198. Ein neues Leben

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Arya saß im Drachenhort des Herrenhauses von Cosaria und hatte sich bequem an die Flanke ihres Drachens gelehnt. Sie genoss die Wärme die von den Bauchschuppen zu ihr aufstieg.
In der einen Hand hielt die Elfe ihr Notizbuch, in der anderen eine Schreibfeder. Mit großer Präzision vollendete Arya das letzte Schriftzeichen des Wortes an dem sie gerade arbeitete.
-"Warum schreibst du diese Zauber eigentlich immer wieder auf Kleines?"- fragte Fírnen.
Arya konnte spüren, dass ihr grüner Weg Begleiter in einem angenehmen Dämmerzustand war. Er hatte die Wände des Drachenhorts mit seinen Flammen erhitzt und genoss nun die Wärme die zu ihm zurückströmte.
-"Es sind immer hin die Formeln mit denen ich Naries Niederkunft unterstützen will."- erklärte sie. -"Da darf sich kein Fehler einschleichen."-
-"Diese Erklärung hätte ich akzeptiert wenn dies das zweite oder dritte Mal wäre, dass du diese Worte niederschreibst. Es ist aber das zwanzigste Mal! Und du veränderst die Schriftzeichen. Es ist mehr als wenn du Bilder malst. Du gehst wieder dieser Sache nach die ihr Elfen so liebt oder?"-
-"Wir sind jetzt über ein halbes Jahrhundert miteinander verbunden Großer und du kennst das Wort nicht?"-
Arya lächelte sanft.
-"Ein Drache merkt sich nur wahrlich wichtige Dinge!"- erwiderte Fírnen stolz.
-"Ich dachte immer du interessierst dich dafür?"- wunderte sich Arya. -"Du bist dich immer gern in meiner Nähe wenn ich meine Übungen mache. Selbst als du noch ein Schlüpfling warst hast du dich immer zu mir gelegt!"-
-"Das hat andere Gründe." beharrte Fírnen. -"Jedes mal wenn du deine Buchstaben malst werden deine Gedanken ganz weich und fließend. Sonst sind sie hart. Genau abgegrenzt. Wie Fels-hart-stark-Klippen. Ich mag es wenn du loslässt kleine Maus. Und wenn du deine Zeichen malst geschieht das. Sonst passiert das nur wenn er in deiner Nähe ist. Du weißt wen ich meine oder?"-
Fírnen Stimme klang verschmitzt.
Aryas Mundwinkel zuckten. Freude die in ihr aufstieg war für die Elfe immer wie ein Eichhörnchen. Jenes kleine Flinke wesen, dass den Stamm des Baumes hinaufsprang, selbst über dünste Äste zu fliegen schien und trotz des schwindelerregenden Höhe sicher ans Ziel fand.
Wenn Freude in ihr aufstieg war das für Arya ähnlich. Jeder Sprung des aufsteigenden Gefühls, jedes mal wenn es an die Wände ihres inneren Kosmos stieß führte das zu einer Explosion aus Licht in ihrem Innern. All dieses Licht vereinte sich schließlich, baute Druck auf und schließlich blieb der Elfe keine Wahl als den Druck durch ein Lächeln in die Welt zu entlassen.
-"Ja, ich weiß wen du meinst Großer."- Schmunzelte Arya und gestattete sich einen Gedanken an ihren Gefährten. -"Aber es ist interessant wie du meine Gefühle beschreibst Großer. Genau darum geht es bei der Kunst der Kalligrafie. So nennt man nämlich die Kunst des bildhaften Darstellens von Schriftzeichen.
Du weißt, dass mein Volk sich strengen Verhaltensregeln unterwirft? In allen Aspekten unseres Lebens?"-
-"Natürlich weiß ich das kleine Maus. Ich interessiere mich vielleicht nicht für jede Bezeichnung in eurer Sprache aber ich verstehe sehr wohl wie du denkst und dein Leben führst!-"
-"Ich wollte dir auch nichts anderes unterstellen Großer."- beschwichtigte Arya. -"Es geht nur darum, dass wir großen Wert auf Disziplin in allen Bereichen unseres Lebens legen. Es geht so weit, dass selbst unsere Gedanken großer Disziplin unterworfen sind."-
-"Wem sagst du das!"- lachte der grüne Drache.
-"Aber kein Wesen kann immer dieses Maß an Selbstkontrolle ständig aufrecht erhalten. Wenn man es versucht kommt es zu unkontrollierten Ausbrüchen die gefährlich sein können. Vielleicht suchen sie dich zum falschen Zeitpunkt heim oder sind so machtvoll, dass du über das Ziel hinaus schießt und Wesen die dir etwas bedeuten vor den Kopf stößt."-
Fírnen brummte verstehend und in seinen unergründlichen Augen spiegelte sich Interesse.
