6. Ungeklärte Fragen

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"Brrrrr!" Ismira schüttelte sich als ihr Onkel Umaroth Erinnerungen mit ihr und Cale teilte. "Die Beiden sehen wirklich nicht Vertrauen erweckend aus."
Eragon, Arya und ihre Drachen waren nach zweitägiger Reise im Norden angekommen. Am Scheinbartreffpunkt wurden sie von Ismira, Cale sowie den Drachen der beiden erwartet. Saphira und ihr grüner Nistpartner freuten sich ihre Enkel wieder zu sehen.
Am Horizont zeichnete sich aus einer schroffen Felsformation eindeutig eine Bug ab. Die Festung von Maris und der Grund weshalb die beiden ältesten Reiter des Ordens diese weite Reise gemacht hatten.
"Der äußere Anschein mag manchmal trügen liebe Nichte." hielt Eragon dagegen auch wenn er Ismira ihrer Einschätzung nicht übel nehmen konnte.
"Na in diesem Fall aber wohl nicht." erwiderte Eragons junge Verwandte. "Schließlich waren die beiden Verräter am alten Orden oder?"
Ismira blickte in die Runde und wieder Eragon noch Arya konnten diesem Argument etwas entgegensetzen. Die Fakten sprachen nicht für Maris und seinen Drachen.
Cale kratzte sich nachdenklich am Hinterkopf.
"Augenscheinlich hast du da wohl Recht meine Rebellin aber ich habe mich ziemlich ausführlich mit den Abtrünnigen beschäftigt. Über Maris und Säris ist so gut wie nichts bekannt. Sie tauchen im Grunde nur in einer Liste der verräterischen Reiter auf und man weiß über sie, dass sie wohl Galbatorix unterstützt haben. Man weiß aber nichts über ihre Beweggründe. Wir wissen dass einige Reiter nur unter Zwang Galbatorix unterstützt haben."
"Deine Lehrmeister können mit dir zufrieden sein junger Reiter."
Umaroth Stimme erklang praktisch aus dem Nichts. Der alte Drache machte sich nicht die Mühe seine komplette Lichtgestalt zu bilden um an der Unterhaltung teilzunehmen.
"Es spricht im hohen Maße für dich, dass du dich nicht einfach von Äußerlichkeiten leiten lässt. Auch mir und meinen Reiter sind die Verhaltensweisen von Maris und Säris stets ein Mysterium geblieben geblieben. Bis heute kann ich im Grunde keinen Frieden mit den Erinnerungen an die beiden schließen."
"Könnte dir uns das noch etwas genauer erklären alter Meister?" erkundigte sich Arya. "Ich will nicht übergebürlich in euch dringen aber wenn ihr euch über 100 Jahre in einem Konflikt gefangen seht müssen die beiden wirklich schwer zu erfassende Wesen gewesen sein."
"Da hast du wohl recht Arya. Im Grunde sind es drei Fakten über die beiden, die ich bisher nicht in Einklang bringen kann. Der erste hat im Grunde gar nichts mit Galbatorix und seinen Verrätern zu tun. Wie ich euch bereits erzählt habe liebten Maris und sein Drache die weite, kalte Einsamkeit des Nordens. In den Reihen des Ordens nannte man sie die weißen Geister. Diesen Namen hatten sie bekommen, weil sie so unauffällig waren. Ich erinnere mich daran, dass ein befreundeter Drache mal gesagt hat, er wäre überrascht gewesen dass die Erde erbebte als Säris landete. Ein Geist dürfte doch eigentlich keine Erschütterung verursachen. Sie führten die Aufträge die man ihnen übertrug stets gewissenhaft aus aber während sich manche Mitglieder des Ordens in fast schon peinlicher Weise für ihre Leistungen feiern ließen lehnten diese beiden jede Erbezeugung ab. Selbst wenn sie bedeutende diplomatische Erfolge errungen hatten oder sich mit der Waffe bewährt hatten bestanden sie stets darauf, dass man es nicht großartig verkündete oder Statuen zu ihren Ehren errichtete. Über aus bescheiden. Anders kann man die beiden nicht beschreiben. Dann