155. Reiternutzen

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"Kriege ich auch noch eine?"
Kenais Frage brachte Marlena zum schmunzeln.
Es war die Idee von Irucans Reiter gewesen ihr Frühstück in diesen Heuschober zu verlagern.
Zu den Nebengebäuden von Narie und Mareks Haus gehörte auch ein kleiner Stall in dem Besucher ihre Pferde unterstellen konnten.
Der Boden über den Boxen war gefüllt mit duftendem, frischen Heu.
Marlena hatte sich mit ihrem Liebsten an diesen Ort zurückgezogen um den Gelüsten ihrer Tante zu entgehen.
Genau genommen war es Kenais Idee gewesen. Er hatte auch die Lebensmittel besorgt die sie nun verspeisten.
Hauptsächlich bestand das Frühstück der beiden Reiter aus Obst und Gemüse aber es war Kenai auch gelungen ein Schälchen mit Erdbeeren als Nachtisch aufzutreiben.
Marlena liebte diese Beeren und als Kenai nun nach einer fragte konnte sie sich nicht beherrschen und wollte ihn etwas zappeln lassen.
"Du musst sie dir verdienen." schmunzelte sie und klemmte sich eine besonders schöne Erdbeere zwischen die Zähne.
Herausfordernd blickte sie Kenai an.
Der junge Reiter ließ diese Herausforderung nicht auf sich sitzen und so schmeckten die zärtlichen Küsse die sie schon bald austauschten zu Marlenas Freude nach Erdbeeren.
Sie genoss es in vollen Zügen. Kenais sanfte Lippen die sich an ihre schmiegten, seine Hände die über ihren Rücken strichen.
Es war nun alles so einfach!
Es hatte die beiden jungen Reiter noch das eine oder andere Gespräch gekostet um an diesen Punkt zu kommen.
Marlena hatte zu ihrer eigenen Überraschung festgestellt, das Kenai ganz ähnlich empfand wie sie. Beide fühlten sie sich getrieben von dem was die Welt um sie herum nun von ihnen erwartete. Jede Gesellschaft, jedes Volk hatte seine Vorstellungen, seine Gesellschaftlichen Normen und seine Regeln.
Wenn Marlena jedoch eines in den vergangen Wochen gelernt hatte, dann das das was sie nun mit Kenai verband am besten funktionierte ohne diese Regeln.
Es ging dabei nicht um Regeln! Regeln entsprangen dem Denken! Und bei dem was gerade in diesem Augenblick zwischen ihr und Kenai vorging ging es um Gefühle! Denken war hier fehl am Platz.
In ihren Gesprächen hatten die beiden jungen Leute zu ihrer Überraschung festgestellt, dass das was sie fühlten, das was sich für sie richtig anfühlte gar nicht so weit auseinander lag.
Marlenas größte Angst war es gewesen, dass Kenai eine Nähe von ihr wollte, für die sie noch nicht bereit war.
Es schien nur logisch, dass er schneller zu diesem Schritt bereit war als sie. Er hatte ihn schon getan. Für Marlena war es nur natürlich dem Unbekannten mit mehr Vorsicht zu begegnen.
Das Unglaubliche war: Kenai fühlte genau so! Ja, er hatte diese Grenze bereits überschritten aber er bereute es!
Nicht nur weil es seine Beziehung zu Marlena belastet hatte sondern auch weil er zu dem Zeitpunkt als er und Svenjara sich nahe gekommen waren auch noch nicht bereit gewesen war. Es hatte sich für ihn falsch angefühlt und er hatte sich dafür geschämt. Es war als hätte er gegenüber Svenjara ein Versprechen abgegeben von dem er wusste, dass er nicht in der Lage sein würde es zu halten.
Er hatte sogar die Vermutung geäußert, dass das der eigentliche Grund gewesen war warum er Marlena nichts erzählt hatte als sie sich kennen lernten.
Es hatte sich falsch angefühlt.
Doch das hier, fühlte sich richtig an.
Sie hatten beschlossen die Regeln zu vergessen. Einfach ihrem Gefühl zu vertrauen. Im Augenblick war der Zeitpunkt für die größtmögliche Nähe noch nicht gekommen, doch das machte die Zärtlichkeit die sie in diesem Moment teilten nicht weniger bedeutsam.
-"Entschuldige kleine Halbling."-
Alonvys Stimme riss Marlena aus dem wohligen Dämmerzustand von dem sie sich hatte tragen lassen.
-"Was....was willst....wieso jetzt?"-
-"Gib mir bitte bescheid wenn dein Verstand wieder soweit arbeitet, dass du in ganzen Sätzen sprechen kannst"-
Alonvys klang amüsiert und Marlena ließ ihre Drachendame ihre Verärgerung spüren. Sowohl darüber, dass sie geneckt wurde als auch über die Störung ihrer Seelenschwester.
Alonvy reagierte darauf nur mit diebischer Freude.
