138. Erste Schritte

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Nachdenklich stocherte Marlena im Lagerfeuer herum. So hatte sie sich das Wiedersehen mit Kenai nicht vorgestellt.
Es war kein Desaster gewesen, sie hatten sich angelächelt, höflich begrüßt aber dann war es Stil geworden.
Marlena wusste nicht was Irucans Reiter dachte aber sie selbst fühlte sich innerlich wie erstarrt, jedes mal wenn sie den jungen Mann, der ihr nun gegenüber saß auch nur anblickte. Sie konnte nicht vor und nicht zurück.
Ihre Tante Narie hatte den beiden jungen Reitern schließlich aus der Verlegenheit geholfen und sie über ihre anstehende Aufgabe informiert.
Sie sollten dem Ufer lauf des Jörmundur folgen. Zunächst nach Norden und dann noch einige Meilen in östlicher Richtung bis sie auf eine weitere Formation von Klippen stießen. Dort lagerte ein rollender donner von neun Drachen. Das Weibchen, dass die Gruppe anführte hatte die Einladung ausgesprochen. Sie trug den Namen Wilana. Ihre jüngere Schwester trug den Namen Ester und erwartete demnächst ihre Niederkunft. Sie dachte darüber nach ein ei den Reiter anzuvertrauen und daher sollten Ordensmitglieder anwesend sein.
Es war für einen Reiter eine Ehre bei einer solchen Begebenheit anwesend sein zu dürfen. Drachenmütter waren sehr beschützend wenn es um ihren Nachwuchs ging.
Es gab Berichte, dass Weibchen nicht einmal ihre Nistpartner bei sich haben wollten wenn sie ihre Eier legten.
Reiterdrachen akzeptierten für gewöhnlich ihre Reiter aber bei wilden Drachen hatten Zweibeiner nichts zu suchen. Daher war es in der Tat eine Ehre bei einer solchen Gelegenheit anwesend sein zu dürfen.
Da Marek verhindert war blieb nur Narie.
Marek jedoch war von diesem Gedanken wenig erbaut. Der Flug selbst war zwar keine Herausforderung. Die Entfernung ließ sich in Anderthalb Tagen bewältigen. Marlena und ihr Begleiter gingen davon aus bereits am frühen Morgen des nächsten Tages am Ziel zu sein.
Aber eine Drachengeburt konnte unter Umständen Stunden oder gar Tage dauern und es war Brauch, dass die Personen, die eine werdende Drachenmutter eingeladen hatte um der Niederkunft bei zu wohnen an ihrer Seite blieben bis die Eier auf der Welt waren. Wind und Wetter durften keine Rolle spielen!
Genau dieser Punkt war es, der Narie letztlich davon überzeugt hatte einen Vertreter zu entsenden. Ein plötzlicher Regenguss, ein schneidender Wind hätten Auswirkungen auf ihre Schwangerschaft haben können.
Kenai allein war jedoch nicht wirklich geeignet als Vertreter. Drachen waren stolze Kreaturen und hitzig im Temperament. Narie befürchtete, dass sich die Drachendame Ester bleidigt fühlen könnte wenn der Orden auf ihre Einladung hin lediglich einen Schüler entsandt hätte.
Marlenas Ankunft löste dieses Problem. Sie war eine junge aber verdiente Reiterin und nicht zuletzt die Tochter des Arget Un. Sie war eine würdige Vertretung.
Kenai sollte sie als füher und einer der ortsansässigen Reiter begleiten.
Marlena war nicht das hintergründige Lächeln ihrer Tante entgangen als sie den beiden jungen Reitern ihren Auftrag erklärt hatte. Sicher meinte die Elfe es gut, doch im Augenblick wünschte sich die junge Halbling sie wäre allein mit Alonvy unterwegs.
Über höfliche Floskeln war sie mit Kenai nicht hinaus gekommen.
Auch jetzt, da sie sich am Lagerfeuer gegenüber saßen bekam keiner der Beiden ein Wort heraus.
Marlena nestelte an ihrem Schlafsack herum und Kenai starrte eisern ins Feuer.