-"Wir haben also nicht nur Regeln erdacht."- erklärte Arya. -"Sondern auch Wege unsere Gefühle in sicherer Form auszudrücken. Die Kaligrafie ist einer dieser Wege. Wir schreiben Dinge auf die uns bewegen und erweitern den reinen Wortlaut mit Bildern. Auch die Schriftzeichen der alten Sprache die wir wählen haben Bedeutung. Die Sprache der Poesie ist nicht so beschränkt wie die Runen der Menschen und Zwerge. Manche Glyphen können auf mehr als nur eine Weise verwendet werden. Und die Art wie man sie benutzt sagen etwas aus über die Gefühle der Person die den Text verfasst hat. Für die Formeln mit der ich Naries Kind in die Welt geleiten will habe ich vor allem Schriftzeichen verwendet die Hoffnung, Neubeginn und Leben ausdrücken. Zum Beispiel hier......."-
Arya kam nicht dazu ihre Erklärung zu vollenden. Das Rauschen von Drachenschwingen unterbrach die Stille des Drachenhorts.
Alonvy setzte zur Landung an.
Diese fiel allerdings recht holprig aus und gereichte der weißen Drachendame kaum zur Ehre.
-"Nur gut das das Saphira nicht gesehen hat!"- knurrte Fírnen streng.
Die junge Weiße fuhr herum. Erst jetzt schien Alonvy zu bemerken, dass sie nicht allein war.
-"Meister Fírnen.....Ich...."- stammelte die Weiße unsicher.
-"Dein Lehrmeister bin ich zwar schon eine Weile nicht mehr junge Alonvy aber es freut mich trotzdem das du wenigstens nicht vergessen hast was meine Nistpartnerin und ich dir über Höflichkeit beigebracht haben. Du kannst aber froh sein, dass Saphira deine Landung nicht erleben musste. Bei allen Sternen du bist doch kein Küken mehr!
Du warst eine persönliche Schülerin von Saphira und bist in unserem Horst und im Haus unserer Reiter aufgewachsen als wärst du unsere eigenes Küken!
Trotzdem landest du als hättest du zehn Fässer Zwergenmet getrunken! Bei den Sternen was ist den los mit dir?"-
-"Ich.....was...... ich....."- stammelte die weiße Drachendame und warf ihren Kopf unruhig von einer Seite auf die Andere. -"Es tut mir leid ich wusste nicht,.......ich meine, ich wollte eigentlich sofort wieder......"-
Arya runzelte die Stirn. Selbst für ein ungeübtes Auge war es deutlich zu erkennen, dass Alonvy neben sich stand. Die junge Drachendame atmete stoßweise, warf ihren Kopf ruckartig hin und her und ihre Schuppen waren leicht gesträubt.
Darüber hinaus schien es Alonvy sichtlich peinlich zu sein in diesem Zustand gesehen zu werden. Sie machte Anstalten sich sofort wieder in den Himmel zu werfen.
-"Bleib hier Alonvy!"- forderte Fírnen.
Arya stutzte beim Klang der Stimme ihres Drachen. Es lag väterliche Strenge in ihr aber auch Wärme und ein unerklärliches Schmunzeln.
-"Versuch das!"- forderte der Grüne seine jüngere Artgenossin auf.
Arya spürte wie ein Strom von Gedanken und Gefühlen von ihrem Drachen zu Alonvy flos. Der Ablauf war zu schnell. Sie konnte unmöglich erkennen worum es ging.
-"Da....danke!"- stammelte Alonvy nachdem der Strom abgerissen war. -"Das werde ich versuchen."-
Mit diesen Worten spannte die Weiße ihre Schwingen auf und verschwand in die Nacht.
-"Was war den los mit ihr?"- erkundigte sich Arya bei ihrem Drachen.
Fírnen lachte leise.
-"Sie findet gerade heraus, dass es für einen Reiterdrachen schwierig ist bestimmte Gefühle des Seelenpartners abzublocken."-
Wissend zwinkerte der Grüne seiner Reiterin zu.
Arya war einen Augenblick verwirrt, dann begriff sie. Lächelnd schlug sie die Augen nieder. Ein leichter Scham überfiel sie ob ihrer unverblümten Frage.
Fírnens unergründliches Auge schob sich in das Sichtfeld der Elfe.
-"Du bist doch nicht wütend auf dein Küken oder kleine Maus? Nach dem was ich durch Alonvy empfangen habe ist sie im Augenblick sehr glücklich."-
Arya lächelte und strich ihrem Drachen über die Stirn.
