50. Zu Hause

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Aufgeregtes stürmte Naja ihre bisherige Unterkunft auf der ehemaligen Schlüpflingswiese. Sie wollte schnell ihre Sachen zusammenpacken und dann gemeinsam mit Tanis zur Festung der Reiter aufbrechen. Ihr junger Drache hatte immer wieder versichert, dass er schon die perfekten Räume gefunden hatte. Allerdings hatte er sich keine Erinnerungen an das Quartier dass er ausgewählt hatte entlocken lassen. Er war fest entschlossen seine Reiterin zu überraschen.
Naja hatte schließlich nachgegeben und ihren dunklen Begleiter aber gebeten zunächst ihre persönliche Habe abholen zu können. Darauf hatte der Drache sich eingelassen.
Sowohl Drache als auch Reiterin wussten, dass es nicht lange dauern würde die wenigen Habseligkeiten zusammenzupacken die Naja besaß.
Das meiste hatte sie ohnehin erst bei ihrer Ankunft in der Ostmark erhalten. Ihre komplette Kleidung beispielsweise. Ihr Lehrmeister hatte gesagt, dass man das, was über ihrer ersten Begegnung getragen hätte kaum noch als Kleidung bezeichnen konnte. Naja nahm ihm das nicht übel. Ihr Ziehvater hatte völlig recht. Sie vermisste auch kein einziges ihrer alten Kleidungsstücke. Sie waren schmutzig gewesen und stanken. Der bittere Geruch der Gerbsäure mit der sie Tag ein Tag aus gearbeitet hatte war tief in das Gewebe vorgedrungen und alles waschen der Welt hätte ihn wohl nicht mehr herausbekommen.
Dementsprechend kleinen fiel das Bündel aus welches sie nun zusammen packte. Ihre Kleidung, ihre Mappe für den Unterricht und eine kleine einfacher Holzkiste. Reiche Leute hätten das wohl ein Schmuckkästchen genannt aber für Naja machte es keinen Sinn die kleine Schatulle so zu nennen. Sie besaß schließlich keinen Schmuck. Der Inhalt des Kästchen war für die junge Reiterin aber ein kleiner Schatz. Es waren Stücke der Schale von dem Ei aus dem Tanis geschlüpft war. Naja hatte darauf bestanden sie aufzuheben und ihr Lehrer hatte nichts dagegen gehabt. Nachdenklich öffnete sie die kleine Schatulle und nahm ein besonders schönes Stück der Eierschale heraus. Naja möchte das Tiefe Schwarz und die Silbernen Adern die die Struktur durchzogen. Es erinnerte sie an ihre Mutter. Besser gesagt das einzige Erbstück dass sie einmal von der Frau die sie zur Welt gebracht hatte besessen hatte. Ein silberner Ring mit einem kleinen schwarzen Stein darin. Obsidian hatte das ihre Mutter einmal genannt. Ihr Vater hatte ihr den Ring geschenkt und Najas Mutter hatte ihn immer in Ehren gehalten. Nach dem verheerenden Feuer war dieser Ring in den Besitz der Tochter übergegangen aber nicht lange dort verblieben. Dafür hatte die Gier der alten Gerda gesorgt. Ihre Schützlinge waren ihr Eigentum gewesen, folglich auch alles was diese besaßen.
Mehr als die Kleidung die sie am Leibe trug hatte Naja nicht mehr besessen als ihr Drache bei ihr schlüpfte. Das wenige was sie von ihren Eltern geerbt hatte war zu diesem Zeitpunkt schon lange nicht mehr in ihrem Besitz gewesen. Als man sie in das Waisenhaus der alten Gerda gebracht hatte, war diese wenig interessiert an ihrem neuen Schützling gewesen. Sie hatte sich direkt das kleine Bündel geschnappt welches Naja bei sich getragen hatte, es lieblos auf ihrem Schreibtisch ausgeleert und damit begonnen den Inhalt zu inspizieren.
Kleidungsstücke hatte sie wortlos dem kleinen Mädchen zugeworfen. Die konnte sie schlecht verkaufen. Irgendetwas musste ihr Schützling ja tragen.
Eine Sammlung geschnitzter Holztiere, Najas einziges Spielzeug und noch von ihrem Vater stammend, waren in der Schublade des Schreibtisches verschwunden und ein gemurmeltes "Dafür krieg ich ein paar Bronzestücke" hatte dem Mädchen klargemacht, dass sie sich von diesem Teil ihrer Kindheit verabschieben musste.
Die alte Gerda machte Naja viel zu viel Angst als dass sie Proteste gewagt hätte. Nur einmal hatte sie widersprochen und dafür die ersten Schläge in ihrem jungen Leben erhalten. Als die alte Leiterin des Waisenhauses nämlich den Ring entdeckte und deutlich machte auch diesen verscherbeln zu wollen war sie für Naja zu weit gegangen.
Außer Schmerzen hatte der Widerspruch dem Kind natürlich nichts eingebracht. Der Ring ihrer Mutter war trotzdem verkauft worden und für sie nun für immer verloren.
Als Naja weggelaufen war hatte sie es nur deshalb gewagt dass Ei von Tanis anzufassen weil es die so sehr an den verlorenen Ring erinnert hatte. Sie hatte damals so viel Angst gehabt und sich so sehr nach dem Gefühl gesehnt, dass sie immer gehabt hatte wenn ihre Mutter sie in den Arm genommen hatte. Dieses Gefühl, dass alles gut war und niemand einem etwas antun konnte. Im Grunde war es natürlich dumm von ihr gewesen deshalb dass Ei anzufassen. Sie hatte gehofft dass sie sich dann vielleicht wieder so fühlen würde.
Die Erinnerungen an ihre tote Mutter spülten eine Woge von Trauer durch den Geist des jungen Mädchens. Sie schloss für einen Moment die Augen weil sie nicht weinen wollte. In diesem Augenblick wünschte sich Naja mit jeder Faser ihres Körpers, dass sie den Ring, dieses kleine Andenken an ihre Mutter noch in ihrem Besitz wäre.
In dem Augenblick als dieser Wunsch alles andere aus ihren Gedanken verdrängte hatte Naja plötzlich das Gefühl als würde sich eine Tür in ihrem Inneren öffnen. Etwas strömten von jenseits dieser Tür durch sie hindurch, füllte sie aus, und verschmolz mit dem sehnsüchtigen Wunsch nach dem Ring. Kaum war das Geschehen als sich das ganze innere Universum der jungen Reiterin in einen Wirbel aus Energie verwandelte der mit aller Macht aus ihr ausbrechen wollte.
Erschrocken öffnete Naja die Augen um das Gefühl zu verscheuchen aber es blieb und fand einen Weg sich Luft zu machen. Die Handfläche die Tanis mit seinem Zeichen markiert hatte begann plötzlich hell auszuleuchten. Mehrere Stücke der Schale des Dracheneis erhoben sich, schwebten vor Najas Gesicht und schienen plötzlich flüssig zu werden. Die silbernen Anteile der Schale konzentrierten sich an einem Ort und die schwarzen an einem anderen. Dann gab es einen hellen Lichtblitz und die Welt um Naja versank in Dunkelheit.


