55. Gäste aus dem Norden Teil 3

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Als Marlena mit ihrer Cousine im Schlepptau wieder bei ihren Eltern ankam stand für Roran natürlich erst einmal seine älteste Tochter im Vordergrund. Herzlich begrüßte er sowohl sie als auch ihren Gefährten.
Marlena beanspruchte sofort die Aufmerksamkeit ihrer Eltern für sich.
"Mama, Papa ich hab da unten ein paar Kinder spielen sehen. Darf ich mitspielen gehen?"
Große Augen, die Steine zum zerfließen bringen könnten blickten zu den beiden Drachenreitern auf. Tatsächlich entdeckte auch Eragon zwischen den einfachen Zelten der Reisegemeinschaft eine Hand voll Kinder die lachend einem Ball aus fest zusammengeschnürten Stoffstücken hinterherjagte.
Arya und Eragon sahen sich nur kurz lächelnd an, dann beugte sich die Elfen zu ihrer Tochter herunter.
"Natürlich Liebes. Aber denkt daran was ich dir gesagt habe."
"Ganz verstanden habe ich das nicht Mama. Du hast gesagt, dass diese Elfen etwas anders sind als die die im Wald wohnen aber sind wir nicht alle anders?"
Arya schlug kurz die Augen nieder und lächelte.
"Natürlich sind wir das. Sei einfach nett zu den anderen Kindern. Viel Spaß."
Mit diesen Segen versehen spurtete Marlena freudig in Richtung Lager davon. Eragon bemerkte, dass Sina und Legartis dem kleinen Mädchen mit einem Gesichtsausdruck nachblickten, den er nicht ganz einordnen konnte. Da Roran immer noch mit Ismira beschäftigt war beschloss er die beiden Sprecher der verschlossenen Elfen nun anzusprechen.
"Ich hoffe ihr nichts dagegen, dass unsere Tochter sich nach einigen Spielkameraden umsieht? Nehmt es ihr auch bitte nicht übel dass sie in der Aufregung ganz vergessen hat euch zu begrüßen. Sie ist noch sehr jung."
"Natürlich nicht ArgetUn Eragon." Versicherte Legartis und für einen Augenschlag lang spürte Eragon leichte Verwirrung ob der Tatsache, dass wir er keinen Blickkontakt zu ihm aufnahm während er sprach. Schnell rief sich der Anführer der Reiter jedoch in Erinnerung das Legartis blind war und Augenkontakt keine Bedeutung für ihn hatte. Der Elf sprach inzwischen weiter: "Ihr müsst euch auch keine Sorgen um ihre Sicherheit machen. Jeder in unserem Lager sieht es als seine Pflicht an ein wachsames Auge auf unsere Jüngsten zu haben. Außerdem hat jeder gesehen, dass das Kind mit euch eingetroffen ist. Man wird vermuten, dass sich eure Tochter handelt. Damit ist sie uns so willkommen wie ihr es seit. Nicht wahr Schwester?"
"Natürlich." Sinas Antwort fiel zunächst noch etwas geistesabwesend aus, denn ihr Blick haftete immer noch auf Marlena die sich inzwischen den Kindern im Lager genähert hatte und offenbar freudig ins Spiel aufgenommen wurde. "Es heißt, dass ein Kind die Liebe die es durch seine Eltern erfährt an die ganze Welt weitergibt. Wenn das wahr ist, kann eure Tochter sich glücklich schätzen so geliebt zu werden."
Eragon hatte bemerkt, dass sich ein leichtes Zittern in die Stimme der Elfen geschlichen hatte und nun begann auch ihre Augen feucht zu glänzen.
Legartis war das ebenfalls nicht entgangen und er tastete nach der Schulter seiner Schwester.
"Sind wir nicht alle anders." wiederholte Sina mit schwacher Stimme die Worte von Marlena als sie die sanfte Berührung ihres Bruders spürte. Sie legte den Kopf in den Nacken und schloss die Augen. Mit einigen tiefen Atemzügen brachte sie ihre Gefühle wieder unter Kontrolle. Erst dann sah sie zu Eragon und Arya hinüber.
"Eure Tochter ist ein kleines Wunder ehrenwerter Reiter. Ihr könnt stolz auf sie sein. Verzeiht mir bitte, das ich etwas angegriffen bin aber die letzten Wochen während unserer Reise waren in mancher Beziehung schwierig."
