäolin, mein Geliebter vor deinem Vater, für mich geschaffen hatte. Sie war in den Gärten des Palastes prächtig gediehen und deshalb überließ man mir einen Ableger.
Da ich unsicher war wie dein Vater reagieren würde wenn ich die Blume in der Ostmark einpflanze sprach ich zunächst mit Eragon."
"Und wie hat Vater reagiert?" fragte Marlena neugierig.
Arya lächelte.
"Er sagte: Diese Blume ist ein Teil von dir mein Stern. Dann öffnete er seinen Geist und ließ mich alles sehen was er in diesem Augenblick empfand. Seine Liebe zu mir, den kleinen Stich von Eifersucht der doch da war aber ihn niemals beherrschen würde, denn er wurde völlig überlagert von dem festen Glauben, dass die Frau die er liebte erst durch das Leben geformt worden war das sie gelebt hatte. Ein Leben zu dem auch meine Zeit mit Fäolin gehörte.
Auch ihn habe ich geliebt. Zwar haben wir uns nie körperlich vereinigt. Der Krieg und meine Pflichten.....wir wollten keine Empfängnis riskieren. Ich wollte es nicht. Als er dann getötet wurde habe ich mich schuldig gefühlt. Ich dachte ich hätte Fäolin etwas verweigert was er eigentlich verdient gehabt hätte. Dieses Schuldgefühl war es wohl, dass mich davon abhielt dem Gefühl nachzugeben, welches dein Vater in mir weckte. Fast hätte ich ihn darüber verloren."
"Was willst du mir damit sagen Mutter?" fragte Marlena.
"Einiges." lächelte die Elfe und strich ihrer Tochter eine Haarsträhne hinter das elegant geschwungene Ohr. "Zum einen, dass es Augenblicke wie der mit der Nachtrose waren die über die Jahre unsere Liebe genährt haben. Was uns heute verbindet ist wie ein Baum der sich aus einer Eichel keimt, Wurzeln schlägt und vom Setzling zum Baum heranwächst. Eragon und ich sind zusammen gewachsen.
Vielleicht wird es dir mit Kenai genau so gehen. Vielleicht wird es Momente geben die euch näher zusammen bringen. Es ist aber auch möglich, dass ihr euch mit der Zeit voneinander entfernt. Beides ist möglich."
"Das hat Tante Narie auch gesagt." erwiderte Marlena. "Sie sagte, dass das auch der Grund sei warum Elfen nicht heiraten."
"So ist es." bestätigte Arya. "Aufgrund unseres langen Lebens wissen wir, dass es möglich ist einen Teil des Weges zu teilen aber auch, dass man in unterschiedliche Richtungen strebt."
"Und du meinst es ist falsch von mir eine Liebe von Kenai zu erwarten die so stark ist wie die von Vater und dir eben weil......"
"Weil aus keiner Eichel direkt ein großer Baum werden kann." vollendete Arya.
Wieder blickten Mutter und Tochter sich schweigend an. Schließlich war es die ältere der Beiden die wieder das Wort ergriff:
"Was ich dir sagen will ist: Hab keine Angst vor dem Leben Tochter. Verweigere dir nicht wundervolle Erfahrungen an denen du wachsen wirst weil du fürchtest was passieren könnte. Ein Keim der die Eichel sprengt setzt sich Gefahren aus. Bleibt er aber in der Eichel wird er niemals ein Baum werden."
Arya drückte die Hände ihrer Tochter und lächelte. Marlena lächelte zurück.
"Es ist schön das du gekommen bist Mutter." flüsterte die Jüngere schließlich.






Abstimmen nicht vergessen;)

Eragon-OS-SammlungWo Geschichten leben. Entdecke jetzt