-"Du hast mir versprochen mit ihm darüber zu reden kleine Halbling."-
Marlena wusste sofort wovon ihre Drachendame sprach.
-"Ja aber...jetzt?!"-
-"Ja, jetzt!"- beharrte Alonvy. -"Wenn andere Reiter dabei sind möchtest du dieses Thema nicht ansprechen. Aber jedes mal wenn du mit deinem Schatz allein bist beginnt dein Blut zu brennen und du vergisst es."-
Marlena spürte wie Scham in ihr aufstieg. Alonvy hatte nicht unrecht.
Ihre Drachendame reagierte überraschend sanft.
-"Du musst dich nicht schämen kleine Halbling. 'Es ist nur natürlich, dass du so fühlst und ich freue mich für dich Doch ich habe ein Problem und ich bitte dich um Hilfe. Er war heute schon wieder so. Ich brauche Antworten."-
Marlena schickte ihrer Drachendame eine Bestätigung. Alonvy hatte recht. Es war Zeit die Sache anzusprechen.
Kenai hatte offenbar begriffen, dass er und Marlena nicht mehr unter sich waren. Während der Unterhaltung der beiden Seelenschwestern hatte er sich zurückgezogen und blickte Marlena nun fragend an.
"Alonvy?"
Marlena nickte.
"Ich hoffe sie ist nicht,.....ich meine......Du weißt schon wegen......?"
-"Ist es in eurem Zustand natürlich nicht mehr in ganzen Sätzen sprechen zu können?"-
Nur mühsam konnte Marlena ein Kichern unterdrücken als sie den Kommentar ihrer Drachendame hörte.
"Nein, sie freut sich für uns." versicherte sie Kenai. "Aber es gibt etwas, dass ihr Sorgen bereitet. Es geht dabei um Irucan."
"Oh...."
Kenai rückte ein Stück von 'Marlena fort, so dass aie sich in Ruhe unterhalten konnten. "Worum geht es genau?"
"Nun.....Alonvy fragt sich ob dein Drache vielleicht Gefühle für sie hat?"
Kenai grinste etwas verlegen.
"Gefühle? Du meinst so wie du und ich für einander?"
Marlena nickte.
"Alonvy ist etwas verwirrt weißt du. Irucan verbringt seit wir hier angekommen sind gern seine Zeit mit ihr. Er zeigt ihr seine Fähigkeiten und was er gelernt hat aber gleichzeitig hält er auch Abstand. Er folgt nicht, wie sie es nennt, dem Ruf des Blutes. Er wirbt nicht um sie, stellt sie nicht auf die Probe. Alonvy ist verunsichert."
"Hat sie denn Gefühle für ihn?" wollte Kenai wissen.
Marlena zögerte bis sie von ihrer Drachendame die Erlaubnis erhielt.
"Sie hat ihn sehr gern aber nicht....so." Sie beeilte sich hinzu zu fügen: "Versteh das nicht falsch. Er ist ein prächtiger junger Drache aber....."
Marlena rang die Hände.
"In diese Richtung hat Alonvy einfach bisher nicht gedacht und es fühlt sich für sie auch etwas falsch an. Ich meine, sie hat irucan als halbes Küken kennen gelernt und dieses Bild ist immer noch in ihren Gedanken."
"Und daher fühlt es sich für sie falsch an von ihm als Nistpartner zu denken." vollendete Kenai.
Marlena nickte. Sie beobachtete wie der Blick des anderen Reiters kurz leer wurde. Stimmte er sich nun mit seinem Seelenbruder ab? Genau konnte sie es nicht sagen.
"Es ist etwas schwer in Worte zu fassen." murmelte Kenai nach einigen Sekunden.
"Ist es nicht." widersprach Marlena. "Es ist nur so, dass wenn wir über solche dinge sprechen es um tiefe Gefühle geht. Sich so zu öffnen bedeutet verletzbar zu sein und das ist ein Gefühl das keinem gefällt. Aber glaubst du wirklich, dass Ich oder Alonvy diese Verwundbarkeit ausnützen würden?"
Kenai lächelte kurz.
"Nein, wohl nicht."
Er sammelte kurz seine Gedanken.
"Alonvy ist Irucan wichtig aber nicht auf diese Weise. Er sieht sie.....Nun, sie ist für ihn so etwas wie eine gute Fee oder eine Patentante."
Deutlich spürte Marlena wie Alonvy mit Überraschung reagierte.
"Das musst du noch etwas näher erklären." verlangte sie.
"Du weißt doch noch wie du, dein Onkel Murtagh und eure Drachen uns damals gefunden habt oder?"
Marlena nickte.
"Mutters Drachendame hat Irucan als ihr Küken angenommen und ihn aufgezogen wie eine Mutter. Sie hat ihm all die Liebe gegeben die er brauchte aber.....Denk an die Situation in der wir waren. die angst vor Galbatorix und den 13 war unser ständiger Begleiter. Und nun stell dir vor was das für zwei Wesen bedeutet, die nur über ihren Geist, über ihre Herzen und Seelen miteinander sprechen bedeutet!