-"Natürlich bin ich nicht wütend."- versicherte sie. -"Ich freue mich für sie. Ich bin ein wenig traurig aber vor allem besorgt."-
-"Besorgt?"- wunderte sich Fírnen. -"Das Trauer und Glück eng beieinander liegen wenn ein Küken das Nest verlässt kann ich verstehen aber warum deine Sorge?"-
-"Weil ich mit ihrem Vater darüber reden muss."- schmunzelte Arya.
Fírnen brauchte einen Augenblick um den, bei seiner Reiterin, seltenen Scherz zu erkennen, dann lachte er leise.
-"Saphira wird schon auf ihn aufpassen."- lachte der Grüne.
"Arya....?" ein leiser Ruf vom oberen Ende der Treppe die in den Drachenhort führte unterbrach die Unterhaltung von Drache und Reiterin.
Arya erkannte die Stimme ihrer Cousine.
"Ich bin hier untern Silberschopf."
"Könntest du bitte heraufkommen." Naries Stimme wirkte gepresst. "Ich glaube......"
Die Stimme vom Treppenabsatz her erstarb. Arya jedoch begriff auch so.
-"Suchst du Kira?"- fragte sie ihren Drachen.
-"Natürlich."- versprach Fírnen. -"Eine Nacht voller Ereignisse nicht war Kleines?"-
-"Wohl war." schmunzelte Arya während sie zur Treppe eilte.
Sie hörte noch wie Fírnen sich in die Luft schwang, dann konzentrierte sie sich ganz auf das, was sie am oberen Ende der Treppe erwarten würde.
Arya fand ihre Cousine am Treppenabsatz. Narie lehnte im Türrahmen und der schweiß stand ihr auf der Stirn. Ein deutlicher, feuchter Fleck zeigte sich auf den weiten Gewändern der jungen Elfe zwischen ihren Beinen.
Arya begriff sofort: die Fruchtblase ihrer Cousine war geplatzt!
"Ich dachte das Kleine senkt sich nur ein wenig."
Die jüngere Elfe klang fast entschuldigend.
"Aber dann....." lächelte Narie und wies auf den feuchten Flecken.
"Schon gut." lächelte Arya sanft und legte die Hand auf Naries bauch. Kurz sandte sie prüfend ihren Geist aus.
"Dein Kind will noch heute Nacht auf die Welt Silberschopf." erkannte sie. "Komm! Schaffst du es bis in das Zimmer das wir vorbereitet haben."
Narie nickte und mit Aryas Hilfe setzte sie sich in Bewegung. Bereits vor einigen Tagen hatte Arya eines der Zimmer im Obergeschoss des Hauses umgestaltet.
Ein Baum war fester Bestandteil des Herrenhauses und seine Zweige Schlängelten sich durch das ganze Haus. Zu diesen Trieben hatte Arya gesungen und nun bildeten sie eine Wanne im Boden eines Zimmers.
Elfenfrauen brachenten ihre Kinder wann immer es möglich war im Wasser zur Welt. Das Schöne Volk verehrte das Wasser. sie waren über das Meer nach Alagaesia gekommen und das Wasser, da waren die Elfen sich sicher war der Ursprung allen Lebens. Nicht der Stein wie die Zwerge es glaubten.
Die beiden Elfenfrauen brauchten lange um das Zimmer zu erreichen indem Narie ihre Niederkunft haben sollte. Immer wieder schüttelten Wehen die Jüngere der Beiden und sie mussten warten bis der krampfartige Schmerz nachließ.
Als sie das Zimmer schließlich erreichten. Beschwor Arya sofort ihre Magie und füllte die Wanne im Boden mit angenehm warmen Wasser.
Sie half Narie dabei sich zu entkleiden und die jüngere Elfe ließ sich in das Wasser gleiten. Arya hatte das Holz so in Form gesungen, dass ihre Cousine bequem sitzen konnte und gleichzeitig in einer Haltung war, die der Geburt förderlich war.
Arya selbst legte ihre Stiefel ab und entledigte sich aller Kleidungsstücke mit Ausnahme von Wams und Hose.
Neben Narie glitt auch sie nun ins Wasser. Als Narie vertrauensvoll die Hand ihrer Cousine ergriff spürte Arya wie eine Erregung sie ergriff wie nie zuvor in ihrem Leben. Sie hatte mehr als Einmal den Vorabend einer großen Schlacht erlebt. All die Hoffnungen, all die Ängste. Sie hatte Dinge in ihrem Leben getan die sie bereits zu Lebzeiten zur Legende gemacht hatten doch noch nie war sie so nervös gewesen wie in diesem Augenblick.