Eragon stutzte und fragte:
"Cale und Ismira haben uns in dieser Beziehung nichts angedeutet. Seit ihr auf Schwierigkeiten gestoßen? Hat es vielleicht Verletzte gegeben?"
"Nicht direkt Schattentöter und eure Reiter haben euch deshalb nichts berichtet weil es kein Problem war, dass mit Schwert oder Magie zu lösen gewesen wäre. Ihr müsst verstehen, wir alle aus dem Norden kannten nichts anderes als die Höhle in die man uns verbannt hatte. Nur aus den lange vergangenen Tagen unserer Kindheit erinnern wir uns an ein kleines Stück der anderen Welt. Ich meine die Siedlung in der wir zunächst untergebracht und aufgezogen wurden. Aus dieser Zeit wissen wir, dass es ein Lied des Lebens gibt und jede Note aus einer lebenden Seele geboren wird. Dort oben im Norden war das Lied kaum zu hören. Nur wenige Tiere und Pflanzen leben unter diesen harten Bedingungen. Während wir nach Süden gezogen sind veränderte sich die Landschaft mit jedem Tag. Ich weiß auch wie aufgeregte wir waren als wir die ersten Bäume gesehen haben! Mit jedem Schritt wurde dass Lied stärker und reichaltiger! Manche die ihren Geist schweifen lassen setzen eine Seele nicht mit einem Ton gleich sondern mit einem Lichtpunkt der in der Dunkelheit der Leblosigkeit erstrahlt wie ein Stern. Wir erkennen jetzt erst, wie dunkel und einsam es in unserer Verbannung war. Jetzt ist es so, als ob die ganze Welt aus Licht besteht! Der Himmel, die Erde das Gras alles leuchtet ist verbunden in großer Harmonie! Wenn ich jetzt an die Dunkelheit zurück denke indem man uns gestoßen hat und dann höre mit welcher Selbstverständlichkeit eure Tochter über unsere Markel hinweg sieht....."
Sinas Beherrschung brach nun doch zusammen und erste Tränen strömten über ihre Wangen. Noch bevor Eragon etwas sagen konnte löste sich Arya von seiner Seite, trat auf die andere Elfe zu und legte ihr zunächst die Hände auf beiden Schultern. Einen Augenblick sahen die beiden Frauen sich schweigend an, dann ließ sich Sina gegen Aryas Brust sinken und Eragons Gefährtin legte die Arme um sie und hielt sie fest wärend sie weinte.
Zunächst war Eragon vom Verhalten seiner Gefährtin etwas überrascht. Es passte nicht wirklich zu Aryas sonst so disziplinierter, fast schon verschlossener Persönlichkeit so bereitwillig körperlichen Kontakt zuzulassen. Erst als seine Gefährtin ihn über die Schulter hinweg kurz anblickte Verstand Saphiras Reiter. Arya hat ihr ganzes Leben den Dienst an ihrem Volk gewidmet. Schmerz und Leid von ihm fernzuhalten war ihre Lebensaufgabe. Sie musste sich dem Unglück dieser "verlorenen Kinder" nicht erst öffnen. Sie spürte ihren Schmerz als Teil von sich selbst. Die Ungerechtigkeit die man diesen Wesen angetan hatte stellte für die Elfe eine persönliche Kränkung dar. So irrational es auch klingen mochte Eragon wusste, dass auch Schuldgefühle Arya nun quälten. Stets hatte sie ihr ganzes Volk als ihren Schutzbefohlenen verstanden. Mochte ihr Verstand auch noch so klar sagen, dass sie überhaupt keine Möglichkeit gehabt hatte den Verstoßenen zu helfen, so fühlte sie sich doch verantwortlich.
Eragon kannte seine Gefährtin gut. Er wusste dass sie am liebsten allen Schmerz von Sina, Legartis und den anderen auf sich genommen hätte um die Neuankömmlinge aus dem Norden davon zu befreien. Das konnte sie nur nicht. Niemand konnte das. Also tat sie das, was ihrem Wunsch am nächsten kam: Sie zeigte Sina, dass sie nicht allein war und in der Gemeinschaft des Lebens willkommen war. Sie tat dies auf eine Weise, die mehr sagte als selbst die alte Sprache auszudrücken vermochte.


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