60. Der verlorene Sohn Teil 2

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Bisher hatte Trenyan gefasst und höflich gewirkt. Erwachsener als sein alter es eigentlich zuließ. Eragon hatte dies auf die strengen Verhaltensregeln der Elfen bezogen. Er hatte zwar bereits gemerkt, das die Verstoßenden den Umgangsformen ihres Volkes weniger Bedeutung beimaßen als der Teil ihres Volkes der in ihren angestammten Wäldern lebte, aber dennoch war es Teil ihrer Lebensart.
Nun, als der junge Elf erfuhr weswegen die Drachenreiter mit ihm sprechen wollten entpuppte sich ein Großteil der Beherrschung als Fassade.
Eragon hatte Arya das Wort überlassen. Sie beherrschte es besser auch schwierige, emotional aufgeladener Themen sachlich in Worte zu fassen und die Erzählung auf die notwendigen Fakten zu beschränken.
Trotz ihrer ruhigen Art war es eindeutig zu erkennen, dass das Thema Trenyan bis ins Mark traf. Besonders schweren fiel es ihm zu akzeptieren, dass sein Vater für ihn hatte Rache nehmen wollen. Der junge Elf hatte sich mit betrübtem Gesichtsausdruck auf einem Fass niedergelassen, dass neben dem Eingang eines der vielen Zelte stand. Während Arya ihren Bericht beendete starrte der junge Mann mit leerem Blick auf seine Hände die in seinem Schoß ruhten. Eine Weile blieb es still.
"Warum sollte dieser Bloedgram in meinem Namen versuchen einen Mord zu begehen?" ließ sich Trenyan schließlich vernehmen.
Eragon bemerkte sofort, dass sich an dem singenden Geräusch, welches der Anhänger, der Trenyan zu sprechen ermöglichte, erzeugte, etwas verändert hatte. Die Melodie schien nun kälter und härter zu sein. Der Anführer der Reiter konnte nur vermuten dass sie im Zusammenhang mit der Gefühlslage des Trägers dieses besonderen Schmuckstücks stand. Inzwischen reagierte Sina auf die Frage des jungen Mitglieds ihrer Reisegruppe.
"Er ist dein Vater." Sagte sie schlicht.
Trenyan öffnete kurz den Mund jedoch bildete sich kein Geräusch. Eragon brauchte einen Wimpernschlag lang um zu verstehen, dass jemand mit Stimmbändern nun gerade ein ungläubiges und freudloses Lachen ausgestoßen hätte.
Der feine Klang des Anhängers nahm nun etwas wildes und feuriges an. Eine Veränderung die offenbar der zornigen Verzweiflung geschuldet war die nun in Trenyan aufstieg.
"Er kennt mich doch nicht einmal!"
"Das mag schon sein junger Freund aber es gibt trotzdem eine Verbindung zwischen dir und ihm. Ebenso zwischen dir und seiner Gefährtin Tialva."
Eragon setzte sich neben dem jungen Elfen und sammelte seine Gedanken während er die Worte dir zuletzt gesprochen hatte wirken ließ.
"Eltern und ihrer Nachkommen haben eine einzigartige Bindung zueinander. Sie ist unabhängig von der Meinung die man von anderen hat oder davon wie gut man sich kennt. Diese Bindung entsteht aus der simplen Tatsache, dass es den einen nicht geben würde ohne die beiden anderen. Ohne diese beiden Elfen wärst du nie geboren worden Trenyan."
Der verstoßene Elf vermied es Eragon anzusehen. Der starrte beharrlich weiter auf seine Hände. Schließlich jedoch sagte er:
"Da habt Ihr wohl recht Drachenreiter. Es tut mir leid, das ihr wegen mir so viel Kummer mit meinem Vater hattet."
Eragon winkte entschlossen ab.
"Du brauchst dich dafür nicht zu entschuldigen Trenyan. Du konntest absolut nichts dafür. Was dein Vater betrifft ist er glücklicherweise zur Vernunft gekommen und die Sache ist damit erledigt. Was zählt ist das was vor uns liegt.
"Genau das ist es eben. "Trenyans Stimme klang nun sehr energisch aber es klang auch Unsicherheit und sogar Verzweiflung mit. Zum ersten Mal blickte er Eragon an und diesem wurde klar wie jung sein gegenüber tatsächlich noch war.
"Ich meine was erwarten meine Eltern jetzt von mir? Für mich sind Sie Fremde und ich bin ein Unbekannter für sie. Ich bin auch nicht der der ich gewesen wäre wenn sie mich aufgezogen hätten und ebenso wenig sind sie die beiden Personen die damals auf meine Geburt gewartet haben.
Das Leben hat uns auf völlig andere Wege geführt. Was verbindet uns noch außer dem Erbe, das jedem Lebewesen ins Blut geschrieben ist?"
Eragon ließ sich Zeit. Nicht weil er um eine Antwort verlegen war. Er hatte inzwischen genug Erfahrung um zu wissen, dass es klug war schwierige Unterhaltungen im Vorfeld im Geiste durchzugehen, sich Aktionen und Reaktionen vorzustellen und das eigene Handeln zu planen. In Trenyan konnte er sich sehr gut hinein versetzen. Auch er wusste was es bedeutete plötzlich mit einem unbekannten Elternteil konfrontiert zu werden. Dabei hatte er sowohl positive als auch negative Erfahrungen gemacht.
Saphiras Reiter passte sich hier der Verhaltensweise der Elfen an. Eine schnelle, unmittelbarer Antwort galt beim schönen Volk weniger als eine über die man erst nachgedacht hatte. Eine sofortige Antwort war aus einem emotionalen Impuls heraus geboren und mit Vorsicht zu betrachten.