jedoch suchte der damaligen Botschafter der Elfen meinen Reiter auf und bat ihn in seiner Funktion als Oberhaupt des Ordens sofort nach Ellesméra zu reisen. Maris hätte eine ernste diplomatische Krise verursacht und dein Vater, Arya, müsse sich sofort mit meinem Reiter beraten um ernste Konsequenzen zu vermeiden. Mehr war aus den Elfen nicht herauszubekommen. Natürlich machen wir sofort auf! Doch als wir ankamen, versicherten uns deine Eltern, Arya, dass die Krise bereits beigelegt sei. Sie waren bemüht das ganze als harmloses Missverständnis hinzustellen. Der Botschafter hätte übertrieben. Mein Reiter glaubte das nicht. Man konnte vieles über den damaligen Botschafter sagen aber nicht das übertrieben emotionale gewesen wäre. Auch wurden Islanzadi und Evander zwar nicht müde und versichern, dass jegliche Belastung für das Verhältnis zwischen den Elfen und im Orden ausgeräumt sei aber es war nichts in Erfahrung zu bringen was denn nun die eigentliche Natur der Krise gewesen war. Auch Maris und Säris schwiegen in diesem Punkt beharrlich. Kurze Zeit später baten die beiden darum als die festen Grenzwächter des Nordens eingesetzt zu werden. Vrael stimmte dem zu. Es war allerdings etwas merkwürdiges an dieser Bitte. Der Titel des Wächters des Nordens galt im Orden als eine Strafversetzung. Wir Drachen lieben die Kälte nicht und im Norden gibt es nur die leere Steppe und das ewige Eis. Es gibt also im Grunde nichts zu bewachen. Weder Reiter der auf diesem Posten berufen wurde, war sich darüber im klaren, dass man ihn im Grunde die Gelegenheit geben wollte in aller Ruhe über das eigene Verhalten nachzudenken und ihn nicht mit Aufgaben betraute, die der Orden als wichtig ansah. Maris und Säris sich zwar niemals feiern lassen aber sie hatten durch aus Segel als Drache und Reiter errungen. Es gab absolut keinen Grund sie zu bestrafen. Zu seinen Beweggründen wollte Maris nicht weiter Auskunft geben und daher überließ man ihm diesen Posten."
Umaroth legte eine Pause ein um seine Worte wirken zu lassen und sammelte seine Gedanken.
"Die anderen Punkte stehen mit Galbatorix im Zusammenhang. Nach dem der Tyrann mithilfe von Morzan einen jungen Drachen geraubt hatte mussten sich die Beiden zunächst verstecken. Morzan war noch ein Novize des Ordens. Talentiert, ganz zweifellos, aber noch jung und unerfahren. Auch benötigte der Drache, den die Welt ass Shruikan gefürchtet hat, erst eine gewisse Zeit um zu einer Größe heranzuwachsen die es Galbatorix erlaubte ihm zu reiten und mit ihm in den Kampf zu ziehen."
"Hätte er mit Shruikan nicht dasselbe tun können wie mit Dorn?" wollte Eragon wissen.
"Skrupellos genug wäre er zweifellos Schattentöter aber du vergisst eine Kleinigkeit." schmunzelte Umaroth." Es ist bei weitem kein einfaches magisches Kunststück das Wachstum und die natürliche Entwicklung einer Kreatur zu beschleunigen. Du hast Galbatorix auf dem Höhepunkt seiner Macht bekämpft. Damals stand ihm noch nicht die kollektive Macht des gesamten Drachenvolkes zur Verfügung. Er hatte noch keine Seelenhorte gestohlen und sie seinem Willen unterworfen. Sicher, Galbatorix war ein begnadeter Magier und vieles von seinem Wissen hat er an Morzan weitergereicht aber damals waren seine Möglichkeiten noch sehr begrenzt."
"Mein Vater hat mir erzählt, dass er sich Morzan an einen dunklen Ort zurückgezogen hätte wo er seinen gestohlenen Drachen heranwachsen ließ und seinen Verbündeten ausbildete. Irgendwo im....."
Eragon verstummte.
Der weiße Eldunarí gab ein zustimmendes Brummen von sich.