Das Rascheln von Alonvys Schuppen als sich die Drachendame erhob ließ die junge Halbling zusammenfahren als hätte ein Schatten soeben neben ihr seinen Todesschrei ausgestoßen.
Entsetzt erkannte Marlena, dass sich ihre Seelenschwester für den Abflug bereit machte und die Muskeln streckte.
-"Wo willst du hin?"- fragte sie.
-"Mir mein Abendbrot besorgen. Irucan hat mir erzählt, dass es hier eine schmackhafte Art von Gazellen gibt."-
-"Irucan? Du redest mit ihm?"-
-"Natürlich. Warum denn nicht?"- erwiderte die weiße Drachendame unschuldig. -"Er ist groß geworden findest du nicht?"-
-"Was...?"-
Marlena blickte zu dem jungen mitternachtsblauen Drachen der sich nun ebenfalls erhob.
Ihr Gehirn brauchte einige Sekunden um eine Antwort zu formulieren. Natürlich war ihr bereits aufgefallen, dass sich Irucan prächtig einwickelt hatte. Er war nun mehr als in der Lage seinen Reiter über jede Entfernung zu tragen und hatte einen Körperbau entwickelt der eine gute Mischung aus der schlanken Anmut eines Fliegers und der muskulösen Kraft eines Jägers war.
-"Als wir ihn das letzte mal sahen war er ein Dreikäsehoch und jetzt."-
Alonvy zwinkerte koket und entfaltete ihre Flügel.
-"Aber du kannst mich doch nicht....."-
Alonvy fing den panischen Blick ihrer Reiterin ein.
-"Nun sei bitte nicht albern kleine Halbling. Der Junge wird kaum über dich herfallen und selbst wenn: Du kannst doch wohl auf dich aufpassen."-
Marlena wollte widersprechen aber Alonvy sprach gnadenlos weiter:
-"Außerdem solltet ihr beide miteinander reden. So wie ihr miteinander umgeht blamiert ihr den Orden noch vor den Wilden. Ich hab mir das jetzt lange genug mit angesehen. Klärt das endlich ihr Zwei!"-
Mit diesen Worten entfaltete die weiße Drachendame endgültig ihre Schwingen uns schoss in den abendlichen Himmel.
Irucan folgte ihr nur wenige Augenblicke später.
Unweigerlich wanderte Marlenas Blick zu Kenai und sie musste feststellen, dass er seinem Drachen ebenso fassungslos nachblickte wie sie selbst auch.
Kurz trafen sich die Blicke der beiden jungen Reiter. Hastig unterbrachen sie diesen Kontakt sofort wieder, wandten sich dem Feuer zu und starrten in die zuckenden Flammen.
Momente betretenen Schweigens folgten.
Tief in sich wusste Marlena, dass Alonvy recht hatte. Sie und Kenai mussten die Verhältnisse zwischen sich klären. So konnte es nicht weitergehen.
Ein anderer Teil von ihr war aber nicht bereit so rational zu denken. Dieser Teil war ein wenig wütend das Alonvy sie so in die enge getrieben hatte.
"Du bist immer noch wütend auf mich oder?"
Kenais Stimme riss die junge Halbling aus ihren Überlegungen.
Abermals brauchte ihr Verstand einen Augenblick um ins hier und jetzt zurück zu finden daher sprach Kenai bereits weiter.
"Wegen der Angelegenheit mit Svenjara. Ich meine ich....."
"Nein."
Marlena war fast überrascht ihre eigene Stimme zu hören.
"Nein, ich bin nicht mehr wütend auf dich."
Kenai zögerte einen Augenblick.
"Und warum können wir dann nicht miteinander reden?"
Marlena hob verzweifelt die Schultern.
"Ich weiß es doch auch nicht. Es ist wie ich gesagt habe: Als wir uns näher gekommen sind, da bin ich einfach meinen Instinkten gefolgt. Ich meine, mein Vater.....Meine Mutter war die einzige für ihn und ihre Liebe ist so stark...."
"Und du bist enttäuscht, dass du nicht die erste und einzige für mich warst?" fragte Kenai.