Eragon beschloss seinem jungen Gegenüber mit Offenheit zu begegnen. Offenheit auch über seine schwierigen Familienverhältnisse. Ein Thema das für ihn bis heute kein einfaches war.
"Ich kann sehr gut verstehen wie du dich fühlst Trenyan."versicherte er." Auch für mich sind meine Eltern kein leichtes Thema. Meinen Vater habe ich zwar kennen gelernt aber, um mich zu schützen, hat er sich nie als der Mann zu erkennen gegeben der mich gezeugt hat. Nur aus einer Erinnerung die er in Saphiras Geist gepflanzt hat weiß ich wie er wohl über mich gedacht hat. Noch schwieriger ist es mit meiner Mutter. Sie verließ ihre Familie in jungen Jahren und wurde in dem dunklen Imperium das Galbatorix errichtet hatte berüchtigt als eine äußerst gefährliche und skrupellose Frau. Man gab ihr den Namen die schwarze Hand und es gibt Geschichten über die Taten dieser Agentin, die im Dienste von Galbatorix treuestem Gefolgsmann Morzan stand, die einem das Blut in den Adern gefrieren lassen. Mein Vater auf der anderen Seite beschrieb eine völlig andere Person in die er sich verliebt hat. Eine gütige, herzliche Frau die bemüht war den Schwächeren zu helfen. Ich gebe zu, dass mir Letzteres besser gefällt."
Während Eragon eine Pause machte stieß Trenyan wieder sein lautloses Lachen aus. Weiterhin sah er den Anführer der Drachenreiter an und in seinem Blick entdeckte er Eragon Hoffnung. Hoffnung darauf, dass das was er gerade hörte ihm bei seinem Problem helfen würde.
"Ich habe viele Fragen Trenyan. Frage an meinen Vater, Fragen an meine Mutter. Auf keine werde ich Antwort erhalten denn die beiden sind tot. Und weil es nun einmal zwischen Kindern und Eltern eine Verbindung gibt die durch nichts durchtrennt werden kann werden mich diese Fragen mein ganzes Leben lang begleiten. Ich kann sie zwar in einem einsamen Winkel meines Verstandes verstecken aber immer wieder werde ich auf Situationen stoßen die mich dazu veranlassen mir diese ungeklärten Punkte wieder zu vergegenwärtigen und Bedauern zu empfinden darüber, dass die Frage stets unbeantwortet bleiben werden.
Sicherlich, es gibt Zeugenaussagen und Beobachtungen, Vermutungen und Theorien. Manche davon habe ich für mich als die Wahrheit akzeptiert aber es bleibt immer der letzte Zweifel den nur ein direktes Gespräch ausräumen könnte.
All das erzähle ich dir, damit du weißt, dass ich verstehe wie schwierig das Verhältnis zwischen Eltern und Kindern sein kann aber heute geht es nicht um mich sondern um dich. Du hast völlig recht. Weder bist du der Mann, der du heute wärst wenn deine Eltern dich aufgezogen hätten noch sind sie die Individuen die damals deine Geburt erwartet haben. Du fragst dich was sie von dir erwarten. Was glauben Sie wer du bist? Trenyan, hast du dir überlegt, dass sie sich vielleicht genau dieselben Fragen stellen? Was erwartest du von ihnen? Sind sie das was Du dir unter Eltern vorstellst? Sind sie mehr? Sind sie weniger? Ich denke das Beste was ihr tun können ist euch zu treffen und schlicht nichts vom anderen zu erwarten. Weder bestimmte Fähigkeiten noch bestimmte Gefühle noch einen bestimmten Charakter. Redet einfach miteinander und findet heraus wohin euch das führt. Keiner kann von dir erwarten, dass du sogleich der perfekte Sohn bist und sie die perfekten Eltern.
Am besten folgt ihr in dieser Situation eurem Gefühl und seid ehrlich zu euch selbst und zu den anderen und in dem was ihr fühlt. Sagt ihnen wozu du bereit bist und was du vielleicht noch für verfrüht hältst aber ich rate dir nutze die Gelegenheit mit ihnen zu sprechen. Es ist eine Gelegenheit die vom Schicksal nur allzu schnell zerstört werden kann. Unbeantwortete Fragen sind keine angenehmen Reisebegleiter auf der Fahrt durch unser Leben."
"Dem kann ich mich nur anschließen." sagte Arya leise als sie neben ihren Gefährten trat und ihm die Hand auf die Schulter legte. Eragon blickte zu ihr auf und strich mit seiner Hand über die der Elfen die aus seiner Schulter ruhte. Zu sagen brauchten die beiden Gefährten nichts. Eragon konnte in Aryas Blick genau lesen was seine langjährige Geliebte im Augenblick beschäftigte. Der Tod ihres Vaters, der Verlust ihrer Mutter und die Jahre die sie mit Streit verschwendet hatten. Ebenso das Schicksal dass ihre Cousine Narie getroffen hatte. Auch die Mutter von Aryas junger Verwandten war gestorben bevor Mutter und Tochter sich aussprechen konnten. Ein Erlebnis das Narie nachhaltig gezeichnet hatte.
Als Eragon wieder zu Trenyan blickte sah er bei dem jungen Elf neue Entschlossenheit auf dem Gesicht.
"Ihr habt recht." sagte er schließlich. "Ich werde mich mit ihnen treffen und sehen wohin das Schicksal uns leitet."


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