Irucan hat in sich gespürt, dass er geboren ist um ein König des Himmels zu sein! Ein wesen, frei und mächtig! Doch Lenjara musste ihn beibringen stets vorsichtig zu sein und selbst andere Drachen zu fürchten, da die einzigen anderen Drachen die es auf der Welt sonst noch gibt höchstwahrscheinlich Marionetten des dunklen Königs sein würden. Mit der Zeit begriff er, dass er allein war. Das er nie würde so leben können wie sein Blut es von ihm verlangte. Er begriff auch, dass seiner Mutter dinge fehlten. wissen, dass nie an sie weitergegeben wurde. Er kam zu der Überzeugung, dass er nie.......ganz sein würde."
"Das muss schrecklich für ihn gewesen sein." flüsterte Marlena.
"Alonvy hat das für ihn verändert." erklärte Kenai. "Sie war der erste, fremde Drache den er je getroffen hat und durch sie hat sich alles verändert. Nicht nur traf er einen anderen Drachen der kein gebrochener Sklave war und ihm freundlich gegenüber stand sondern durch euch wurde auch die Seele des Wesens geheilt das für ihn seine Mutter ist. Lenjara erfuhr, dass sie nicht die einzige freie Drachendame war. Die angst, die Trauer und die Verzweiflung lösten sich auf wie Nebel in der Sonne und eine völlig neue Welt wurde für ihn sichtbar. Ein Leben indem er das sein konnte was sein Blut von ihm verlangte. Eine Welt in der er und auch seine Mutter....ganz sein konnten."
Marlena spürte wie ihr Tränen der Rührung in die Augen stiegen. Unwillkürlich musste sie an einen Moment denken als sie Irucan und seine "Familie" damals trafen. Sie hatten Ajescha, Lenjara sowie Kenai und auch Irucan von der Ostmark erzählt und Bilder der wilden Drachen mit ihm geteilt. Sie erinnerte sich wie Irucan begeistert im Kreis gesprungen war.
"Die will ich alle kennenlernen! Alle, alle, alle!" hatte er damals gerufen.
Dieser Moment unschuldiger Freude bekam nun eine völlig neue Bedeutung für Marlena.
"Deshalb ist es Irucan wichtig was Alonvy von ihm hält, verstehst du?" fuhr Kenai fort. "Es geht ihm nicht darum sich ihr als Nistpartner zu präsentieren. Dafür hat er viel zu viel Ehrfurcht vor ihr. Sie hat ihm diese Welt geschenkt und er möchte ihr beweisen, dass er dieses Geschenk verdient. Ihr Urteil ist ihm wichtig. Für ihn ist sie die Autorität die entscheiden muss ob er etwas geworden ist, dass es wert ist Drache genannt zu werden. Für keinen anderen Drachen empfindet er so. Nicht für Meisterin Kira, nicht für Meisterin Laorie, ja nicht einmal für Meisterin Saphira!"
Marlena spürte die Reaktion ihrer Drachendame auf Kenais Worte.
Alonvy empfand es als eine unglaubliche Ehre, dass Irucan ihrem Urteil eine solche Bedeutung beimaß. Das jemand ihr Urteil über das von Saphira Schimmerschuppe, der Mutter der Widergeburt stellte!
-"Sag Kenai bitte, dass ich ihm für seine Worte sehr dankbar bin"- flüsterte die weiße Drachendame bevor sie sich aus den Gedanken ihrer Reiterin zurück zog. Marlena erkannte aber noch, dass sie sich auf die suche nach einem bestimmten jungen Drachen machen würde.
"Sie wird mit ihm darüber reden?"
Es war eigentlich keine Frage die Kenai da stellte.
"Sie will mit ihm reden." antwortete Marlena.
"Sie werden reden. Er wartet auf sie." antwortete Kenai.
Marlena grinste. Jetzt war sie sich sicher, dass auch Irucan jedes Wort gehört hatte. Sie wusste nun woher Kenais worte gekommen waren.
"Manchmal sind wir Reiter doch ganz nützlich für unsere Drachen, oder?"
Kenai lächelte wissend.
"Manchmal schon."
Einen Augenblick schwiegen die beiden jungen Reiter.
Marlenas Blick glitt über den Hof. Die rote Kira lag dort in der Morgensonne als die Tür des Herrenhauses geöffnet wurde.
Aurelia tollte heraus dicht gefolgt von ihrem Reiter. Marlena wusste, dass ihre Schwertkampfstunde auf den Nachmittag verschoben worden war und warum. Sie musste an ihren Vater denken als sie die ausgelassene Aurelia beobachtete.
"Eine neue Welt...." flüsterte sie. "Ich bin stolz auf dich Vater!"







Abstimmen nicht verlieren;)

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