"Ich weiß es nicht." gab Marlena heftiger zurück als sie es eigentlich wollte. Sie fuhr sich mit beiden Händen durch die Haare bevor sie fortfuhr. "Das ist ja gerade das Problem. Bevor ich das mit Svenjara erfahren habe. Da bin ich wenn es um dich ging einfach meinem Gefühl gefolgt. Das Gefühl ist noch da aber auch Fragen."
"Was für Fragen?"
Kenais Stimme war für Marlena überraschend sanft. Sie erkannte das ihr Gegenüber verzweifelt bemüht war den Kontakt den sie zueinander hergestellt hatten nicht abreißen zu lassen.
"Das was ich für dich empfinde Marlena ist.....! Ich meine ich suche nicht nur ein neues Abenteuer bei dem ich ein weiteres gebrochenes Herz am Wegesrand zurücklassen kann. Ich nehme es ernst Marlena. Wirklich!"
"Das glaube ich dir. Bei den meisten Fragen geht es gar nicht um dich sondern um mich." versuchte sie zu erklären. "Ob ich schon bereit bin, verstehst du? Wie weit bin ich bereit zu gehen? Die Bindung die meine Eltern haben ist wundervoll aber will ich das auch für mich? Ich weiß, dass du nicht mit mir spielst Kenai. Wirklich! Und wenn ich zögere, dann nur weil ich nicht will, dass du das gebrochene Herz am Wegesrand wirst."
Die beiden jungen Reiter sahen sich für einen Augenblick über das Feuer hinweg an.
"Ich stell mir auch solche Fragen weißt du." sagte Kenai schließlich.
"Wirklich?" Marlena fühlte sich seltsam erleichtert. "Was für Fragen?"
"Wie es sein kann, dass es sich bei dir so anders anfühlt zum Beispiel."
"Anders?"
"As damals bei Svenjara." Kenai starrte auf seine Hände während er sprach. "Ich habe sie gemocht. Sie war mir nie egal. Aber nachdem wir......ich wusste einfach, dass das was uns verband nicht stark genug war weißt du. Das Gefühl das ich für dich habe ist anders. Stärker. Weißt du, ich habe nicht bewusst entschieden dir nichts von Svenjara zu erzählen weil ich das mit uns nicht geplant habe verstehst du. Es war einfach...."
"Gefühl!" vollendete Marlena.
wieder sahen sie sich an.
Es war seltsam. Das es auch für ihn Instinkt gewesen war bedeutete Marlena überraschend viel.
"Warum vertrauen wir nicht einfach wieder unserem Gefühl." schlug Kenai plötzlich vor. "Mein Gefühl sagt mir, dass das was wir haben etwas wertvolles ist, etwas das ich nicht verlieren möchte. Oder zerstören durch zu große Eile. Wenn wir bereit sind. Werden wir es doch wohl spüren oder?"
Marlena verfolgte wie ein unsicheres Lächeln auf Kenais Gesicht sich Ausbreitete und von ihr erwidert wurde.
"Wenn wir das tun wollen, auf unsere Gefühle hören, dann müssen wir aber miteinander reden. Darüber was wir fühlen. wofür wir uns bereit fühlen."
"Ja," Kenais Lächeln wuchs etwas in die Breite. "Das müssen wir wohl. Reden meine ich."
"Wie heißt es eigentlich ?" wollte Marlena plötzlich wissen.
"Wie heißt was?"
"Dein Reiterschwert."
Marlena deutete auf die dunkelblaue Klinge die der andere Reiter inzwischen trug.
"Oh! Ich habe sie Nordlicht getauft. Ich finde das passt zu mir." gab Kenai zurück. "Willst du wissen welchem Reiter sie vorher gehört hat."
"Gerne" antwortete die junge Halbling.
Während Kenai begann die Geschichte seiner Klinge zu erzählen zupfte etwas an Marlenas Geist.
-"Na kleine Halbling. Es scheint dir besser zu gehen."-
Alonvy klang sehr zufrieden mit sich selbst.
-"Stör mich bitte nicht."- gab Marlena zurück. -"Ich unterhalte mich gerade sehr nett."-
Durch die geistige Verbindung spürte die junge Halbling, dass ihre Drachendame zufrieden war.





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