Als sie den Arm um ihre Cousine legte zitterte ihre Hand.
Arya spürte Wut in sich aufflammen als sie das Zittern bemerkte. Sie war doch hier um Narie Kraft und Zuversicht zu geben! Nicht um......
"Keine Sorge Rabenmähne." Naries erschöpfte Stimme unterbrach Aryas Selbstvorwürfe. "Wir schaffen das schon."
Arya konnte nichts erwidern. Sie lächelte einfach nur und drückte ihre Cousine kurz an sich. Mehr denn je begriff sie, dass ihre Verwandte nicht mehr das junge Mädchen war, dass sich einst zu ihr geflüchtet hatte. Sie war wahrlich erwachsen geworden und noch bevor der neue Tag begann würde sie selbst Mutter sein.
Arya atmete noch einmal tief durch, dann öffnete sie sich dem Lied des Lebens und begann zu singen. Angefüllt mit ihrer Magie schwebten die Worte durch den Raum, linderten Schmerzen und entspannten verkrampfte Muskeln. Sie begrüßten das neue Leben welches sich noch im Leib der Mutter verbarg, riefen es ans Licht und ermunterten den Körper der Mutter es frei zu geben.
Die beiden Elfenfrauen hatten bereits jedes Zeitgefühl verloren als es geschah. Mit mehr als nur ihren Augen nahm Arya wahr wie Naries Körper ihr Kind ins Leben entließ.
Behutsam griff die ältere Elfe in das durch Fruchtwasser und Blut trübe gewordene Wasser und hob den winzigen Körper ans Licht. Winzige Ärmchen reckten sich empor und eine kräftige Stimme verkündete was auch Aryas Sinne bereits erkannt hatten. Das Kind war am Leben und bei bester Gesundheit!
Vorsichtig wischte Arya das kleine Bündel Leben mit einem Weichen Tuch ab und bestimmte das Geschlecht des Neugeborenen.
"Silberschopf?" flüsterte sie Narie zu. "Darf ich dir deinen Sohn vorstellen?"
Mit unendlicher Erleichterung empfing Narie ihr Kind welches Arya bereits abgenabelt und in eine warme Decke gewickelt hatte. Auch um die Nachgeburt hatte sich die ältere der beiden Elfenfrauen bereits gekümmert.
Narie war sichtlich erschöpft doch auch überglücklich. Auch Arya spürte Müdigkeit. Die Magie ersparte Elfenfrauen viel Schmerz und schützte ihr Ungeborenes vor Geburtsfehlern doch das Leben ließ sich nicht betrügen. Wie in allen Fällen in denen Magie zur Anwendung kam musste man das selbe Maß an Lebenskraft für eine Aufgabe entrichten die auch notwendig gewesen wäre wen man sie ohne Zauber vollbracht hätte.
Doch das kleine Wunder in Naries Armen entschädigte die Cousine für alle Mühe. Der Kleine Junge öffnete gerade eines seiner braunen Augen und begann an seinem Fäustchen zu lutschen. Sein Gesichtsausdruck wirkte als wolle er sagen: Was stört ihr mich denn. Ich bin doch müde!
"Habt ihr schon einen Namen für ihn? Du und Marek?" fragte Arya.
Sie hatte ihren Mund neben Naries Ohr gelegt und ihr Kopf ruhte an der Schläfe ihrer Cousine.
Arya konnte Spüren wie Narie nickte.
"Evander Mareksohn" flüsterte sie.
Arya war überrascht sie hob ihren Kopf und Fing Naries Blick ein.
"Nach meinem Vater?"
Narie nickte.
"Du warst so lange einsam Rabenmähne. Es ist dir fast zur zweiten Natur geworden. Aber du hast mich hier und heute nicht allein gelassen und warst mit deiner Kraft bei mir. Ich möchte das du weißt, dass du nicht allein bist. Schon eine ganze Weile nicht mehr!"
Arya öffnete den Mund, doch sie konnte kein Wort hervorbringen. Selbst jetzt, in diesem Augenblick höchsten Glücks, ihres höchsten Glücks dachte Narie an sie!
Arya schloss den Mund wieder, legte ihren linken Arm um Mutter und Sohn und zog beide sanft an sich. Sie küsste Naries Stirn und schämte sich nicht der Tränen die über ihre Wangen liefen. Ebenso wenig schämte sie sich, dass ihre rechte Hand zitterte als sie sanft Zeige- und Mittelfinger auf die Stirn des kleinen Jungen legten und einen Segen zu flüstern begann:
"Möge das Glück dein ständiger Begleiter sein und all deine Wege dich zu Erfüllung und Zufriedenheit führen. Sei willkommen Evander Mareksohn."





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