"Du hast es erkannt Eragon Bromssohn. Galbatorix zog sich in den Norden zurück. Das wussten wir aber nicht. Wir kontaktierten alle Grenzwächter und alle, auch Maris, versicherte uns das ihr Gebiet sicher sei. Die Tatsache, dass Maris und nicht vor Galbatorix gewandt hat und später als einer seiner Gefolgsleute auftrat hat mich überzeugt, dass er uns damals belogen hat. Hätten wir Galbatorix und seinen ersten Diener Morzan zu diesem Zeitpunkt aufzuspüren und zum Kampf stellen können hätte nichts ihre Niederlage verhindern können. Zu diesem Zeitpunkt waren sie noch schwach. 100 Jahre des Terrors! Das fast vollständige Aussterben der Drachen! Das hätte verhindert werden können wenn Maris uns die Wahrheit gesagt hätte."
Bei allen Anwesenden Drachen sträubten sich die Schuppen und ein bedrohliches Knurren ließ die Flanken der mächtigen Wesen erzittern. Fíernens tiefe Stimme rollte wie Donner durch den Geist alle Anwesenden.
- "Wenn das so ist, verstehe ich nicht wieso ihr in eurem Urteil über Maris und Säris noch zweifelt alter Meister! Sie verdienen nicht mehr und nicht weniger als unsere Verachtung!!"-
"Ich würde dir zustimmen Smaragdfeuer wenn es nicht einen weiteren Punkt gebe." erklärte Umaroth geduldig. "Wie ich euch bereits erzählt habe Boden Säris und Maris im ersten Gefecht der Abtrünnigen gegen eine größere Streitmacht des Ordens getötet. Mein Reiter und ich kämpften selbst gegen die beiden. Dabei fiel mir auf, dass Säris beim Luftkampf mit mir einige Fehler beging. Fehler die einem Drachen mit seiner Erfahrung eigentlich nicht unterlaufen sollten. Als sie schließlich tödlich getroffen abstürzten verfolgten Vrael und ich die beiden. Säris lag mit gebrochenen Gliedern auf der Erde und die Flamme seines Lebens flackerte bereits bedrohlich. Maris saß an seiner Seite und hielt sein Schwert in den Händen. Als man Reiter und ich landeten machte er jedoch keine Anstalten uns anzugreifen. Stattdessen schlitzte er mit seiner Klinge eine Satteltasche die Säris trug auf. Es fiel ihm nicht leicht zu tun weil er selbst schwer verwundet war. Aus dem Loch im Leder fielen die Eldunarí einiger junger wilder Drachen. Mit müden Blick Maris noch einmal den Kopf und blickte Vrael an. Dann sagte er mit seinem letzten Atemzug: "Deshalb sind sie so stark. Bereitet euch vor." Dann starb er und Säris nur wenig später."
Schweigen breitete sich unter den Anwesenden Drachen und ihren Reitern aus. Der eisige Nordwind heulte über das Felsplateau auf dem sich der Donner versammelt hatte. Schließlich war es Ismira de die Stille durchbrach:
"Wenn ich euch also richtig verstehe Umaroth-Elda, dann ist es nur Maris zu verdanken, dass es ein Verlies der Seelen gab."
"Du hast richtig verstanden junge Ismira." bestätigte Umaroth.
"Dann folgte Maris und wohl auch Säris nur unter Zwang Galbatorix Banner." vermutete Cale." Vielleicht war er am Galbatorix gebunden ähnlich wie Murtagh und Dorn. Die Frage ist nur, wenn die Schwüre in der alten Sprache, die er zweifellos ablegen musste, ihm soviel Freiraum gaben absichtlich den Kampf gegen euch und euren Reiter zu verlieren Meister Umaroth und euch diese entscheidende Information zu geben, warum hat er nicht früher etwas unternommen?"
Erneut erklang Umaroth Stimme. Diesmal lag ein bitteres Lachen in den Worten des alten Drachen.
"Das meine jungen Freunde ist die Frage, die mich seit über einem Jahrhundert quält."
"Und vielleicht finden wir dort die Antwort." murmelte Eragon und blickte ernst zum Horizont zu der dunklen Silhouette der Burg von Maris dem Abtrünnigen.


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