"Naja....." Jemand rief sie.
"Naja kannst du mich hören?"
Sie kannte die Stimme.
"Naja, antworte bitte."
Tar.....ihr Lehrer, ihr Ziehvater!
Müde hob Naja ihre Augenlider. Sie schien ihr so schwer wie Blei zu sein. Nur am Rande ihres Bewusstseins stellte sie fest, dass sie offenbar zwischen den Vorderbeinen von Tanis lag.
"Allen Göttern sei dank!" Ihr Lehrmeister Tar schien sehr besorgt zu sein."Was ist denn passiert Mädchen!"
Naja war zu müde um zu antworten. Sie öffnete einfach ihre rechte Hand. Sie wusste dass die Antwort da drin war. Sie lächelte leicht als sie die Antwort in ihrer Hand funkeln sah.
"Ein Ring?" Tar blickte das Schmuckstück verwundert an und berührte es vorsichtig mit einem Finger."Das fühlt sich an wie die Schale eines Dracheneis! Hast du diesen Ring gemacht Naja?"
Die junge Reiterin nickte obwohl es ihr sehr schwer fiel. Ihre Augen fielen ihr schon wieder zu und sie kuschelte sich noch etwas näher an Tanis warme Brust.
"Will ihn behalten."nuschelte Naja nur als sie bereits wieder einschlief." Bis ich eine Tochter hab. Dann kriegt sie den von mir und niemand wird ihn ihr wegnehmen."
Naja wollte nicht mehr gegen ihre Müdigkeit ankämpfen, wollte nur noch schlafen. Wie aus weiter Ferne hörte sie Tanis fragen:
-"Geht es ihr gut? Sie wird doch wieder gesund oder?"-
Eine dunkle Stimme antwortete ihrem Drachen. Der Name Aroc flackerte durch Najas schwindendes Bewußtsein.
-" Macht dir keine Sorgen kleiner Flügel. Deiner Seelenschwester wird es gut gehen. Sie ist nur sehr müde und muss sich ausschlafen, dann wird alles wieder gut."-
Das stimmte......dachte Naja. Wenn man bei Wesen war die einen liebten und sich um einen sorgten war man zu Hause. Tar sorgte sich um sie, Aroc auch und Tanis auch und umgekehrt war es genauso!
"Schön zu Hause zu sein." flüsterte Naja bevor sie entgültig in ihrer Müdigkeit versank.



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